OLG Celle: 11-jähriges Kind im Straßenverkehr – Kein Mitverschulden bei Überforderung.

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Das Ober­lan­des­ge­richt Celle (OLG Celle, Urt. v. 19.05.2021; AZ: 14 U 129/20) hat einem elf­jäh­ri­gen Mäd­chen, das beim Über­que­ren einer Stra­ße von einem Auto er­fasst wurde, vol­len Scha­den­er­satz zu­ge­spro­chen. Die si­tua­ti­ons­be­ding­te Über­for­de­rung des Kin­des, die Ge­fah­ren­la­ge im Stra­ßen­ver­kehr rich­tig ein­zu­schät­zen, sei zu be­rück­sich­ti­gen und stehe einem Mit­ver­schul­den des Kin­des ent­ge­gen.

Überforderung eines Kindes im Straßenverkehr.

Das Mädchen war bei Dunkelheit einer Kindergruppe hinterhergelaufen und wurde vom einem 55 km/h schnellen Kfz erfaßt. Es erlitt schwere Verletzungen, die bleibende Folgen haben werden. Das Landgericht Verden hatte in erster Instanz ein Mitverschulden der Klägerin angenommen, aufgrund dessen ihre Ansprüche um 25% gemindert seien. Das OLG Celle hat der Klage dagegen in vollem Umfang stattgegeben. Der Fahrer des Kfz habe den Unfall jedenfalls ganz überwiegend verschuldet. Nach § 3, Abs. 2a StVO müsse sich ein Fahrzeugführer so verhalten, daß eine Gefährdung insbesondere von Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen ausgeschlossen ist. Hier hätte der Fahrer sein Fahrverhalten sofort anpassen müssen, als er die Kinder im Straßenbereich wahrnahm. Darüber hinaus hätte er den Unfall auch verhindern können, wenn er nur die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte.

Kein Mitverschulden.

Entgegen § 25, Abs. 3 Satz 1 StVO habe das Mädchen beim Überqueren der Straße den vorfahrtsberechtigten Fahrzeugverkehr nicht ausreichend beachtet. Nach der Überzeugung des OLG Celle traf es insoweit aber kein Verschulden. Nach § 828, Abs. 2 BGB könnten Kinder ohnehin erst ab Vollendung des zehnten Lebensjahres für Unfälle im Straßenverkehr verantwortlich sein. Hier sei hinzu gekommen, daß das nur unwesentlich ältere Kind nachvollziehbarer Weise überfordert war, weil es sich schon auf der Straße befand, als es das Fahrzeug wahrnahm, Entfernung und Geschwindigkeit dieses Fahrzeugs auch aufgrund der Dunkelheit falsch einschätzte und reflexhaft die falsche Entscheidung traf, der Gruppe hinterherzulaufen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass sich das Kind richtig verhalten werde.

Bei dieser Entscheidung ist zu berücksichtigen, daß auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist. Die Entscheidung bedeutet also nicht, daß Kinder generell kein Mitverschulden trifft.


Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.


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