OLG Düsseldorf: Kryptowährungs-Rücküberweisung ist vertretbare Handlung i.S.v. § 887 ZPO

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Die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz Mönchengladbach hat keinen Bestand mehr

Gericht betritt juristisches Neuland: Schuldner muss 0,9 Bitcoin an Kryptowallet-Adresse des Gläubigers übertragen.


Basiswissen ZPO – Vertretbare und nicht vertretbare Handlungen

Es ist etwas dran am bekannten Sprichwort, dass Recht haben und Recht bekommen nicht unbedingt dasselbe sind.  

Einen Anspruch oder eine Forderung gegen jemanden zu haben nützt nur dann etwas, wenn das Gegenüber sich auch zahlungswillig zeigt. Sonst hat man zwar ein Recht auf Zahlung, bekommt jedoch nichts. Sodann muss der Gläubiger gerichtlich einen Vollstreckungstitel erstreiten, um doch noch sein Recht zu bekommen.

Die Zivilprozessordnung kennt zwei Wege, dem Anspruchsteller zu seinem Recht zu verhelfen. Schuldet der Antragsgegner eine Geldsumme, lässt sich etwa sein Konto pfänden, sodass dem Geld auch gegen den Willen des Zahlungsunwilligen beizukommen ist. Man spricht von einer vertretbaren Handlung, § 887 ZPO. Anders ist der Fall gelagert, wenn der Gläubiger eine bestimmte Willenserklärung verlangt. Hier hilft keine Pfändung, es kann schlicht niemand anderes als eben die bezeichnete Person die Handlung rechtswirksam vornehmen. Man spricht von einer nicht vertretbaren Handlung, § 888 ZPO. Man kann nur versuchen, den Willen des Schuldners mit Geld- oder Freiheitsstrafe zu beugen.

Der zweite Fall ist für den Gläubiger unvorteilhaft, da er, um zu seinem Recht zu kommen, auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen ist. Auch zivilprozessuale Mittel wie Zwangsgeld oder -haft können die Mitwirkungsbereitschaft zwar fördern, sind aber keine Erfolgsgaranten.


Die Vertretbarkeit von Krypto-Überweisungen stellt die Justiz vor Probleme  

Die Vorinstanz des diesem Artikel zugrundeliegenden Urteils ordnete Rücküberweisungen bei Krypto-Bezahlung als nicht vertretbare Handlung ein, das Berufungsgericht hingegen nahm die Vertretbarkeit der Handlung an. Wie lässt sich die Meinungsverschiedenheit bei einer so simpel daherkommenden Frage erklären?

Die Antwort ist in der Rechtsnatur von Bitcoin und anderen Kryptowährungen zu suchen, deren Einordnung die prädigitale deutsche Rechtsordnung herausfordert.

Das Recht hinkt der Realität des Onlinezahlungsverkehrs hinterher, wo der Kauf von und die Bezahlung mit Kryptowährungen nichts Besonderes mehr ist. Bitcoin und Co. werden behandelt wie herkömmliches Geld, dies entspricht indes nicht der juristischen Betrachtungsweise. Geld im Sinne des Gesetzes müsste körperlich sein, wie es auf Bargeld zutrifft. E-Geld ist zwar ebenfalls nicht körperlich, wird aber von Banken als zentrale Instanz herausgegeben und verwaltet. Das Alleinstellungsmerkmal von Kryptowährungen ist es jedoch gerade, dass sie dezentral strukturiert sind und nicht von wenigen Emittenten herausgegeben werden. Kryptowährungen sind demnach kein Geld im Sinne des Gesetzes, sie unterfallen dem Begriff eines “Finanzinstruments in Form einer Rechnungseinheit”.

Folglich können Kryptowährungen nach der Zivilprozessordnung nicht wie gewöhnliches Geld behandelt werden. Da es sich nicht um ebensolches handelt, konnte der Gläubiger keinen Vollstreckungstitel dahin gehend erwirken, dass ein Dritter im Namen und auf Kosten des Schuldners die Rücküberweisung tätigt - es handelte sich nach bisheriger Rechtsprechung ja um eine nicht vertretbare Handlung.

Der Besitzer einer Kryptowährung hat statt eines Bankkontos ein sogenanntes „Wallet“. Jedoch wird in dieser digitalen Geldbörse das Geld nicht wie im analogen Pendant direkt abgelegt und verwahrt. Vielmehr wird in der digitalen Geldbörse lediglich vermerkt, über wie viel Kryptowährung der Inhaber verfügen darf. Der Zugriff auf dieses Wallet ist ausschließlich dem Inhaber vorbehalten und durch ein Passwort (das “Schlüssel” genannt wird) geschützt. Da dieser Schlüssel für Krypto-Überweisungen vonnöten und nur dem Inhaber bekannt ist, kann keine Überweisung zugunsten des Gläubigers erzwungen werden.

Das Berufungsgericht des vorliegenden Falles wusste dieses Problem zu lösen: Der Kläger hatte nicht explizit 0,9 Bitcoin aus dem Wallet des Schuldners gefordert, die Herkunft war also nicht spezifiziert. So konnte das OLG Düsseldorf den Schuldner zur Übertragung von 0,9 Bitcoin an die digitale Geldbörse des Gläubigers verurteilen, denn die Summe kann auf jeder Krypto-Handelsplattform auf Kosten des Schuldners erworben und an den Kläger übertragen werden. Die ursprünglich nicht vertretbare Handlung konnte so in eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO umgedeutet werden. 


Was das Urteil für die Bezahlung mit Kryptowährung bedeutet

Eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs, des BGH, steht noch aus und ist in der zuvor auseinandergesetzten Sache nicht zu erwarten. Die Revision wurde zwar zugelassen, allerdings vom Beklagten nicht eingelegt. Demzufolge steht es Gerichten, die mit ähnlichen Fällen betraut sind, frei, anders als das OLG Düsseldorf zu entscheiden. Endgültige Rechtssicherheit für Betroffene besteht nicht, eine Indizwirkung lässt sich dem Urteil dennoch bescheinigen.


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Quellen zum Thema Kryptowährungen Rücküberweisung 

LG Mönchengladbach, Urt. v. 3.12.2019 – 11 O 331/19

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.2021 – 7 W 44/20

Koch: Die Zwangsvollstreckung in virtuelle Währungen, DGVZ 2020, 85

Schmidt: Zwangsvollstreckungsrecht: Durchsetzung eines Anspruchs auf Übertragung von Bitcoin JuS 2022, 77

Kütük/Sorge: Bitcoin im deutschen Vollstreckungsrecht - Von der „Tulpenmanie” zur „Bitcoinmanie”, MMR 2014, 643

Badstuber: Bitcoin und andere Kryptowährungen in der Zwangsvollstreckung DGVZ 2019, 246

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