OLG Düsseldorf: Sonderkündigungsrecht bei Lehman-Zertifikaten aufklärungspflichtig

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Das Oberlandesgerichts Düsseldorf (16. Zivilsenat) hat die Targobank verurteilt, einem Lehman-Anleger Schadensersatz zu zahlen, weil dieser vor der Investition nicht ausreichend darüber aufgeklärt wurde, dass für die Wertpapieremittentin ein Sonderkündigungsrecht besteht, das für den Anleger zum Totalverlust führen kann (Az: 16 U 58/13). Weil nach der Entscheidung auch der Produktflyer über dieses Risiko nicht ordnungsgemäß aufklärt, könnte das Urteil für viele noch laufende Lehman-Verfahren zum „Generalschlüssel“ werden.

Bastian Krämer* leistete im Alter von 20 Jahren gerade seinen Zivildienst, als seine Mutter für ihn im Jahre 2007 Geld anlegen wollte. Diese berichtet, sie wollte damals Geld für ihren Sohn sicher und kurzfristig verfügbar anlegen, damit dieser für ein späteres Studium oder eine Existenzgründung ein kleines Startkapital habe. Nach Beratung durch die Targobank wurden sodann gut 10.000 € in Zertifikate von Lehman Brothers investiert. Diese Anlage wurde durch den Zusammenbruch der US-Investmentbank im September 2008 vorerst nahezu wertlos.

Krämer beschwerte sich bei der Targobank, die eine Kulanzzahlung von 4.500 € anbot. Dies war dem Anleger zu wenig. Er klagte, verlor aber zunächst vor dem Landgericht Düsseldorf. Auf seine Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf bekam er nun Recht, und zwar mit einer Begründung, die für eine Vielzahl weiterer Lehman-Anleger bedeutsam sein dürfte. Krämer warf der Targobank nämlich vor, dass bei der Beratung nicht über ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufgeklärt wurde. Nach den sogenannten „Endgültigen Bedingungen“ konnte die in den Niederlanden ansässige Emittentin, die „Lehman Brothers Treasury Co. B.V.“, die Anlage vorzeitig zurück zahlen, und zwar unter anderem aus steuerlichen Gründen oder bei Einstellung des Index, auf den sich das Wertpapier bezog. Riskant war für den Anleger, dass der im Falle einer vorzeitigen Kündigung fällige Rückzahlungsbetrag „marktgerecht“ ermittelt werden sollte und im schlimmsten Fall „Null“ hätte betragen können. Damit kann die Ausübung des Sonderkündigungsrechts durch die Emittentin zu einem Totalverlust für den Anleger führen. Dieses Risiko, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, sei aufklärungspflichtig. Damit wies es die Argumentation der Targobank und anderer Senate des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurück, wonach das Sonderkündigungsrecht nicht aufklärungspflichtig sei, weil es eng umrissene und äußerst unwahrscheinliche Fallgestaltungen betreffe.

Rechtsanwalt Claas-Oliver Meißner aus der Bremer „Kanzlei Dr. Ehlers“, der den Anleger vor Gericht vertrat, misst der jetzigen Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bei, denn: „es wurde festgestellt, dass der Produktflyer nicht ausreichend darüber aufklärt, dass das Sonderkündigungsrecht für den Anleger zum Totalverlust führen kann. In all den Fällen, in denen die Targobank – wie hier – eine Beratung anhand des Produktflyers behauptet, bestehen mit dieser Rechtsprechung jetzt deutlich bessere Chancen für die Lehman-Anleger, ihr verlorenes Geld von der Bank zurück zu bekommen.“

Im vom Oberlandesgericht Düsseldorf bewerteten Produktflyer wird zwar in einer Fußnote eine „vorzeitige Rückzahlung“ angesprochen und es wird als Folge auch eine Rückzahlung unterhalb des Nominalbetrags erwähnt, doch von einem Totalverlustrisiko aufgrund der vorzeitigen Rückzahlung ist nicht die Rede. Insofern genügt dem 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine Aufklärung des Kunden mit den Inhalten des Flyers nicht.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat im Urteil die Revision zugelassen, so dass die Targobank Rechtsmittel vor dem Bundesgerichthof erheben kann.

* Name geändert


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