Vergleich zur VW-Musterfeststellungsklage – höhere Ansprüche kostenfrei prüfen lassen

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Nachdem das Musterfeststellungsverfahren mit einem Vergleich endet, stehen Besitzer abgasmanipulierter VW-Besitzer nun vor der Entscheidung, den vom Verbraucherzentrale Bundesverband ausgehandelten Vergleich anzunehmen oder individuell gegen Volkswagen zu klagen. Die Entscheidung fällt nicht leicht, allerdings sind die Entschädigungen bei Individualklagen zum Teil bereits deutlich höher ausgefallen.

Vergleich: 830 Millionen Euro für 260.000 VW-Kunden

Das Musterfeststellungsverfahren der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Volkswagen wird durch Vergleich beendet. Den Konzern wird das nach seinen Angaben mindestens 830 Millionen Euro kosten. Profitieren sollen rund 260.000 Betroffene des VW-Dieselskandals. Ihnen sollen Zahlungen zwischen 1.350 und 6.257 Euro angeboten werden, wobei die Höhe der Entschädigung vom Modell und dem Alter des Autos abhängt. Im Durchschnitt können VW-Kunden etwa 15 Prozent des ursprünglich gezahlten Kaufpreises erwarten. Die Betroffenen müssen das Angebot aber nicht annehmen, sondern können auch individuell vollen Schadensersatz einklagen. Das dürfte sich – wenn auch nicht in allen, aber doch in vielen Fällen – lohnen. Doch dazu später.

VW will Vergleichsentscheidung vor Einschätzung des Bundesgerichtshofes

„Die an sich erfreuliche Nachricht, dass jetzt eine schnelle Lösung winkt, ist am Ende nichts anderes als Berechnung und Prozesstaktik von Volkswagen,“ meint Rechtsanwalt Dr. André Ehlers. Denn am 5. Mai 2020 werde sich der Bundesgerichtshof voraussichtlich mit dem Dieselskandal befassen. „Wenn sich das oberste Zivilgericht dann zugunsten des Klägers positioniert, wäre die Musterfeststellungsklage sowieso praktisch vorentschieden gewesen“, so Dr. Ehlers. Nach Angaben der VZBV war Volkwagen eine Entscheidung vor der ersten Verhandlung des Bundesgerichtshofs wichtig. Deshalb wird das Entschädigungsangebot bis zum 20. April 2020 begrenzt sein. „Dass Volkswagen möglichst viele Verfahren durch Vergleichszahlungen vor dem Gerichtstermin beenden will, deutet darauf hin, dass man in Wolfsburg wohl tendenziell davon ausgeht, dass der BGH zugunsten der VW-Kunden entscheidet“, ist Dr. Ehlers überzeugt. Danach würden sich dann wohl die Wenigsten mit nur 15 Prozent des Kaufpreises zufrieden geben.

VW informiert per Post

Alle Teilnehmer der Musterfeststellungsklage am Oberlandesgericht Braunschweig werden Mitte März Post von VW bekommen. Darin werden sie informiert, ob sie Entschädigungen bekommen können oder nicht. Wer das Vergleichsangebot annimmt, kann dann seine Ansprüche über eine digitale Plattform im Internet oder über ein Call-Center abwickeln. Wer den Vergleich annimmt, für den sind alle Ansprüche gegen VW erledigt.

VW zahlt Anwaltsberatung zu Vergleichsangebot 

Als durchaus fair wertet Dr. Ehlers die Regelung, dass sich Verbraucher vor ihrer Entscheidung von einem Anwalt ihrer Wahl beraten lassen können. Die Kosten der anwaltlichen Beratung übernimmt Volkswagen, wenn der Verbraucher den Vergleich annimmt. Betroffene können sich also praktisch ohne zusätzliches Kostenrisiko von einem Anwalt ihrer Wahl zum jeweiligen individuellen VW-Angebot beraten lassen um dann zu entscheiden, ob sie den Vergleich annehmen oder doch noch eine individuelle Klage gegen Volkswagen einreichen. Da die Verbraucherzentrale selbst das Angebot von Volkswagen als „nicht großzügig“ bewertet, empfiehlt es sich in jedem Fall, das Zahlungsangebot unbedingt anwaltlich prüfen zu lassen.

Nicht alle erhalten ein Vergleichsangebot 

Der erzielte Vergleich richtet sich an die Eigentümer von Dieselautos der VW-Konzernmarken mit EA189-Motoren, die sich dem Musterfeststellungsverfahren angeschlossen haben. Die Schummelmotoren waren neben Modellen der Kernmarke VW-Pkw auch in Fahrzeugen von Audi, Skoda und Seat eingebaut. Kein Vergleichsangebot erhält, wer sein Auto nach dem 31. Dezember 2015 gekauft hat. Auch wer im Ausland gemeldet ist, ist ausgeschlossen. Schließlich erhalten Autobesitzer, die ihre Ansprüche an einen juristischen Dienstleister (z. B. myright / financialright) abgetreten haben, ebenfalls kein Angebot von Volkswagen.

VW kommt „vergleichsweise“ billig davon

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Ehlers zeigt der Konzern keineswegs irgendeine Reue. „Niemand wird bedient, dessen Ansprüche verjährt sind, weil er sie nicht zur Musterfeststellungsklage angemeldet hat oder weil die Ansprüche voraussichtlich schlecht durchsetzbar sind, etwa weil das abgasmanipulierte Auto nach dem 31. Dezember 2015 gekauft wurde.“ Der Autokonzern kommt Ehlers‘ Meinung nach mit dem ausgehandelten Vergleich billig weg. Wäre das Verfahren bis zum Ende durchgeführt worden oder hätten gar die Teilnehmer des Musterfeststellungsverfahrens alle selbst geklagt, hätte VW wohl erheblich höhere Kosten tragen müssen.

Deutlich höhere Ansprüche der Verbraucher möglich

Das Gesamtangebot zeigt: VW will keine großzügigen Zahlungen leisten, sondern offenbar durch Vergleichsangebote höhere Zahlungen an die Betroffenen vermeiden. Für die Verbraucher ist die Wahrscheinlichkeit deshalb sehr groß, einen höheren und gut durchsetzbaren Anspruch gegen Volkswagen aus der Hand zu geben, wenn sie das Angebot annehmen. Zudem berücksichtigen die Vergleichsangebote soweit bisher bekannt keine Deliktszinsen. Dabei handelt es sich um eine vier prozentige Verzinsung des Kaufpreises zwischen Zahlung und Klageerhebung. Solche Zinsen werden von einigen Gerichten in Deutschland zugesprochen und erhöhen den Anspruch gegen Volkswagen noch einmal erheblich. Deshalb lohnt es sich in jedem Fall, das Angebot von Volkswagen von einem Anwalt genauestens unter die Lupe nehmen zu lassen, zumal die anwaltliche Erstberatung wegen der Kostenübernahme durch Volkswagen kostenfrei sein wird.



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