OLG Zweibrücken zum Umfang des Geh- und Fahrtrechts bei einem Hinterliegergrundstück

  • 4 Minuten Lesezeit

Dass ein Geh- und Fahrtrecht zu einem sogenannten Hinterliegergrundstück nicht immer ohne Einschränkungen besteht, sondern es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, machte das Oberlandesgericht Zweibrücken in einem aktuellen Beschluss vom 03.05.2022 (Az. 7 U 150/20) deutlich. Geklagt hatte der Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks (auch Hammergrundstück genannt). Er wollte eine Einschränkung des zu seinen Gunsten im Grundbuch eingetragenen Geh- und Fahrtrechts nicht hinnehmen. Seine Klage hatte jedoch keinen Erfolg. 

Nachbarstreit über den Umfang des Geh- und Fahrtrechts

In dem Rechtsstreit ging es um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück. Dabei handelt es sich um ein hinter einem anderen Grundstück liegendes Grundstück sozusagen in zweiter Reihe, das jedenfalls keinen eigenen Zugang zu einer öffentlichen Straße hat. Um auf dieses Grundstück zu gelangen, muss man über das Grundstück des Nachbarn in der vorderen Reihe gehen oder fahren. Dementsprechend hatte sich der klagende Eigentümer des Hinterliegergrundstücks auch ein sogenanntes Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch zu seinen Gunsten eintragen lassen. Lange Zeit gab es mit der Zufahrt zu seinem Hinterliegergrundstück auch keine Probleme. Doch dann errichtete der Nachbar, über deren Grundstück die Zufahrt erfolgte, zwei Pkw-Stellplätze auf seinem Grundstück mit der Folge, dass die Zufahrt zum Hinterliegergrundstück erschwert war, wenn die beiden Pkw-Stellplätze belegt sind. Der Zugang war zwar immer noch möglich trotz der vorne parkenden Fahrzeuge, doch unter Umständen musste die Ein- und Ausfahrt nun rückwärts erfolgen. Das passte dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks nicht und er verlangte von seinem Nachbarn, dass er die Stellplätze wieder zurückbaut und das bisherige Geh- und Fahrtrecht uneingeschränkt gewährleistet wie zuvor. Außergerichtlich konnten sich die beiden Eigentümer nicht einigen, also ging der Fall vor Gericht.

Klage des Hinterliegergrundstückseigentümers ohne Erfolg

Das Landgericht Kaiserslautern entschied in erster Instanz die Klage abzuweisen. Für das Landgericht war der Fall klar: Da das Hinterliegergrundstück weiterhin erreichbar ist, verneinte es eine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts. Diese Entscheidung wollte der Kläger nicht hinnehmen und legte Berufung ein, weshalb das OLG Zweibrücken in der zweiten Instanz die Sach- und Rechtslage zu prüfen hatte. Doch auch das Oberlandesgericht kam schnell zu dem Ergebnis, dass die Forderung des Klägers nicht berechtigt ist und empfahl ihm, die Klage zurückzuziehen.

Einschränkungen müssen hingenommen werden

In dem streitigen Fall war das Geh- und Fahrtrecht, also das Recht einen Gehweg oder Fahrweg auf fremden Grund und Boden zum Durchgang oder zur Durchfahrt nutzen zu dürfen, im Grundbuch nicht näher konkretisiert. Also mussten die Richter andere Umstände heranziehen, um den Umfang des Geh- und Fahrtrechts im Einzelfall festzustellen. Dabei sind vor allem die Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen, aber auch der Sinn und Zweck des Geh- und Fahrtrechts. Das OLG zog die Regelungen in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) heran und wies darauf hin, dass demnach die höchstzulässige Breite von Kraftfahrzeugen allgemein 2,55 m betrage und dementsprechend die Breite der Zufahrt zu bemessen sei. Im konkreten Fall kam das OLG zu dem Schluss, dass maximal fünf Meter Breite für die Zufahrt erforderlich seien, um mit einem üblichen Fahrzeug alle Garagen auf dem Hinterliegergrundstück zu erreichen. Dass dabei der Eigentümer sein Fahrzeug etwas mehr manövrieren müsse als bisher, war für die OLG-Richter nicht entscheidend. Dies müsse der Hinterliegergrundstückseigentümer hinnehmen, auch wenn es für ihn nachteilig ist. Der Nachbar des vorderen Grundstücks habe genauso ein Recht darauf sein Eigentumsrecht auszuüben und - wie hier - einen Teil seines Grundstücks für Stellplätze zu nutzen. 

Das muss beim Kauf eines Hinterliegergrundstücks beachtet werden

Wollen Sie ein sogenanntes Hinterliegergrundstück (teils auch als Hammergrundstück bezeichnet) kaufen? In Zeiten steigender Baulandpreise kommt es immer häufiger vor, dass große Grundstücke geteilt werden. Dadurch kann in manchen Fällen ein eigenständiges hinterliegendes Grundstück entstehen, das keinen eigenen Zugang zur öffentlichen Straße hat. Manchmal wird zusätzlich zur hinten liegenden Grundstücksfläche noch ein Streifen des vorne liegenden Grundstücks abgetrennt und eigentumsrechtlich dem Hinterliegergrundstück zugeschlagen. Das ist der Idealfall, weil dann eine eigene Zufahrt besteht. In vielen Fällen wird diese Form der Teilung jedoch nicht vorgenommen. Dann wird die Eintragung eines Wegerechts in Form eines Geh- und Fahrtrechts erforderlich, um den Zugang bzw. die Zufahrt zum Hinterliegergrundstück sicherzustellen. Käufer eines Hinterlieger- oder Hammergrundstücks sollten vor dem Kauf unbedingt Einsicht in das Grundbuch nehmen, um sich Klarheit zu verschaffen. Gibt es hier Unstimmigkeiten, müssen diese vor dem Notartermin unbedingt geklärt werden.

Grunddienstbarkeit versus beschränkt persönliche Dienstbarkeit

Wichtig ist auch darauf zu achten, ob das Wegerecht als Grunddienstbarkeit oder nur beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingetragen ist. Bei der Grunddienstbarkeit wird das vordere, an der Straße liegende Grundstück als sogenanntes "dienendes Grundstück" mit dem Wegerecht belastet. Das Wegerecht bleibt auch bei einem Verkauf des vorderen Grundstücks oder einer sonstigen Übertragung an einen anderen Eigentümer bestehen, geht also nicht unter. Anders ist dies bei der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Diese bezieht sich nur auf den aktuellen Eigentümer des Hinterliegergrundstücks oder Hammergrundstücks. Wird das Hinterliegergrundstück verkauft, erlischt das Wegerecht automatisch. In diesem Fall muss ein neues Wegerecht vereinbart und im Grundbuch eingetragen werden, um die Erschließung des Hinterliegergrundstücks sicherzustellen. Kaufinteressenten für ein Hinterlieger- oder Hammergrundstück sollten diese Unterschiede kennen oder sich vor dem Kauf anwaltlich beraten lassen. Zum Beispiel von unserer Kanzlei. Wir sind erfahrene Rechtsanwältinnen im Immobilien- und Grundstücksrecht und vertreten bundesweit Käufer und Verkäufer von Immobilien und Grundstücken. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Janina Werner

Beiträge zum Thema