Opferrechte: Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht – was jetzt? Beschwerde und Klageerzwingungsverfahren

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Sie haben vor einigen Monaten Anzeige bei der Polizei erstattet, da Sie Opfer einer Straftat wurden. Ihre Erwartung war, dass die Staatsanwaltschaft demnächst Anklage gegen den Täter erhebt, Sie vor Gericht aussagen können und der Täter seine "gerechte Strafe" erhält. Stattdessen halten Sie nun einen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft in den Händen. Dieser lässt Sie wissen, dass das Verfahren gegen den Beschuldigten mangels hinreichendem Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, weil nicht "mit dem für eine Anklage erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit" zu erwarten steht, dass ein Gericht im Falle einer Anklage zu einer Verurteilung des Beschuldigten gelangen würde. Im Übrigen lässt man Sie wissen, dass Ihnen der Zivilrechtsweg weiterhin offenstehe, was für Sie aber nur ein schwacher Trost ist.


Sie sind nun der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrer Bewertung der Rechts- oder Beweislage falsch liegt und/ oder nur unzureichende Ermittlungen durchgeführt wurden. 


Für diesen Fall stellt das Gesetz dem Geschädigten ein Rechtsmittelverfahren zu Verfügung, mittels dessen er die Entscheidung der Staatsanwaltschaft einer erneuten Überprüfung unterziehen kann. Dieses hat zwei Stufen: Die Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft (erste Stufe) und das gerichtliche Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgerichts (zweite Stufe).


Der nachfolgende Beitrag gibt Aufschluss über Voraussetzungen, Ablauf und Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens.


I. Die Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft

Bevor die Einstellungsverfügung im Wege eines Klageerzwingungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht angefochten werden kann , muss „der Staatsanwaltschaft“ zunächst selbst die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen. Sie haben daher zunächst eine Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft als Dienstvorgesetzten der Staatsanwaltschaft zu richten (daher auch „Vorschaltbeschwerde“ genannt).


1) Ablauf

Nachdem Sie die Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens erhalten haben, haben Sie zwei Wochen Zeit, um die Beschwerde bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft einzureichen. Diese Frist ist zwingend einzuhalten. Die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft genügt zur Fristwahrung (§ 172 Abs. 1 S. 2 StPO). Es sind keine besonderen Formalitäten für die Einreichung der Beschwerde vorgeschrieben. Insbesondere gibt es keinen Anwaltszwang, sodass Sie die Beschwerde grundsätzlich auch selbst einreichen können (wovon jedoch in aller Regel abzuraten ist, dazu sogleich). Die Generalstaatsanwaltschaft entscheidet als vorgesetzte Behörde über die Beschwerde. Wenn Sie zu Ihren Gunsten entscheidet, wird die zuständige Staatsanwaltschaft angewiesen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.


2) Beschwerdebegründung

Die Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft muss von Gesetzes wegen nicht begründet werden; eine fehlende Begründung nimmt der Beschwerde also nicht ihre Zulässigkeit. Wird die Beschwerde jedoch nicht vernünftig begründet oder wird, wie es häufig der Fall ist, nur das wiederholt, was auch schon in der Strafanzeige bzw. Strafantrag vorgetragen wurde, ist die Beschwerde allerdings ziemlich sicher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine sorgfältige und eingehende Begründung der Beschwerde sollte deshalb selbstverständlich sein. Das ist in aller Regel nur möglich, wenn man zuvor Akteneinsicht genommen hat. Denn ohne Akteneinsicht lässt sich weder die Sachlage noch die Rechtslage vernünftig überprüfen. Wer die Beweismittel nicht kennt, kann sie auch nicht interpretieren. Wer nicht weiß, was der Beschuldigte z. B. in einer Beschuldigtenvernehmung zu Protokoll gegeben hat, kann auch nicht auf Widersprüche hinweisen. Auch lässt sich nicht überprüfen, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt alle Beweismittel ausgeschöpft hat, ob also alle relevanten Zeugen vernommen wurden, ob eventuell Gutachten in Auftrag gegeben wurden usw. Deshalb kann nur dazu geraten werden, einen Rechtsanwalt mit der Beschwerdebegründung zu beauftragen, wenn man Sie es mit dem "Vorhaben Beschwerde" wirklich ernst meinen und tatsächlich etwas erreichen möchten.


3) Erfolgsaussichten

Was die Erfolgsaussichten der Beschwerde anbelangt, muss man ehrlicherweise sagen, dass diese statistisch gesehen sehr gering sind. Es mag vielleicht zu weit gehen, von einem von vornherein aussichtslosen Vorhaben zu sprechen, aber Tatsache ist, dass man gegen einen erheblichen "Trägheitseffekt" anzukämpfen hat; aus naheliegenden psychologischen Gründen besteht eine klare Tendenz, an einer einmal getroffenen Entscheidung im Zweifel eher festzuhalten als sie aufzuheben. Das Korrigieren von Entscheidungen fällt nun mal deutlich schwerer als das Treffen der ursprünglichen, richtigen Entscheidung von Anfang an. Nichtsdestotrotz ist es mit einer sorgfältig begründeten Beschwerde mit ausreichend argumentativer Durchschlagskraft gelegentlich doch möglich hier Erfolge zu erzielen.


II. Das gerichtliche Klageerzwingungsverfahren

Lehnt die Generalstaatsanwaltschaft die Wiederaufnahme der Ermittlungen ab, kann der Geschädigte diese Entscheidung gerichtlich im so genannten Klageerzwingungsverfahren überprüfen lassen. Im Klageerzwingungsverfahren, für das das Oberlandesgericht zuständig ist, besteht Anwaltszwang, das bedeutet, dass ein Antrag, der ohne Mitwirkung eines Anwalts eingereicht wird, schon unzulässig ist.

Ist das Beschwerdeverfahren bereits ein eher beschwerlicher Weg, liegen die Hürden für einen Erfolg im Klageerzwingungsverfahren noch höher. Schätzungsweise liegt die Erfolgsquote im Klageerzwingungsverfahren deutlich unter 5%. Das liegt vor allem daran, dass das Klageerzwingungsverfahren vom Gesetzgeber mit sehr hohen formellen Anforderungen ausgestaltet worden ist und die Gerichte diese Anforderungen in der Praxis sehr streng handhaben. So muss die Antragsbegründung es dem Gericht ermöglichen, allein aufgrund ihres Inhalts und ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten sowie etwa vorhandene Beiakten oder Bestücke oder Anlagen zu bewerten, ob nach dem Vorbringen des Antragstellers ein für die Erhebung der öffentlichen Klage hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Es genügt gerade nicht, einfach nur isoliert irgendwelche Fehler oder Versäumnisse im Rahmen der Ermittlungen zu rügen. Die formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Antragsbegründung zu erfüllen ist sehr aufwändig und anspruchsvoll. Die allmeisten Anträge scheitern de facto bereits an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung; in eine wirkliche Begründetheitsprüfung steigen die Oberlandesgerichte meistens noch nicht Mals ein.


III. Fazit

Aus den genannten Gründen rate ich meinen Mandanten in den meisten Fällen davon ab, gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft weiter vorzugehen. Anders liegt es nur, wenn wirklicht eklatante Fehler vorliegen oder gravierende und offenkundige Versäumnisse während der Ermittlungen festgestellt werden – dies geschieht jedoch weitaus seltener, als man vielleicht denken mag. Oft ist der zivilrechtliche Weg die empfehlenswerte Vorgehensweise, um als Geschädigter zumindest in Form einer finanziellen Entschädigung zu seinem Recht zu kommen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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