Piloten und Arbeitsrecht: Fluguntauglichkeit führt nicht zwingend zur Kündigung

  • 6 Minuten Lesezeit

Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 26. Februar 2020 (Az. 7 AZR 61/19) und behandelt die Auflösung des Arbeitsverhältnis aufgrund von Fluguntauglichkeit. Dabei soll ein erster, rudimentärer Überblick über die auflösende Bedingung und die Bedingungskontrollklage gegeben werden.


I. Die Problematik der auflösenden Klausel


In Arbeitsverträgen kann vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis bei Eintritt einer bestimmten Bedingung enden soll. Wenn eine solche Regelung getroffen wird, findet grundsätzlich das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Anwendung.


Hier ist in §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG vorgesehen, dass eine Bedingung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden muss. Ein solcher sachlicher Grund kann bspw. der nur vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung oder die Eigenart des Arbeitsverhältnis sein.


Zugleich wird mit dem TzBfG auch die gerichtliche Kontrolle einer Bedingung geregelt. Nach §§ 21, 17 TzBfG kann ein Arbeitnehmer das Arbeitsgericht anrufen, um die Rechtsunwirksamkeit der Befristung geltend zu machen. Dies muss er jedoch innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrages tun.


Dabei beginnt die drei-Wochen-Frist im Fall der auflösenden Bedingung grundsätzlich mit deren Eintritt, da der Arbeitsvertrag dann endet. Nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG setzt die Beendigung durch eine Bedingung grundsätzlich voraus, dass (mindestens) zwei Wochen zuvor der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber von dem Bedingungseintritt unterrichtet wurde. Sollte daher die Bedingung bereits vor dem Ablauf dieser zwei Wochen eingetreten sein, beginnt die drei-Wochen-Frist der Klage grundsätzlich erst ab Zustellung des Unterrichtungsschreibens.


II. Das Urteil des Bundesarbeitsgericht


Vor diesem Hintergrund musste das Bundesarbeitsgericht nun einen Fall entscheiden, bei dem ein Flugbegleiter aufgrund von Fluguntauglichkeit gekündigt werden sollte. Auf die ebenfalls thematisierte drei-Wochen-Frist und Prüfungspunkte für die weitere Bearbeitung durch die Vorinstanz wird im Folgenden nicht mehr eingegangen. Das Bundesarbeitsgericht hatte für das weitere Verfahren daraufhin gewiesen, dass eine Weiterbeschäftigung bei anderen Konzerngesellschaften nicht in Betracht komme und die Notwendigkeit sowie gegebenenfalls die ordnungsgemäße Durchführung eines Eingliederungsmanagement zu prüfen wäre. Zudem ist für den Eintritt der Bedingung eine Beteiligung der Personalvertretung nicht notwendig.


1. Was war nun geschehen?


Der Kläger war als Flugbegleiter bei einer Fluggesellschaft (der späteren Beklagten) tätig. Im geltenden Manteltarifvertrag waren folgende Regelungen vereinbart:


§ 20 – Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(1) a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.


[…]


(3) Die Bestimmungen des § 19 Abs. (3) gelten für den Fall einer Weiterbeschäftigung als Angestellter mit einer anderen nicht fliegerischen Tätigkeit entsprechend.
§ 19 – Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze
[…]


(3) Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der D noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters.

Nachdem beim Kläger die dauerhafte Flugdiensttauglichkeit festgestellt wurde, unterrichtete ihn die Beklagte über die Auflösung des Arbeitsverhältnis. Im selben Schreiben wurde der Kläger zudem nach einem eventuellen Interesse an einem Arbeitsplatz am Boden gefragt. Nachdem der Kläger dies bejahte, lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch ein. Dieses wurde jedoch auf Bitten des Klägers verschoben und die Beklagte bot Alternativen für einen Termin an.


Der Kläger erhob nun Klage.


2. So urteilte das Bundesarbeitsgericht


Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist und verwies den Fall an die Vorinstanz zurück. Im Ergebnis war nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht die auflösende Bedingung nicht eingetreten.


Auflösung nur wegen Fluguntauglichkeit?


Hinsichtlich der Befristung legte das Bundesarbeitsgericht die Klausel entgegen ihrem Wortlaut dahingehend einschränkend aus, dass der Eintritt der auflösenden Bedingung die Fluguntauglichkeit und eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit verlangt.


Grundsätzlich bedürfe die Befristung eines Sachgrundes bzw. sachlichen Grundes. Dieser liegt nicht bereits in der Flugdiensttauglichkeit, sondern lässt sich erst in der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit finden. Hier stehen sich nämlich das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers und die Vertrags- und Dispositionsfreiheit aufseiten des Arbeitgebers gegenüber. Solange Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, überwiegt nach dem Bundesarbeitsgericht das Interesse des Arbeitnehmers.


Hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit verlangte das Bundesarbeitsgericht allerdings, dass der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist bzw. hier der Frist des § 22 seine Bereitschaft zur Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen im Bodendienst erklärt.


Gleichzeitig ist nicht jeder Arbeitsplatz als Weiterbeschäftigungsmöglichkeit geeignet. Um als Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht zu kommen, muss der Arbeitnehmer dort mit seinem Leistungsvermögen und seinen fachlichen und berufspraktischen Kenntnissen eingesetzt werden können.


Dabei muss ein solcher Arbeitsplatz nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, sondern es reicht, wenn er im Zeitpunkt der Bedingungeintritts (hier der Flugdienstuntauglichkeit) in absehbarer Zeit nach Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist ein solcher frei wird. Allerdings muss die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar sein.


Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit


Im Ergebnis verwies das Bundesarbeitsgericht den Fall an das vorinstanzliche Gericht zurück, da es nicht geprüft hatte, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Dabei stellte das Gericht die Anforderungen an den Vortrag vor Gericht bezüglich der fehlende Weiterbeschäftigung dar.


So obliegt es zunächst grundsätzlich dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zu bestreiten. Tut er dies, muss der arbeitnehhmer darlegen, wie er sich eine weitere Beschäftigung konkret vorstellt. Erst dann muss der Arbeitgeber erläutern, warum eine solche Weiterbeschäftigung nicht in Betracht kommt.


Besondere Bedeutung kommt dabei nach dem Urteil des Bundesarbeitsgericht dem betrieblichen Eingliederungsmanagements zu. Dies mag nicht für die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnis nötig sein, jedoch hat sein Fehlen Einfluss auf den gerade beschriebenen Grundsatz. Wurde ein notwendiges Eingliederungsmanagement nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt, darf dies nach dem Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber vor Gericht keine Vorteile bei Darlegung bzw. gerichtlichen Vortrag und Beweis verschaffen. 

In der Folge kann der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht mehr einfach bestreiten. Er muss stattdessen denkbare oder vom Arbeitnehmer genannte Alternativen würdigen und darlegen, warum eine Weiterbeschäftigung hier ausscheidet. Sollte der Arbeitgeber jedoch die objektive Nutzlosigkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements darlegen und gegebenenfalls beweisen, ist dessen Fehlen unschädlich.


III. Folgen aus Sciht des Autors für die Praxis


Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgericht lassen sich zunächst zwei direkte Folgen für Arbeitnehmer ableiten:

So gilt es bei Bedingungseintritt bzw. bereits bei Erhalt des Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers zu entscheiden, ob hiergegen vorgegangen werden soll und ggf. anwaltlichen Rat einzuholen ist. Anderenfalls droht die Verfristung der Rechtschutzmöglichkeit! Zugleich ist dem Arbeitgeber anzuzeigen, dass an einer Weiterbeschäftigung beim Bodenpersonal Interesse besteht.


Im Weiteren kommt der ordnungsgemäßen Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagement erneut große Bedeutung zu. Soweit es notwendig, aber nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, erleichtert sich die Darlegungslast des Arbeitnehmers erheblich. In der Folge steigt damit die Chance, dass das Arbeitsgericht nicht von der fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit überzeugt ist und den Eintritt der auflösenden Bedingung ablehnt.


IV. Fazit

Zusammenfassend gilt daher für jeden Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer auflösenden Bedingung beendet wird, sich zeitnah um etwaigen Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten zu bemühen. Anderenfalls droht das Verfristen der arbeitsgerichtliche Kontrolle bzw. der sogenannten Bedingungskontrollklage.


Daneben zeigt sich an den Urteilen des Bundesarbeitsgericht, dass eine auflösende Bedingung nicht zwingend wirksam sein muss und eine Bedingung einen sachlichen Grund benötigt. 

Gerade Kabinenpersonal sollte gegebenenfalls das Urteil des Bundesarbeitsgericht bei der Feststellung von Flugdienstuntauglichkeit zum Anlass nehmen, den eigenen Tarifvertrag auf eine entsprechende Klausel zu überprüfen.


Insoweit ein notwendiges betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt wurde, kann sich dies aufgrund der veränderten Darlegungslast als vorteilhaft für einen Arbeitnehmer erweisen.


Sollte Sie selber flugdienstuntauglich geworden bzw. Sie von Ihrem Arbeitnehmer über einen Bedingungseintritt unterrichtet worden sein, beraten wir Sie gerne!

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stephan Kersten

Beiträge zum Thema