Preisschock am Energiemarkt: Strom- und Gasversorger kündigen Verträge und stellen Belieferung ein

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Im Dezember 2021 haben einige Strom- und Gasanbieter wie z.B. Gas.de (Grünwelt Energie) oder Stromio die bestehenden Verträge mit Ihren Kunden massenhaft gekündigt. Die erste Frage der Kunden, die eine solche Kündigung erhalten haben, ist meist: Dürfen die das? Doch nicht nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigungswelle ist für die Kunden von erheblicher Bedeutung. Viele fragen sich, ob sie weiterhin mit Strom oder Gas beliefert werden und was sie jetzt generell tun sollen.

Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick verschaffen.

Werde ich bald nicht mehr mit Strom oder Gas beliefert?

Bisher sind uns nur Fälle bekannt, in denen die Strom- und Gasversorger die gekündigten Kunden auch bei dem regionalen Grundversorger angemeldet haben. Die Weiterversorgung ist gesetzlich abgesichert.

Kann ich beim Grundversorger bleiben? Wenn ja, ist das sinnvoll?

Die Ersatzversorgung endet spätestens nach Ablauf von drei Monaten nach ihrem Beginn. Eine Kündigungsfrist gibt es jedoch nicht, sodass mit Abschluss eines neuen Vertrages die Ersatzversorgung endet. Für Haushaltskunden dürfen die Kosten der Ersatzversorgung die allgemeinen Preise der Grundversorgung nicht übersteigen.

Wenn Sie jedoch bis zum Ablauf der drei Monate keinen anderen Tarif abgeschlossen haben, bleiben Sie beim Grundversorger in der Grundversorgung. Sie können dann nur mit einer Frist von zwei Wochen kündigen.

In den meisten Fällen ist die Versorgung beim örtlichen Grundversorger sehr teuer. Daher sollten Sie

  • entweder Ihren bisherigen Anbieter zur Weiterbelieferung auffordern (siehe unten)
  • oder sofort einen neuen Vertrag über die Energielieferung schließen.

Jedenfalls sollten Sie nicht länger über die Ersatz- oder Grundversorgung beliefert werden, als unbedingt notwendig.

Unter Umständen kann sich ein neuer Vertrag auch bei dem örtlichen Grundversorger anbieten. Auch die Grundversorger bieten (außerhalb der Grundversorgung) Tarife, die jedoch mit anderen Versorgern verglichen werden sollten.

Ist die Kündigung der Versorger rechtens?

Diese Frage wird in den nächsten Monaten und Jahren in zahlreichen Gerichtsverfahren vor den zuständigen Gerichten zu klären sein.

Die Versorger berufen sich derzeit darauf, dass sie aufgrund der Preisentwicklung auf dem Energiemarkt und zur Abwendung einer drohenden Insolvenz ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 314 BGB haben.

Allerdings sind die Voraussetzungen an das Recht auf eine solche Kündigung sehr eng. Das Kündigungsrecht ist in aller Regel ausgeschlossen, wenn die Vertragsstörung in den Risikobereich des Kündigenden fällt. Das dürfte bei der Preisentwicklung auf dem Energiemarkt der Fall sein.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch auch in der Vergangenheit Ausnahmen von dieser Regel zugelassen. Hierauf werden sich Versorger berufen. Ob eine solche Ausnahme vorliegen kann, werden Gerichte bald zu klären haben. Unserer Prognose nach werden die Entscheidungen bundesweit zunächst nicht einheitlich ausfallen.

Die besseren Argumente sprechen aus unserer Sicht jedoch derzeit für die Verbraucher.

Welche Ansprüche habe ich gegen die kündigenden Strom- und Gasanbieter?

In Betracht kommen hier insbesondere

  • der Anspruch auf Weiterbelieferung, der unter Umständen im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann und
  • ein Anspruch auf Schadensersatz, also die Differenz der Preise, die Sie nunmehr zahlen müssen und des Preises, der Ihnen bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages bis zum Ende der Vertragslaufzeit garantiert war. Bei der Berechnung wären auch vertraglich zugesicherte Boni zu berücksichtigen. Der zu berechnende Schaden kann für Privathaushalte je nach Verbrauch und Dauer der restlichen Vertragslaufzeit bereits einige tausend Euro betragen.

Was soll ich jetzt tun? Welche Handlungsempfehlungen gibt es?

Zunächst bietet es sich trotz der offenbar wohl kalkulierten Entscheidung Ihrer Anbieter an, der Kündigung zu widersprechen. Gleichzeitig sollten Sie sich alle Rechte wegen der unwirksamen Kündigungen vorbehalten.

In vielen Fällen dürfte es Sinn machen, den Versorger auch zur Weiterbelieferung binnen einer kurzen Frist aufzufordern und anderenfalls mit Schadensersatz zu drohen. Reagiert der Versorger nicht, sollten Sie sich um einen anderen Tarif bemühen, um nicht weiter über die teure Ersatz- oder Grundversorgung versorgt zu werden.

Darüber hinaus sollten Sie sich zum Zwecke einer genauen Protokollierung regelmäßig die Zählerstände notieren, also insbesondere

  • zum Zeitpunkt der Kündigung Ihres Anbieters
  • zum Zeitpunkt des Endes der Ersatz- oder Grundversorgung
  • zum Zeitpunkt des eigentlichen Vertragsendes mit Ihrem kündigenden Versorger

Gegebenenfalls können Sie die Zählerstände auch mit Foto mit Tageszeitung oder unter Zuhilfenahme von Zeugen dokumentieren.

Schließlich ist es empfehlenswert, sich für eine Einzelfallberatung mit einem spezialisierten Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen. Gerne beraten wir Sie umfassend über Ihre Rechte und vertreten Ihre Interessen gegenüber den Strom- und Gasversorgern.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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