Probleme mit dem Krankengeld: Selbstauskunft, Ruhen des Bezuges, Dauerbrenner Blockfrist

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Bei Arbeitsunfähigkeit kann jeder Arbeitnehmer in Deutschland in der Regel Krankengeld beziehen. Vorausgesetzt, sein Einkommen liegt oberhalb der Minijobgrenze. Entweder, er ist gesetzlich (pflicht)versichert, freiwilliges Mitglied der GKV oder er muß sich privat versichern. Was auf dem Papier so einfach klingt, wirft in der Praxis eine Menge Probleme auf.


Wenn der Bezug von Krankengeld ruht, kann das mehrere Gründe haben:

Der häufigste Grund ist der verspätete Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der KK. § 49 Abs. 5 SGB V: "Der Anspruch auf Krankengeld ruht, … solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit …  erfolgt,"…

Seit einiger Zeit bieten Krankenkasse ihren Versicherten vermehrt die Möglichkeit an, über eine spezielle App das Attest hochzuladen. Problem: Der Versicherte muß bei Streitigkeiten nachweisen, daß er das Attest rechtzeitig uploadet hat. Ein Nachweis, der nur selten gelingt. Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt und wollte die Pflicht zur Übermittlung eines Attest ab 01.01.2021 dem behandelnden Arzt aufbürden. Die fehlende Meldung der AU sollte kein Ruhen des KrG-Anspruchs mehr bewirken, wenn die Übermittlung im elektronischen Verfahren erfolgt oder erfolgen müsste.

Leider ist es in der Realität aber nicht so einfach wie vom Gesetzgeber vorgesehen:

Die vorgeschriebene AU-Meldung stellte bis 2020 allein eine Obliegenheit der Versicherten dar. Ab 2021 wurde die AU-Meldung an die KK in Papierform durch ein einheitliches und verbindliches elektronisches Übermittlungsverfahren abgelöst. Die Regelung erfolgte jedoch überhastet, da die technische Infrastruktur nicht fristgerecht zur Verfügung stand. Nach einer "Vereinbarung“ zwischen KBV und BMG sollen – entgegen der gesetzlichen Regelung – elektronische AU-Bescheinigungen (eAU) erst ab 01.01.2022 verpflichtend sein. Wer jetzt denkt: "Prima, da bin ich den Papierkram los", hat die Rechnung ohne den Amtsschimmel gemacht: Bis Juli 2022 bekommen Sie die AU Bescheinigung für Ihren Arbeitgeber nach wie vor auf Papier und müssen sie abgeben. Die Ärzte fahren also zweigleisig bis 30.06.2022.

Weiterer Grund: Der "falsche" Arzt hat eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. 

Bei einer Entlassung aus einer stationären Reha schreibt der behandelnde Arzt häufig formlos im Entlassungsbericht, daß der Patient krank ist und seiner letzten Beschäftigung nicht mehr nachgehen kann. Die Feststellung muß nach einer persönlichen Abschlußuntersuchung erfolgen. Die AU muß dann nicht auf dem offiziellen Vordruck ("gelber Schein") erfolgen. Die lapidare Feststellung "Wir entlassen den Patienten arbeitsunfähig" genügt jedoch nicht.

Oder: Der Versicherte hat in seinem Selbstauskunftsbogen ungünstige Angaben gemacht. Sich z. B. als erwerbsgemindert dargestellt, oder daß er in Rente gehen wolle. Wichtig: Solche Selbstauskünfte dürfen die KK seit 20.07.2021 nur noch schriftlich einholen. Jeder Versicherte hat zwar Mitwirkungspflichten, aber das sind die Allgemeinen Mitwirkungspflichten, die für jeden Sozialleistungsempfänger gelten. Keineswegs haben die Krankenkassen ein spezielleres Fragerecht. Krankenkassen sind Behörden, medizinische Fragestellungen überlassen sie dem MDK (medizinischen Dienst der Krankenversicherung). D. h. für Versicherte konkret: Der "freundliche Sachbearbeiter" darf Sie telefonisch nicht zur Einschätzung Ihrer Arbeitsfähigkeit befragen. Sie müssen mit der KK nicht telefonieren, wenn Sie nicht wollen. Bitten Sie einfach formlos darum, zukünftig nur noch schriftlich um Auskünfte gebeten zu werden. Schriftlich haben Sie nämlich die Möglichkeit, in Ruhe über die Antwort nachzudenken oder sich Hilfe zu besorgen.

Das gilt besonders wenn der Krankengeldbezug erschöpft ist: Sie sind ausgesteuert. 

Versicherte haben grds. Anspruch auf die Zahlung von 78 Wochen Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit innerhalb von drei Jahren, § 48 SGB V. Die AU wird vom Arzt immer mit einem Kürzel vermerkt, z. B. S923 – Fraktur Mittelfußknochen oder J209 akute Bronchitis. Durch das erstmalige Auftreten einer Krankheit wird immer eine 3jährige Blockfrist in Gang gesetzt, z. B. beim erstmaligen Bruch des Knochens am 17.06.2019 läuft die Frist bis zum 16.06.2022. Angenommen, ab März 2020 tritt eine akute Bronchitis auf. Die Fraktur ist im August 2020 – nach 56 Wochen - ausgeheilt, die Bronchitis besteht weiter. Beide Krankheiten haben sich einige Zeit überschnitten; der Krankengeldanspruch für die Bronchitis beträgt dann nicht 78 Wochen, sondern nur noch das, was von dem Anspruch seit Fraktur am 17.06.2019 "übriggeblieben" ist, also 22 Wochen. Die Bronchitis ist eine sog. "hinzugetretene" Krankheit. Dieses Beispiel ist übrigens nur der "einfache" Grundfall. Dieser läßt sich beispielsweise dadurch verkomplizieren, in dem dann für die "übriggebliebene" Bronchitis eine eigene Blockfrist geprüft wird.

Dauerbrenner Blockfrist

Es gibt unzählige Varianten bzgl. Blockfristen und Aussteuerung, die Sie unmöglich in Minutenschnelle am Telefon beantworten können. Was ist "dieselbe" Krankheit im Sinne des SGB V (ist Arthrose im linken und Jahre später im rechten Hüftgelenk dieselbe Krankheit – Arthrose – oder eine andere – einmal linksseitig, einmal rechtsseitig – (für dieselbe Krankheit LSG NRW, L 1 KR 112/14).  Ein nicht "ausgeschöpfter" Krankengeldanspruch läßt sich z. B. nicht in die nächste Blockfrist übertragen.

Eine andere unvermutete Schuldenfalle ist die "obligatorische Anschlußversicherung", § 188 SGB V.

Wenn nämlich die (Pflicht)versicherung endet, haben Sie nur 2 Wochen Zeit, um Ihrer KK mitzuteilen, daß Sie bei einer anderen KK untergekommen sind. Ansonsten gilt die Versicherung weiter und Sie werden freiwilliges Mitglied, mit dem Ergebnis, daß Sie selbst die Beiträge zahlen müssen. Da können sehr schnell einige Tausend Euro Schulden auflaufen. Vor allem, wenn Sie die Anfragen der KK ignorieren.

Lassen Sie sich deshalb nicht von der KK am Telefon "schwindelig" reden. Treffen Sie keine Entscheidungen zwischen Tür und Angel. Bitten Sie um schriftliche Auskunft, um Bedenkzeit und dann suchen Sie sich Hilfe. Zum Beispiel mich. Ich helfe Ihnen mit Rat und Tat weiter.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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