Psychisch kranke Frau ohne Abmahnung kündigen - geht das?

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Mitarbeiter, die an einer psychischen Erkrankung leiden, können dem Arbeitgeber das Leben ganz schön schwer machen, zumal, wenn die Krankheit medikamentös zu lindern ist, der Mitarbeiter sich aber von der Einnahme der Pillen selbst befreit und alles von vorn beginnt.

So geschehen im Fall, den das LAG Hessen am 18.03.2014 (13 SA 1207/13) zu entscheiden hatte.

Die Arbeitnehmerin, um die es ging, war 26 Jahre lang im öffentlichen Dienst angestellt, als der Arbeitgeber sie außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von 7 Monaten kündigte. Die Frau war psychisch krank gewesen. Sie litt an einer Art Verfolgungswahn und behauptete unter anderem, dass ihr Arbeitgeber ihr mittels einer drahtlosen Technologie absichtlich Schmerzen zufüge, dass sie nur noch in Kleidung dusche, weil ihr Haus durchleuchtet werde usw. Sie schwärzte Kolleginnen und Kollegen an, die ihr Übles wollten und hatte das Gefühl alle hätten es auf sie abgesehen.

Da die Situation bereits wiederholt eintrat – damals bekam sie Medikamente, die ihren Zustand verbesserten, die sie aber eigenständig absetzte, so dass alles wieder beim Alten war.

Der Arbeitgeber forderte sie auf, sich einem Arzt vorzustellen. Sie versprach das, ging aber nie hin. Daher sah sich der Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung gezwungen. Die Mitarbeiterin klagte.

Das Gericht musste nun der Frage nachgehen, ob es sich bei einer Kündigung um eine verhaltensbedingte und/oder personenbedingte Kündigung handelt oder um beides und ob ein Arbeitgeber vor eine personenbedingten Kündigung abmahnen muss. Die Frau bekam in zwei Instanzen Recht. Der Arbeitgeber hätte abmahnen müssen. Für die Gerichte war zwar klar, dass die Klägerin ein kündigungswürdiges Verhalten an den Tag gelegt hatte. Man war sich auch der Verzweiflung des Arbeitgebers bewusst aber dennoch wäre vor der Kündigung die Abmahnung fällig gewesen.

Es sei zwar nicht sicher, ob es sich hier um verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe oder um beides handele. Es sei jedoch auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass vor einer personenbedingten Kündigung eine Abmahnung zu erfolgen habe, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten handele. Wenn also ein Arbeitnehmer durch eine ärztliche Behandlung oder die Einnahme von Medikamenten seiner Arbeit wieder nachgehen kann, ohne die Kollegen zu belästigen, dann ist das von seinem Willen steuerbar, wenn er noch in der Lage ist, zu entscheiden, zum Arzt zu gehen oder Medikamente zu nehmen. Das war die Klägerin. Der Arbeitgeber hätte also vor der Kündigung abmahnen müssen, dass sie sich nicht in ärztliche Behandlung begeben hat.


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