Rechtliche Fragen rund um das politische Chaos zum Thema Genesenennachweis und „Impf-“Nachweis

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Am 15.01.2022 trat die Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung in Kraft. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben diese Verordnung beschlossen; erkennbar in keiner Weise rechtlich durchdacht oder auf Grundlage medizinischer Evidenz.

Sowohl in der Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 als auch in der Änderung der Coronavirus-Einreiseverordnung wurden dynamische Verweise auf die jeweiligen Internetseiten des RKI (Robert-Koch-Instituts) und des PEI (Paul-Ehrlich-Instituts), sowohl im Hinblick auf den Genesenennachweis als auch den „Impf-“Nachweis aufgenommen.

So heißt es beispielsweise in § 2 Nr. 3 der ab 15.01.22 in Kraft getretenen Fassung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung

„(…)

  1. ein Impfnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines vollständigen Impfschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrunde liegenden Schutzimpfungen den vom Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entsprechen:

    a) verwendete Impfstoffe,

    b) für einen vollständigen Impfschutz erforderliche Anzahl an Einzelimpfungen,

    c) für einen weiterhin vollständigen Impfschutz erforderliche Auffrischimpfungen,

    d) Intervallzeiten,

    aa) die nach einer Impfung für einen vollständigen Impfschutz abgewartet werden müssen und

    bb) die höchstens zwischen Einzelimpfungen oder Auffrischimpfungen liegen dürfen,(..)“

und in

„(…) 5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:

a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,

b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,

c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf,(…)“

Soweit wir das überblicken können, hat als erstes Verwaltungsgericht in Deutschland das VG Osnabrück am 04.02.2022 (Az. 3 B 4/22) in einem noch nicht rechtskräftigen Beschluss die Änderung im Hinblick auf den Genesenen-Nachweis für verfassungswidrig erklärt und den Antragsgegner (den Landkreis Osnabrück) verpflichtet, dem Antragssteller einen Genesenennachweis für den Zeitraum von 6 Monaten auszustellen.

Begründet wird der Beschluss vom 04.02.2022 damit, dass die dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) verfassungswidrig und damit unwirksam ist, und deshalb die Verordnung in der Fassung vom 8. Mai 2021 anzuwenden sei, die den Genesenennachweis für den Zeitraum 28 Tage nach (positiver) PCR-Testung bis 6 Monate bestimmt (§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV), also so wie die Regelung vor dem 15.01.2022 gewesen ist. Der Genesenenstatus und die jeweilige Dauer hätten eine große Bedeutung für die Freiheit der Bürger, weil davon der Ausschluss des Einzelnen von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben abhängt und damit eine hohe Grundrechtsrelevanz mit der Frage der Dauer verbunden sei.

Es verstoße in Anbetracht dieser Bedeutung gegen Verfassungsrecht, wenn der Verordnungsgeber die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen (dynamischen) Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben auf – aktuell – 90 Tage nach festgestellter Infektion beschränke. Für diese Weiterdelegation auf das RKI fehle es an einer Rechtsgrundlage, der Verweis auf eine sich ständig ändernde Internetseite des RKI sei intransparent und zudem unbestimmt.

Offen gelassen hat das Gericht, ob derartig weitreichende Entscheidungen zudem einem Parlamentsvorbehalt unterlägen, also nur von dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden dürften. Der Unterzeichner ist der Auffassung, dass über derartig grundrechtsintensive Einschränkungen nur der parlamentarische Gesetzgeber entscheiden kann, und dieser sie nicht einfach mit einer quasi Generalvollmacht auf demokratisch nicht legitimierte Institutionen wie RKI / PEI übertragen darf.

Interessant an der Thematik ist auch, dass derartige dynamische Verweise im Rahmen der Änderungen sowohl bei der Begriffsbestimmung der Impfnachweise (also nicht nur bei dem Thema „Genesenennachweis“) als auch in den Änderungen der Einreiseverordnung aufgenommen wurden. Man kann sich denken, wie das Verwaltungsgericht Osnabrück diesbezüglich entscheiden würde, wenn es darüber zu befinden hätte: Auch diese Regelungen würden nach unserer Einschätzung als verfassungswidrig und damit unwirksam erklärt werden.

Weitere Aspekte verdienen in der Entscheidung noch Beachtung:

Es muss als schallende Ohrfeige für die Regierung, insbesondere das Gesundheitsministerium bewertet werden, wenn das Gericht feststellt, dass es auch in der Sache für eine Verkürzung des Genesenenstatus an einer wissenschaftlich fundierten Grundlage fehlt.

Das Gericht hat bestätigt, dass das RKI nicht hinreichend wissenschaftlich aufgearbeitet habe, ob es belegt sei, dass nach 90 Tagen der Schutz Genesener vor einer Infektion ende. Interessant dabei ist aus unserer Sicht, dass die gleichen Erwägungen auch gegen den 6 Monatsstatus – für eine längere Dauer - ins Feld geführt werden können. Es erscheint nämlich schlicht willkürlich, wenn in Nachbarländern auf wissenschaftlicher Grundlage ganz andere Regelungen gelten, wie zB. in der Schweiz, wo jedenfalls bis 31.01.2022 der Genesenenstatus 12 Monate betrug. Es ist mittlerweile wissenschaftlich bestätigt, dass Antikörper nach Covid19 Erkrankungen lange Zeit stabil bleiben. Ja einige renommierte Wissenschaftler sprechen Genesenen im Vergleich zu Geimpften sogar einen besseren Schutzstatus zu.

Es stellen sich in diesem Zusammenhang ergänzend auch weitere rechtliche Fragen: Welche Ansprüche haben Bürger, die eine nicht erkannte Infektion durchgemacht haben, die aber durch einen hohen Antikörperstatus einen wirksamen Schutz nachweisen können. Die eventuell aufgrund vorliegender Laborwerte (hoher BAU-Wert etc) sogar eine Kontraindikation für eine „Impfung“ haben, da Wissenschaftler ab einem bestimmten BAU-Wert von einer Impfung abraten, da das Risiko von Autoimmunerkrankungen erhöht ist.

Es existieren zwar (noch) keine offiziellen wissenschaftlich festgelegten Grenzen, ab welchem Wert die Antikörper vor einer Infektion oder Erkrankung schützen, aber es gibt durchaus Annährungen und wissenschaftliche Erfahrungen, die dabei eine Rolle spielen sollten. Renommierte Wissenschaftler bestätigen, dass über einem Wert von 44 BAU, eine Person mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Immunschutz gegen Corona besitzt, Personen mit einem BAU-Wert von über 1000 durchaus einen Vollschutz haben. Patienten mit einem Wert von über 1000 raten Mediziner von einer Impfung ab, da ihr Antikörpertiter hoch genug sei. (vgl. bspw. https://www.focus.de/gesundheit/news/endlich-faustregel-fuer-antikoerper-laboraerzte-chef-erklaert-welcher-wert-sie-vor-covid-schuetzt_id_20895196.html). Wieso sollten diese Bürger nicht die gleichen Rechte haben, wie diejenigen, die eine durchgemachte Infektion mit einem (unzuverlässigeren) PCR-Test nachweisen können?

Auch diesen Bürgern müsste zu einer juristischen Klärung geraten werden, wenn der zuständige Landkreis / das Gesundheitsamt ihnen auf Antrag keinen Genesenenstatus bescheinigt, wovon auszugehen ist, weil in der entsprechenden Verordnung nur die PCR-Nachweis Möglichkeit vorgesehen ist.

Der Beschluss des VG Osnabrück vom 04.02.2022 hat unmittelbar nur Folgen für den dortigen Antragsteller. Andere Genesene, die ihren verkürzten Nachweis nicht akzeptieren wollen oder die aufgrund von individuellen medizinischen Erwägungen meinen, einen Anspruch zu haben, müssten sich deshalb grundsätzlich auch an das jeweils zuständige Gericht wenden.

Es besteht also noch sehr viel medizinischer – aber auch und vor allem – juristischer Klärungsbedarf. Nach Auffassung des Unterzeichners rechtfertigen die aktuellen Umstände keinerlei Einschränkungen mehr im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben.

Es lohnt sich, in den aufgezeigten Fällen und bei vergleichbaren Fragestellungen, sich juristisch beraten zu lassen, um individuell abzustimmen, ob gerichtliche Schritte sinnvoll sind.

Darmstadt, den 6. Februar 2022

Carsten Jakob

Fachanwalt für Medizinrecht/Verkehrsrecht
Rechtsanwalt/ Partner der Sozietät
Wellmann und Kollegen in Darmstadt

Wir beraten Sie gerne.

Telefon 06151 24500 – Kanzlei Wellmann & Kollegen, Schuchardstr. 14, 64283 Darmstadt


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