Rechtsprechungsänderung im internationalen Erbrecht und deutscher Güterstand: Erbscheine überprüfen!

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Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Düsseldorf kann es zu einer Änderung der Erbquoten im Fall des Ablebens eines ausländischen Ehegatten kommen.

Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 10. März 2015 – I-3 Wx 196/14, 3 Wx 196/14, abgedruckt FamRZ 2015, 1237) ist der pauschalierte Zugewinnausgleich trotz ausländischen Erbrechts wegen des Zusammentreffens mit deutschem Güterrechtsstatut möglich, weil das dort berufene ausländische Recht keine güterrechtlichen Ausgleichsansprüche im Todesfall vorsehe. Diese Lücke schließe § 1371 I BGB. In dem Fall hatte das Oberlandesgericht über einen Erbscheinantrag des Nachlassgerichts zu entscheiden. Dort war in einer deutsch-italienischen Ehe der italienische Ehemann verstorben. Bislang wurden die Quoten stets nach dem ausländischen Erbrecht bestimmt. Nunmehr wird auch auf den Güterstand abgestellt. Da die Eheleute in Deutschland lebten und keine gesonderte Regelung zum Güterstand vorlag, kam es zum pauschalen Zugewinnausgleich im Todesfall nach § 1371 I BGB. Danach erhöht sich die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten um ¼! Die Folgen dieser Rechtsprechung sind erheblich! In dem Fall, der dem OLG Düsseldorf zugrunde lag, handelte es sich um den überlebenden Ehegatten und zwei Kinder. Das italienische Erbrecht sieht in diesem Fall eine Erbquote von je 1/3 vor, Art. 581 2. Alt. codice civile. Durch den güterrechtlichen Zuschlag erhöhte sich die Erbquote des überlebenden Ehegatten auf 7/12! Entsprechend mindert sich die Quote der beiden Kinder auf jeweils 5/24. Damit liegt die Erbquote des Ehegatten sogar um 1/12 höher als in einem vergleichbaren Fall nach deutschem Erbrecht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 13.05.2015 – IV ZB 30/14), hat aber jüngst in einem anderen Fall, dort ging es griechisches Erbrecht, ähnlich entschieden. Es ist also zu erwarten, dass sich die Rechtsprechung durchsetzen wird und auf alle binationalen Ehen anzuwenden ist, wenn der verstorbene Ehegatte nach ausländischem Erbrecht beerbt wird und die Eheleute in Zugewinngemeinschaft leben. Gleichgestellt ist der Fall von ausländischen Eheleuten, die für ihren Güterstand mittels Ehevertrag die deutsche Zugewinngemeinschaft ausdrücklich gewählt haben.

Die Besonderheit lag nun in beiden Fällen darin, dass der ausländische Ehegatte vor dem 17.08.2015 verstarb. Damit richtete sich das anwendbare Erbrecht noch nach Art. 25 EGBGB a.F. wonach das Heimaterbrecht des Verstorbenen zur Anwendung kam, also italienisches bzw. griechisches Recht. Nach Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung ab 17.08.2015 ist der Fall seltener, weil der hier Verstorbene, selbst wenn er eine ausländische Staatsangehörigkeit besaß, nach deutschem Recht beerbt wird.

Für alle binationalen Ehen gilt daher:

Der ausländische Ehegatte kann nach der Erbrechtsverordnung sein Heimatrecht als anzuwendendes Erbrecht berufen, etwa durch testamentarische Verfügung. Hier ist Vorsicht geboten, weil der deutsche Zugewinnausgleich im Todesfall der ausländischen Erbquote hinzugerechnet wird.

Für bereits eingetretene Erbfälle vor dem 17.08.2015 wird angeraten, den Erbschein nochmals zu überprüfen. Unter Umständen ist die dort eingetragene Erbquote falsch, weil sie den oben erwähnten pauschalen Zugewinnausgleich nicht berücksichtigt. Zugewinnausgleichsansprüche für diese Erbfälle verjähren regelmäßig innerhalb von drei Jahren zum Ende des Jahres, §§ 195, 199 I BGB. Eine Ausnahme besteht dann, wenn wesentliche Einzelheiten zum Verjährungsbeginn unbekannt waren und diese Unkenntnis nicht grob fahrlässig herbeigeführt wurde, § 199 I, IV BGB. Dann beträgt die Höchstfrist 10 Jahre. Vorsorglich sollte auf den frühestmöglichen Verjährungsbeginn abgestellt werden, sodass es bei der regelmäßigen Verjährung zum 31.12. im dritten Jahr der Erbschaft verbleibt.


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