Rechtsschutzversicherung: Prozessführungsbefugnis

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Hat ein Versicherer zur Spartentrennung ein Schadensabwicklungsunternehmen gemäß § 126 Abs. 2 VVG eingesetzt, so ist eine Klage gegen dieses zu richten. Dies gilt auch für Fälle, in denen der Versicherungsnehmer „Quasideckung” begehrt. Das Schadensabwicklungsunternehmen ist laut BGH auch in solchen Fällen im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft richtiger Klagegegner.

Damit Gerichte nicht unnötigerweise beansprucht und überlastet werden, gibt es verschiedene Zulassungsvoraussetzungen für eine Klage. Eine davon ist, dass man den richtigen Klagegegner benennt. Meist ist dies äußerst einfach. Wird man etwa von einem Auto angefahren, so wird man ohne Umschweife den Fahrer als, falls es denn soweit kommt, richtigen Klagegegner identifizieren.

Teilweise gestaltet sich die Suche nach dem richtigen Klagegegner jedoch komplizierter. Gerade bei Versicherungen kann dies der Fall sein. Der Versicherungsnehmer schließt zunächst einen Vertrag mit dem Versicherer ab. Gibt es einen Streit über die Auslegung eines Vertrags, der sich nicht außergerichtlich lösen lässt, so erscheint zunächst der Versicherer als logischer Anspruchsgegner. Allerdings haben Versicherungsunternehmen unter Umständen eine Besonderheit, die die Suche nach dem richtigen Anspruchsgegner etwas schwieriger gestaltet: Die Spartentrennung.

Spartentrennung bei Versicherern üblich zur Vermeidung von Interessenskonflikten

Die Spartentrennung verhindert Interessenskonflikte des Versicherers. Sind bei einem Versicherer zwei Versicherungsnehmer, die gegeneinander vorgehen und dabei jeweils Deckungsschutz des Versicherers hätten, besteht die Gefahr, dass der Versicherer zur Vermeidung von Kosten Einfluss auf seine Versicherungsnehmer nimmt. Um dies zu verhindern, gibt es die sogenannte Spartentrennung. Diese erlaubt das Einschalten eines eigenständigen Schadensabwicklungsunternehmens. Das Schadensabwicklungsunternehmen ist weisungsunabhängig vom Versicherer und darf diesem keine Informationen über den Versicherungsnehmer mitteilen, die zu Interessenskonflikten mit ihm führen könnten. Wenn ein Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung des Versicherungsnehmers beauftragt ist, können gemäß § 126 Abs. 2 VVG Ansprüche nur gegen dieses und nicht gegen den Versicherer selbst geltend gemacht werden.

Das führt dazu, dass Versicherungsnehmer zwar Vertragspartner ihres Versicherers sind, die Kosten für die Deckung jedoch vom Schadensabwicklungsunternehmen übernommen werden.

„Quasideckung” kann begehrt werden

Dies gilt nicht nur für den vertraglich definierten Versicherungsfall, in dem der Versicherungsnehmer Deckung vom Versicherer verlangt, sondern auch dann, wenn er sogenannte „Quasideckung” verlangt. „Quasideckung” kann nur verlangt werden, wenn eine Police für einen eingetretenen Fall gar keine Deckung vorsieht. Dies ist oft der Fall, wenn ein Versicherungsnehmer glaubt er sei versichert, in Wirklichkeit ist er dies jedoch nicht. Wenn dieser Irrtum durch fehlerhafte Beratung durch den Versicherer vor Vertragsabschluss entstanden ist, kann ein Versicherungsnehmer Schadensersatz gemäß § 6 Abs. 5 VVG oder §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 BGB verlangen. Der Schadensersatz umfasst in seiner Höhe die Summe, die dem Versicherungsnehmer zugestanden hätte, wenn er den Vertrag wie vorgestellt geschlossen hätte.

Versicherungsnehmer begehrte „Quasideckung” vor BGH

So trug es sich auch in einem, vor dem BGH in diesem Jahr, verhandelten Fall zu. Der Kläger hatte im Jahr 2005 seinen Rechtsschutzversicherer gewechselt. Zuvor umfasste sein Versicherungsvertrag unter anderem Grundstücksrechtsschutz. Die neue Police hieß „Optimal (…) Rechtsschutz für Selbstständige”. Der Kläger ging irrigerweise davon aus, dass auch diese Police einen Grundstücksrechtsschutz umfasste. Als im Jahr 2012 infolge unsachgemäß ausgeführter Rohrarbeiten, die zu Rissen an der Außenwand seines Hauses führten, der Kläger gegen das zuständige Energieunternehmen vorgehen wollte, begehrte er die Deckung der rechtlichen Kosten durch den Versicherer. Nach mehrmaliger Korrespondenz mit dessen Schadensabwicklungsunternehmen, lehnte dies jedoch jedwede Kostenübernahme ab. Der klagende Versicherungsnehmer ging davon aus, dass obwohl nicht vertraglich festgehalten, er dennoch einen Anspruch auf Schadensersatz in Form der „Quasideckung” hatte. Er berief sich dabei auf eine vermeintlich fehlerhafte Beratung durch den Versicherer vor Vertragsschluss.

BGH hält Anspruch wegen des falschen Klagegegners für unzulässig

Der BGH wies die Klage ab. Ein Anspruch scheitere demnach bereits an der Zulässigkeit. Der Kläger hätte nicht den Versicherer, sondern das Schadensabwicklungsunternehmen verklagen müssen. Zwar sei der Versicherer aufgrund des mit dem Versicherungsnehmer geschlossenen Vertrages materiell Berechtigter, dennoch ist das Schadensabwicklungsunternehmen zulässiger Klagegegner. Es handelt sich um einen Fall gesetzlicher Prozessstandschaft. Die Prozessführungsbefugnis fällt in diesem Fall nicht auf den Versicherer dessen Rechte und Pflichten der Prozess betrifft. Vielmehr macht das Schadensabwicklungsunternehmen die Rechte des Versicherers in eigenem Namen geltend.

Sinn und Zweck des § 126 II VVG ausschlaggebend

Dies ergibt sich laut BGH aus dem Sinn und Zweck des § 126 II 1 VVG. Dieser Paragraph soll die Spartentrennung in Versicherungsunternehmen durchsetzen. Laut BGH geht dies nur dann, wenn bei einem auf „Quasideckung” gerichteten Anspruch nicht der Versicherer, sondern dessen Schadensabwicklungsunternehmen Klagegegner ist. Dadurch wird unter anderem vermieden, dass der Versicherer an Informationen gelangt, die ihm einem Interessenskonflikt aussetzen würden. Dadurch, dass nur das Schadensabwicklungsunternehmen als Klagegegner diese Informationen erhält und diese nicht dem Versicherer mitteilen darf, werde der Versicherungsnehmer besser geschützt.

Der BGH urteilte somit, dass die Klage unzulässig war und das Schadensabwicklungsunternehmen und nicht der Versicherer zu verklagen war.


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