Reise-Rechte im und nach dem Urlaub

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Die Rechte von Urlaubern bei Problemen während der Hin- und Rückreise sowie am Urlaubsort sind vielschichtig. Zentral ist die Unterscheidung zwischen Pauschalreisen, bei denen ein Reiseveranstalter für das Gesamtpaket verantwortlich ist, und individuellen Reiseleistungen, bei denen direkte Verträge mit Anbietern wie Hotels oder Airlines bestehen. Im Falle von Pauschalreisen regeln §§ 651a – 651y BGB die möglichen Ansprüche bei Mängeln, wie die Forderung nach Abhilfe, Minderung des Reisepreises, Kündigung des Vertrags und Schadenersatz. Wichtig ist hier die unverzügliche Mängelrüge vor Ort und die Einhaltung der Frist von einem Monat nach Reiseende für die Geltendmachung von Ansprüchen. Für Transportprobleme können zusätzlich die Europäischen Transportgastrechteverordnungen herangezogen werden, die bei Verspätungen oder Ausfällen Entschädigungen bis zu 600,00 € vorsehen. In Fällen von erheblichen Flugverspätungen ist es meist ratsam, Ansprüche nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung zu verfolgen, da die potenziellen Entschädigungen deutlich höher sind als diejenigen, die sich aus dem Pauschalreiserecht ergeben.

Reise-Rechte im und nach dem Urlaub


Die schönsten Wochen des Jahres sind der Urlaub. Diese Zeit sollte durch Probleme bei der Hin- und Rückreise, aber auch am Urlaubsort nicht gestört werden. Aber wenn es dann doch nicht vermeidbar ist, weil einige Probleme bzw. Mängel nicht mehr hinnehmbar sind, kommt oft die Frage, welche Rechte stehen mir als Urlauber gegen die Firma, die den Transport von Zuhause zum Urlausort vorgenommen hat, und gegen die, welche für den Zustand meines Urlaubsquartiers verantwortlich ist, zur Seite.


I. Vertragspartner im Reiserecht

Es ist für Laien oft schwer zu ermitteln, wer bei Mängeln und Schäden der Anspruchsgegner, d. h. der eigentliche Vertragspartner, ist.


Es kämen in Betracht


  1. Das Reisebüro, bei dem ich den Reisevertrag geschlossen habe.
  2. Das Unternehmen, welches mich an meinen Urlaubsplatz bringt (z. B. bei Flugreise die zuständige Airline).
  3. Das Hotel bzw. die Unterkunft, bei dem ich Kost und Logis in Anspruch nehme.
  4. Der Veranstalter, der alles organisiert hat (Reise, Kost, Logis u.ä.).


Hinzu tritt, dass auch noch unterschiedliche Rechtvorschriften zur Anwendung kommen können:


  1. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Reisevertrag gemäß §§ 651a – 651y BGB kommen zur Anwendung, wenn der Reiseveranstalter eine Gesamtheit von Reiseleistungen als vorgefertigtes Produkt anbietet. Erforderlich sind danach zwei wesentlich miteinander verbundene Reiseleistungen (z. B. Beförderung und Unterkunft). Der Reisevertrag kommt dabei zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter – also nicht dem Reisebüro – zustande.
  2. Die Sache ist sofort anders, wenn nur einzelne Leistungen, z. B. Hotelübernachtung oder der Flug, vom Reisenden gebucht werden, sodass es keine Verknüpfung von Reiseleistungen geben kann. In diesem Fall besteht der Vertrag zwischen dem Reisenden und dem konkreten Anbieter, z. B. Hotel oder Airline, direkt. Das o. g. Reiserecht gemäß der §§ 651a – 651y BGB kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung, da hierfür die Mindestvoraussetzungen, den Abschluss eines Pauschalreisevertrages, in dem mindestens 2 Reiseleistungen als vorgefertigtes Produkt angeboten werden müssen, nicht vorliegen. Die Rechtslage wird hier nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen beurteilt, die sich oft aus mehreren klassischen Vertragstypen, wie z. B. dem Beherbergungsvertrag mit wesentlichen Elementen aus dem Mietvertrag, aber auch aus dem Bewirtungsvertrag (Werkvertrag) und einem Aufbewahrungsvertrag von Gepäck (Verwahrungsvertrag), zusammensetzen.


II. Ansprüche beim Pauschalreisevertrag 

Nach dem Pauschalreiserecht gemäß §§ 651a – 651y BGB können bei Reisemängeln folgende Ansprüche geltend gemacht werden:


  1. Der Urlauber kann von seinem Reiseveranstalter Abhilfe des Mangels fordern.
  2. Er kann nach vergeblicher Aufforderung des Reiseleiters auch selbst Abhilfe schaffen und die dabei entstandenen Kosten dem Reiseveranstalter in Rechnung stellen.
  3. Es ist eine Minderung des Reisepreises möglich, was allerdings voraussetzt, dass man den Urlaub mit dem Mangel fortsetzt.
  4. Bei besonders schwerwiegenden Reisemängeln, die die Reise erheblich beeinträchtigen, kann der Reisende den Reisevertrag kündigen.
  5. Wenn den Reiseveranstalter an dem Reisemangel ein Verschulden trifft, so haftet er auch (zusätzlich) auf Schadenersatz.


III. Einzuhaltende Fristen beim Pauschalreisevertag 

Wichtig für die Geltendmachung seiner Ansprüche aus einem Pauschalreisevertrag ist die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen.


  1. Alle vor Ort vorgefundenen Mängel müssen Sie unverzüglich beim Reiseleiter rügen, unter Aufforderung, Abhilfe zu schaffen. Schafft der Reiseleiter keine Abhilfe, sodass der Reisende gezwungen ist, während des Urlaubs den Mangel hinzunehmen, kann er Minderung des Reisepreises während dieser gesamten Zeit verlangen. Die fristlose Kündigung des Reisevertrages setzt dann noch zusätzlich voraus, dass es sich um einen besonderes schwerwiegenden Reisemangel handelt und der Veranstalter eine vom Reisenden gesetzte Frist zur Beseitigung des Mangels hat fruchtlos verstreichen lassen.
  2. Neben diesen Ansprüchen ist eine weitere Frist unmittelbar nach Heimreise zu beachten. Alle Ansprüche, die Sie bereits bei dem Reiseleiter vor Ort gerügt und sich schriftlich die Forderung zur Abhilfe bestätigen haben lassen, müssen innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vorgesehenen Ende der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden. Dazu reicht die Mängelanzeige, die der Reisende am Urlaubsort vorgenommen hat, nicht aus. Vielmehr muss eine besondere Mitteilung erfolgen, aus der hervorgeht, wegen welcher konkret zu bezeichnenden Mängel der Reisende Ansprüche erhebt. Versäumt der Reisende die Monatsfrist, verliert er seine Ansprüche. Erkennt der Reiseveranstalter die geltend gemachten Mängelansprüche ganz oder teilweise nicht an, so muss der Reisende beachten, dass seine Gewährleistungsansprüche 2 Jahre nach dem vertraglich vereinbarten Ende der Reise verjähren.


IV. Ansprüche aus den Europäischen Transportgastrechteverordnungen

Bei Reisemängeln während des Transportes zu und vom Urlaubsort gibt es durch die Europäischen Transportrechteverordnungen eine weitere Anspruchsgrundlage, die der Reisende dann geltend machen kann, wenn der Transport zum Urlaubsort


  1. verspätet losgeht,
  2. verspätet ankommt,
  3. mit dem vorgesehenen Transportmittel vollkommen ausfällt.


Abgesichert ist in den jeweiligen Transportgastrechteverordnungen auch eine Entschädigung für den Verlust von Gepäckstücken.


Neben der wohl bekanntesten Europäischen Fluggastrechteverordnung gibt es aber auch die Fahrgastrechteverordnung für den Eisenbahnverkehr, für den Kraftomnibusverkehr, für den See- und Binnenschiffverkehr u.a..


Nimmt man als Beispiel die Europäische Fluggastrechteverordnung ergeben sich für den Fluggast bei Mängeln o. g. Art folgende Ansprüche:


Wie bereits oben erwähnt, entstehen die Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechteverordnung prinzipiell neben den Ansprüchen aus dem Pauschal-Reiserecht bzw. den einzelnen Vertragstypen des BGB und könnten auch separat voneinander geltend gemacht werden. Allerdings führt das oftmals nicht dazu, dass man die Entschädigungszahlungen bzw. Schadenersatzanzahlungen doppelt erhält, da der Fluggast die von einer Europäischen Gästeverordnungen bezahlten Entschädigungen bei den separat geltend gemachten Ansprüchen, beispielsweise aus dem Pauschalreiserecht, sich anrechnen lassen muss, sodass man die Forderung auf Entschädigung auf die höher dotierte, was regelmäßig die Europäische Fluggastrechteverordnung sein wird, konzentriert.


V. Anspruchsgrundlage nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung

Für Verspätung oder Totalausfall können bis zu 600,00 € Entschädigung verlangt werden. Geht auf einem Flug Gepäck verloren oder wurde es beschädigt, können Reisende bis zu 1.430,00 € von der Fluggesellschaft verlangen (Montrealer Abkommen). Voraussetzungen für den Anspruch nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung sind Folgende:


a)  Der Flug muss in einem europäischen Land gestartet oder der Flug muss in einem
 europäischen Land gelandet und die betroffene Airline hat ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der europäischen Union. Die Regelungen gelten ebenfalls in der Schweiz, Norwegen und Island. Seit Januar 2021 gelten die EU-Vorschriften über Fluggastrechte nicht mehr für Flüge aus dem Vereinigten Königreich in die EU, die von einer Fluggesellschaft mit Sitz in Großbritannien oder einem anderen Land außerhalb der EU durchgeführt werden. Die EU-Vorschriften gelten jedoch weiterhin für Flüge aus Großbritannien in die EU, die von einer europäischen Airline durchgeführt werden.


b)  Maßgeblich wird die Höhe der Entschädigung von der tatsächlichen Flugverspätung und der Reiseentfernung bestimmt. Kommt das Flugzeug mehr als 3 Stunden zu spät am Ziel an, kann der Reisende eine Entschädigung zwischen 250,00-600,00 € verlangen, zumindest dann, wenn die Fluggesellschaft selbst für die Verspätung verantwortlich ist. Im Falle einer Verspätung muss die Airline sich auch um die Verpflegung des Reisenden kümmern, zwei Telefonate oder E-Mails ermöglichen und eine Übernachtung zahlen, falls die Maschine erst am nächsten Tag starten soll.


c)  Bei einer Flugannullierung, also der Flug wird vollständig gestrichen, kann der Reisende den Flugpreis erstattet verlangen oder auf eine anderweitige Beförderung bestehen. Zusätzlich hat der Reisende eventuell Anspruch auf Entschädigung, wenn der Flug ganz ausfällt.


d) Wird durch die Fluggesellschaft der Flug vollständig annulliert, weil beispielsweise die Airlines mehr Tickets verkauft hat als sie Plätze im Flieger zur Verfügung stellen kann, ergeben sich Ansprüche aus Nichtbeförderung der Fluggäste. Erscheinen zu viele Fluggäste, bietet die Airline wegen Überbuchung meist einen anderen Flug an oder versucht, die Fluggäste davon zu überzeugen, freiwillig von der Buchung zurückzutreten. Darauf sollte man sich nicht einlassen, es sei denn, der Kompromiss ist für den Reisenden akzeptabel.


e) Die Höhe der zu erwartenden Entschädigung richtet sich nach der tatsächlich entstandenen Verspätung unter Berücksichtigung der geplanten Reiseentfernung zum Zielort. Bei einer Flugverspätung richtet sich der Anspruch auf Entschädigung immer nach der Ankunft am Zielflughafen. Um den Höchstsatz von 600,00 € Entschädigung bekommen zu können, muss die tatsächliche Verspätung des Fluges mindestens 3 Stunden bei einer vorgesehenen Flugstrecke von mindestens 3.500 km betragen.


Bei sogenannten Kurz- oder Mittelstreckenflügen verringert sich die Entschädigungs-summe wie folgt:


Ausgangspunkt ist wieder eine Verspätung von mindestens 3 Stunden oder eine vollständige Annullierung des Fluges. Bei sogenannten Mittelstreckenflügen (zischen 1.500 km und 3.500 km) erhält man noch 400,00 € Entschädigung und bei einem Kurzstreckenflug (bis einschließlich 1.500 km) wären es nur noch 250,00 € pro Person.


Liegt die Verspätung innerhalb eines bestimmten Rahmens, verringert sich die Entschädigung um jeweils die Hälfte.


VI. Außergewöhnliche Umstände

Haben sogenannte außergewöhnliche Umstände zu Verspätung oder Ausfall geführt, muss die Fluggesellschaft keinen Ausgleich zahlen. Was aber genau solche „außergewöhnlichen Umstände“ sein sollen, ist leider in der Verordnung nicht geregelt. Nach der jetzigen Rechtsprechung kann beispielsweise ein extrem schlechtes Wetter, welches sogar bei einem Flug am Vortrag bereits eingetreten war, einen derartigen außergewöhnlichen Umstand begründen. Weiterhin würde nach der Rechtsprechung ein Streik der Piloten oder Fluglotsen, eine Krankheitswelle der Belegschaft u.ä. ausreichend sein, um diesen außergewöhnlichen Umstand zu begründen.


VII. Pauschalreiserecht oder Europäische Fluggastrechteverordnung

Bei einer erheblichen Flugverspätung steht die Frage, gehe ich nun nach dem Pauschalreiserecht gemäß BGB oder nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung vor, um meine Schäden ersetzen zu lassen. In den meisten Fällen wird es empfehlenswert sein, seine Rechte nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung geltend zu machen. Das möchte ich an einem Beispiel erläutern:


Bei unserem Beispiel war die Entfernung zwischen Heimat- und Zielflughafen 3.400 km und es trat eine Verspätung von 5 Stunden ein. Nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung steht unter diesen Umständen jedem Fluggast eine Entschädigung von pauschal 600,00 € zur Seite. Dem könnten allerdings höhere Ereignisse wie Streik oder Sturm entgegengesetzt werden. Nach der Frankfurter Tabelle für Reiseschäden, welche regelmäßig bei Ansprüchen nach Pauschalreiserecht gemäß der §§ 651a – 651y BGB herangezogen wird, stände dem Reisenden – und hier sogar der gesamten vom Vertrag erfassten Reisegruppe – nur eine Entschädigung von 100,00 € zur Seite. Besteht die Reisegruppe aus 4 Personen würde man also nach BGB 100,00 € und nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung 2.400,00 € als Entschädigung erhalten. Es bedarf wohl keiner langen Überlegung, wie man hier vorgehen sollte.





Heine

Rechtsanwalt


Foto(s): Solveig Heine

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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