Restschuldbefreiung: Was ist das, was ist zu tun, was ist zu beachten?

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Bereits seit 1999 besteht auch für natürliche Personen die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren in Anspruch zu nehmen. Ziel des Insolvenzverfahrens ist die sog. Restschuldbefreiung, also eine umfassende Befreiung aller Schulden, wodurch dem Betroffenen ein persönlicher und vor allem wirtschaftlicher Neustart ermöglicht wird.

Privatinsolvenz, Verbraucherinsolvenz, Regelinsolvenz

Man unterscheidet zwei verschiedene Arten von Insolvenzverfahren: Die Privat- bzw. Verbraucherinsolvenz sowie die Regelinsolvenz.

Die Privatinsolvenz richtet sich an natürliche Personen, die nicht selbständig tätig sind, also z. B. Angestellte, Arbeiter, Rentner, alleinerziehende Hausfrauen, Erwerbslose etc.

Die Regelinsolvenz ist einschlägig für aktuell Selbständige sowie ehemals Selbständige. Wurde die selbständige Tätigkeit bereits beendet, ist ausnahmsweise das Privatinsolvenzverfahren einschlägig, falls die Vermögensverhältnisse des Betroffenen überschaubar sind und keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen (z. B. ausstehende Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Arbeitnehmer) bestehen.

Die Restschuldbefreiung kann sowohl bei der Privatinsolvenz als auch bei der Regelinsolvenz beantragt werden.

Wie beantragt man die Restschuldbefreiung?

Der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist zusammen mit einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Privatinsolvenz oder Regelinsolvenz) beim Insolvenzgericht zu stellen, in dessen Bezirk der Antragssteller seinen Wohnsitz hat.

Im Bereich der Privatinsolvenz besteht Formularzwang, d. h. der Antragsteller muss ein ganz bestimmtes Antragsformular benutzen. In der Regel stehen diese Formulare auf der Internetseite des zuständigen Insolvenzgerichts zum Download bereit.

Bevor der Privatinsolvenzantrag bei Gericht eingereicht werden kann, muss ein sog. außergerichtlicher Einigungsversuch durchgeführt werden.

Außergerichtlicher Einigungsversuch

Ein Antrag auf Eröffnung der Privatinsolvenz ist erst zulässig, wenn der Antragsteller ein außergerichtliches Einigungsverfahren versucht hat und dieser Versuch gescheitert ist. Auf Basis eines Regulierungsplans, in den alle Gläubiger und Forderungen des Betroffenen aufgenommen werden, ist den Gläubigern ein Regulierungsangebot zu unterbreiten. Wird dieses Angebot von einem oder mehreren Gläubigern abgelehnt, ist der Betroffene berechtigt, den Insolvenzantrag bei Gericht einzureichen.

Das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs ist von einer geeigneten Stelle zu bestätigen, z. B. von einem Rechtsanwalt, der das außergerichtliche Einigungsverfahren für den Antragsteller durchgeführt hat. Diese Bestätigung ist dem Insolvenzantrag beizufügen.

Bei einem entsprechend guten Regulierungsangebot kann es natürlich vorkommen, dass alle beteiligten Gläubiger das außergerichtliche Regulierungsangebot des Betroffenen akzeptieren. In diesem Fall ist die Beantragung der Insolvenz nicht mehr erforderlich.

Der Insolvenzantrag wurde eingereicht, wie geht es weiter?

Ist der Insolvenzantrag vollständig und zulässig, eröffnet das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betroffenen. Die Bearbeitungsdauer ist von Gericht zu Gericht unterschiedlich, in der Regel werden Insolvenzanträge aber sehr zügig bearbeitet, sodass eine Eröffnung bereits innerhalb weniger Tage erfolgen kann.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt das Insolvenzgericht eine(n) Insolvenzverwalter(in) ein. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist insbesondere die Wahrung der Gläubigerinteressen während des Verfahrens. Ist beim Betroffenen noch pfändbares Vermögen vorhanden, z. B. ein Kraftfahrzeug oder eine Lebensversicherung, wird der Insolvenzverwalter diese Vermögenswerte verwerten und den Erlös der Insolvenzmasse zuführen. Unter Insolvenzmasse ist vereinfacht gesagt ein Bankkonto zu verstehen, das der Insolvenzverwalter für den Schuldner einrichtet und auf das das gesamte pfändbare geldwerte Vermögen des Schuldners eingezahlt wird. Weiterhin wird der Insolvenzverwalter den Arbeitgeber des Betroffenen kontaktieren und auffordern, eventuell pfändbares Einkommen ab sofort an den Insolvenzverwalter abzuführen. Weitere wichtige Aufgabe des Insolvenzverwalters ist die Prüfung der angemeldeten Forderungen der beteiligten Gläubiger.

Insolvenzverfahren / Restschuldbefreiungsverfahren / Wohlverhaltensphase

Hat der Insolvenzverwalter alle ihm obliegenden Aufgaben erledigt, teilt er dies dem Insolvenzgericht mit. Sodann wird das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren aufheben. Dies geschieht mit einem Beschluss, der natürlich an den Betroffenen übermittelt wird.

Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt das Restschuldbefreiungsverfahren bzw. die sog. Wohlverhaltensphase. Stand während des Insolvenzverfahrens noch das gesamte pfändbare Vermögen des Betroffenen der Insolvenzmasse zu, beschränkt sich dieser Zugriff im Rahmen der Wohlverhaltensphase nur noch auf das pfändbare Erwerbseinkommen des Betroffenen sowie auf eine eventuell eintretende Erbschaft (jedoch begrenzt auf die Hälfte der Erbschaft). Bei Verfahren, die auf einem Insolvenzantrag beruhen, der ab dem 01.10.20 gestellt wurde, ist der Schuldner darüber hinaus verpflichtet, auch einen Gewinn aus einer Lotterie, Ausspielung oder aus einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit zum vollen Wert an den Insolvenzverwalter / Treuhänder herauszugeben. 

Obliegenheiten während des Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens

Es versteht sich von selbst, dass nur derjenige Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen kann, der allen erforderlichen Obliegenheiten während des Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens nachkommt.

Die herausragendste und wichtigste Obliegenheit ist die sog. Erwerbsobliegenheit. Der Betroffene muss sowohl während des Insolvenz- als auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens seine Arbeitsleistung so gut als möglich einsetzen und bestenfalls einer Vollzeittätigkeit nachgehen. Ist der Betroffene erwerbslos oder wird er während des Verfahrens erwerbslos, muss es sich mit aller Kraft um eine neue Beschäftigung bemühen.

Kernpunkt des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens ist die insolvenzrechtliche Lohnabtretung des Schuldners. Im Rahmen des Insolvenzantrags tritt der Antragsteller sein pfändbares zukünftiges Einkommen an den Insolvenzverwalter ab. Der Insolvenzverwalter nutzt dieses Geld vorrangig zur Begleichung der Verfahrenskosten. Wird darüber hinaus Insolvenzmasse gebildet, erfolgen Auszahlungen an die beteiligten Gläubiger.

In der Regel ist bei Betroffenen, die das Insolvenzverfahren in Anspruch nehmen müssen, kein pfändbares Vermögen mehr vorhanden, das durch den Insolvenzverwalter verwertet werden könnte. Insoweit ist das Erwerbseinkommen des Schuldners oftmals die einzige Quelle, aus der Geld für die Insolvenzmasse generiert werden kann. Aus diesem Grund erklärt sich, dass der Erwerbsobliegenheit des Schuldners besondere Bedeutung und besonderes Gewicht beigemessen wird.

Wie lange dauert das Insolvenzverfahren? Wann wird die Restschuldbefreiung erteilt?

Für alle Insolvenzverfahren, die nach dem 01.10.20 beantragt wurden, beträgt die Laufzeit aufgrund einer am 17.12.20 beschlossenen Gesetzesreform bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung nur noch drei Jahre. 

In allen älteren, bereits laufenden Insolvenzverfahren ist die Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei, fünf oder sechs Jahren möglich. 

Nach drei Jahren erfolgt die Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner innerhalb dieser ersten drei Jahre nach Insolvenzeröffnung mindestens 35 % der angemeldeten Gläubigerforderungen und die Kosten des Insolvenzverfahrens (Kosten des Insolvenzverwalters und des Insolvenzgerichts) beglichen hat.

Nach fünf Jahren erfolgt die Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner innerhalb dieser ersten fünf Jahre zumindest die Kosten des Insolvenzverfahrens beglichen hat.

In allen anderen Fällen erfolgt die Restschuldbefreiung nach sechs Jahren.

Aufgrund der o. g. Reform kommt es für Verfahren, die zwischen dem 17.12.19 und dem 30.09.20 beantragt wurden, zu Verfahrensverkürzungen. Es wurde diesbezüglich ein entsprechendes Stufenmodell entworfen. Bei Verfahren, die beispielsweise zwischen dem 17.03.2020 und dem 16.04.2020 beantragt wurden, verkürzt sich die Abtretungsfrist auf fünf Jahre und vier Monate, also um insgesamt sechs Monate.  

Ob der Schuldner in Verfahren, die vor dem 01.10.2020 beantragt wurden, ein drei-, fünf- oder sechsjähriges Insolvenzverfahren anstrebt, musste im Insolvenzantrag nicht angegeben werden. Stellt sich im Verfahren heraus, dass eine Verkürzung der Verfahrensdauer auf fünf oder gar drei Jahre gegebenenfalls in Betracht kommt, sollte der Schuldner rechtzeitig vor Ablauf der entsprechenden Verfahrensdauer mit dem Insolvenzverwalter Kontakt aufnehmen, um abzuklären, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrensverkürzung vorliegen. Die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung ist dann ausdrücklich beim Insolvenzgericht zu beantragen und dies bestenfalls vor Ablauf der fünf bzw. drei Jahre. Ohne einen entsprechenden Antrag wird das Verfahren weiterlaufen.

Welche Verbindlichkeiten werden nicht von der Restschuldbefreiung erfasst? 

Es gibt Forderungen, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Zu nennen wären diesbezüglich insbesondere Geldstrafen und Geldbußen.

Ferner können unter bestimmten Voraussetzungen sog. vorsätzliche unerlaubte Handlungen, Unterhaltsschulden und Forderungen des Finanzamts, die auf einer Steuerhinterziehung beruhen, nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Kommen solche Forderungen in Betracht, obliegt es dem jeweiligen Gläubiger die Forderung auch als vorsätzliche unerlaubte Handlung beim Insolvenzverwalter anzumelden. Versäumt er dies, was durchaus häufig der Fall ist, wird die Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst. Erfolgt die Anmeldung als vorsätzliche unerlaubte Handlung, kann der Schuldner hiergegen Widerspruch einlegen. In einem weiteren Verfahren wird dann geprüft, ob eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliegt oder nicht.

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Hinweis: Der vorstehende Rechtstipp wurde nach bestem Wissen und mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Gleichwohl wird für Inhalt, Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen. Die Rechtslage kann sich zwischenzeitlich geändert haben. Verbindliche und belastbare Auskünfte können nur nach Vereinbarung eines entsprechenden Mandats sowie nach eingehender Betrachtung des Einzelfalles erfolgen.


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