Retention Marketing: Wann sind Telefonanrufe zur Rückgewinnung Kunden erlaubt?

  • 5 Minuten Lesezeit

Die wettbewerbs- und datenschutzrechtlichen Grenzen von Churn Management

Von Dr. Marc Laukemann

Ausgangslage

Bestehende Kunden zu binden ist rentabler als neue Kunden zu gewinnen: Bestandskunden kaufen häufiger ein, geben mehr Geld aus und empfehlen die Produkte oder Dienstleistungen im Idealfall auch noch weiter. Nach einer Studie von Booz, Allen & Hamilton liegt die durchschnittliche Kundenabwanderungsrate (neudeutsch Churn-Rate) z. B. im Mobilfunkbereich bei jährlich 20 bis 25 %. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass viele Unternehmen zahlreiche Aktivitäten initiieren, um diese durchaus wertvollen Kunden zu halten bzw. zurückzugewinnen.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die gesetzlichen Grenzen der Kundenrückgewinnung per Telefonmarketing gegenüber Verbrauchern (B2C). Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Regelungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie des § 17 TKG. Dabei ist bereits bei der Einordnung des Kunden als Verbraucher oder Unternehmer Vorsicht geboten. Beispielsweise werden Wohnungseigentümergesellschaften nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig als Verbraucher behandelt, sodass diesen gegenüber auch die verbraucherschützenden Bestimmungen Geltung entfalten (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2015, Az. VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14).

1. Telefonmarketing als unzumutbare Belästigung gegenüber Verbrauchern (B2C)

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) gilt es als unzumutbare Belästigung und ist damit untersagt, einen Verbraucher zu Werbezwecken anzurufen, ohne dass dessen diesbezügliche ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Der Begriff des Werbezwecks wird dabei weit ausgelegt. Anrufe, die darauf abzielen, einen Kunden nach bereits erfolgter Kündigung zurückzugewinnen, stellen eindeutig Werbung dar. Keine Werbemaßnahmen sind dagegen Anrufe, die ausschließlich der Klärung der Kündigung dienen z. B. Versicherung gegenüber dem Kunden, ob Kündigung tatsächlich erfolgt ist oder das ausschließliche Erfragen der Kündigungsgründe.

Zu beachten ist ebenfalls, dass eine einmal vom Verbraucher für die Dauer der Geschäftsbeziehung erteilte Zustimmung zum Telefonmarketing keine Rechtfertigung für eine nach Kündigung erfolgte Telefonakquise darstellt. Auch ohne ausdrückliche Klarstellung wird eine Verbraucherkündigung i.d.R. so auszulegen sein, dass bereits mit Zugang der Kündigung die Geschäftsbeziehung als beendet und die damit zuvor erteilte Zustimmung zur Werbung als widerrufen gilt.

Demnach gilt: Ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung ist es daher verboten, Verbraucher, die bereits gekündigt und damit den Wechsel des Netzanbieters eingeleitet haben, an deren Telefonanschlüssen anzurufen, um diesen Wechsel rückgängig zu machen.

Vgl. dazu: OLG Köln, Urt. v. 05.06.2009, Az.: 6 U 1/09 

Es ist dabei sowohl nach wettbewerbsrechtlichen sowie nach datenschutzrechtlichen Vorgaben untersagt, die im Zusammenhang mit der Kündigung erlangten Informationen darüber, zu welchem Anbieter der Kunde gewechselt ist, in einem Angebot zu verwenden. Eine solche zu unterlassende Verwendung ist bereits dann anzunehmen, wenn der Tarif oder die Kosten des neuen Anbieters einem neuen Tarifangebot des ehemaligen Anbieters gegenübergestellt werden.

Vgl. dazu: OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.05.2012, Az.: 6 U 38/11

2. Telefonmarketing als unzumutbare Belästigung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (B2B)

Handelt es sich nicht um einen Verbraucher, sondern um einen sonstigen Marktteilnehmer, gelten dieselben Grundsätze mit der Ausnahme, dass § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG hier die mutmaßliche Einwilligung ausreichen lassen.

Von einer mutmaßlichen Einwilligung des anzurufenden Gewerbetreibenden kann ausgegangen werden, wenn der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen. Maßgeblich ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen, vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2010, I ZR 27/08, Tz. 20 f – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel.

Entscheidend soll nach Auffassung des BGH sein, ob der anzurufende Gewerbetreibende (gerade) auch mit einer Werbung via Telefon einverstanden ist. Davon kann vor allem dann ausgegangen werden, wenn die telefonische Werbemaßnahme in einem sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung steht und der Anruf zu üblichen Geschäftszeiten erfolgt, vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2004, I ZR 87/02, II.1 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag.

Die Angabe der Telefax-Nummer in einer Werbeanzeige bringt aber das konkludente Einverständnis des Unternehmens zum Ausdruck, Anfragen potenzieller Kunden auf diesem Gerät zu empfangen, vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2008, I ZR 75/06 – Faxanfrage im Autohandel.

3. Telefonmarketing als Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot nach § 17 TKG

Kundenrückgewinnungsmaßnahmen via Telefon müssen weiterhin das Vertraulichkeitsgebot des § 17 TKG (Telekommunikationsgesetz) beachten. Dieses besagt, dass Informationen, die Netzbetreiber im Zusammenhang mit Zusammenschaltungen (vgl. § 16 TKG) erfahren, diese nur für die vorgesehenen Zwecke genutzt werden dürfen. Dieses Gebot beinhaltet ausdrücklich, dass die erlangten Informationen nicht an Dritte, die durch die Informationen ein Wettbewerbsvorteil erhalten, weitergegeben werden dürfen. Dritte in diesem Zusammenhang sind ausdrücklich und insbesondere auch andere Abteilungen des Unternehmens, Tochtergesellschaften oder Geschäftspartner.

Demnach gilt: Die Information hinsichtlich der Kündigung und des angestrebten Anbieterwechsels eines Kunden ist streng vertraulich zu behandeln. Sie darf nicht für andere Zwecke als die vorgesehenen, d. h. in der Regel für die Abwicklung des Anbieterwechsels verwendet werden. Insbesondere darf die Information nicht an sonstige Abteilungen, die diese für Akquisezwecke nutzen, weitergegeben werden.

Aus unserer Sicht muss dies eine strenge Trennung zwischen den Mitarbeitern, die mit Kündigungsabwicklungen beschäftigt sind, und Vertriebsmitarbeitern bedeuten. Zumindest ist jedenfalls von Vertriebsmitarbeitern, die ebenfalls mit Kündigungsabwicklungen betraut sind, jedwede werbende Kontaktaufnahme zu bereits gekündigten Kundenkontakten zu unterlassen.

4. Weitere Grenzen des Telefonmarketings

Die obigen Ausführungen sind keineswegs abschließend. Auch datenschutzrechtliche Ansprüche schützen den Kunden vor einer ungewollten Kontaktaufnahme bzw. Datennutzung, insbesondere im Zusammenhang mit einem Anbieterwechsel. Selbstverständlich bestehen zudem (wettbewerbs-)rechtliche Schranken hinsichtlich falscher Aussagen oder herabwürdigender Aussagen über den neuen Anbieter des Kunden, die in bedauerlicher Regelmäßigkeit im Zusammenhang mit versuchten Kundenrückgewinnungen auftreten.

5. Fazit

Im Bereich des Telefonmarketings kann mittlerweile auf eine dezidierte Rechtsprechungshistorie zurückgegriffen werden. Zahlreiche Entscheidungen haben die Grenzen der Kundenrückgewinnung in diesem Zusammenhang deutlich aufgezeigt. Dennoch kommt es nach wie vor zu Verstößen durch Wettbewerber, wenn diese die ihnen aus der bisherigen Geschäftsbeziehung bekannten Informationen sowie Kenntnisse über die Kündigung des Kunden ausnutzen. Empfindliche Geldbußen sowie Schadensersatzansprüche sind die unvermeidbare Folge dieses wettbewerbswidrigen Gebarens.

* Dr. Marc Laukemann, ist u. a. Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte, München.

29.01.2020


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

Beiträge zum Thema