Rückforderung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit

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Gerade in der SARS-CoV-2-Pandemiesituation stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich nach Erlass des Anerkennungsbescheides herausstellt, dass die vom Arbeitgeber in der Anzeige oder im Antrag angegebenen Tatsachen und Umstände nicht vorgelegen haben oder sich nachträglich ändern.

Grundsätzlich kann sich nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die Arbeitsagentur darauf berufen, dass die vom Arbeitgeber in der Anzeige nach § 99 Abs. 1 SGB III gemachten Tatsachenbehauptungen nichtzutreffend seien und deswegen die Grundlage des Anerkennungsbescheides „automatisch“ entfällt. Anerkennungsbescheide nach § 99 Abs. 3 SGB III stehen unter der konkludent auflösenden Bedingung, dass sich nachträglich die Unrichtigkeit der glaubhaft gemachten Tatsachen in einem Umfang herausstellt, der die Voraussetzungen des erheblichen Arbeitsausfalls und/oder die betrieblichen Voraussetzungen  entfallen lässt.

1. Anerkennungsbescheid

Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung kommt im Fall eines Rechtsirrtums der Arbeitsagentur bei zutreffenden Tatsachenangaben des Arbeitgebers in der Anzeige nach § 99 Abs. 1 SGB III die Unbeachtlichkeit des Anerkennungsbescheides nach § 99 Abs. 3 SGB III allein aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung nicht in Betracht. Der Anerkennungsbescheid enthält neben der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen (erheblicher Arbeitsausfall und Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen) außerdem formal die "Zusicherung", dass bei Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen (§ 98 SGB III) und ordnungsgemäßer Antragstellung Kurzarbeitergeld für die Dauer des Arbeitsausfalls gezahlt wird. Dem Anerkennungsverfahren schließt sich dann erst das Leistungsverfahren an, in dem jeweils für Zeiträume, die durch den Leistungsantrag (§ 323 Abs. 2 SGB III) bestimmt werden, das den Arbeitnehmern zustehende Kurzarbeitergeld bewilligt wird. Aus dem Anerkennungsbescheid folgt also grundsätzlich eine Bindungswirkung hinsichtlich des Vorliegens eines erheblichen Arbeitsausfalles und der betrieblichen Voraussetzungen. Denn diese Verfügung hat jedenfalls dann Bestand, wenn die vom Anzeigenden aufgestellten Tatsachenbehauptungen zutreffen und sich nicht ändern, während Rechtsirrtümer zu Lasten der Agentur für Arbeit gehen. Ist der Agentur für Arbeit bei der Subsumtion also ein Fehler dergestalt unterlaufen, dass sie die Behauptung des Vorliegens der jeweiligen Tatbestandsmerkmale der §§ 96, 97 SGB III entgegen der wahren Rechtslage für schlüssig vorgetragen ansieht, kann sie den Anerkennungsbescheid nur unter den engeren Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X iVm § 330 SGB III aufheben; die Grundlage des Anerkennungsbescheids entfällt dann nicht.

2. Bewilligungsbescheid

Die Rücknahme eines Kurzarbeitergeld-Bewilligungsbescheides nach § 99 Abs. 3 SGB III mit Wirkung für die Vergangenheit setzt unrichtige Angaben und „Bösgläubigkeit“ bei den Begünstigten voraus. Begünstigte und Anspruchsinhaber sind bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld die Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber. Da bei einer Aufhebung des Anerkennungsbescheides iSv § 99 Abs. 3 SGB III aber die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Gewährung von Kurzarbeitergeld betroffen wären, kommt es bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Rücknahme oder Aufhebung des Anerkennungsbescheides nicht auf die Bösgläubigkeit des Arbeitgebers, sondern auf die Bösgläubigkeit der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer an. Diese sind jedoch in der Regel nicht bösgläubig und müssen sich eine Bösgläubigkeit und unzutreffende Angaben ihres Arbeitgebers grundsätzlich nicht zurechnen lassen, weil sie keinen Einfluss auf sein Verhalten haben. Die Arbeitnehmer, die Anspruchsinhaber des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld sind, sind an dem Verwaltungsverfahren der Anzeige und der Antragstellung beim Kurzarbeitergeld nicht beteiligt.

3. Schadensersatz

Hat der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig bewirkt, dass Kurzarbeitergeld durch die Arbeitsagentur zu Unrecht geleistet worden ist, so ist der von der Arbeitsagentur zu Unrecht geleistete Betrag des Kurzarbeitergeldes allerdings gemäß § 108 Abs. 3 S. 1 SGB III der Arbeitsagentur vom Arbeitgeber zu ersetzen. Diesen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, in dessen Betrieb Kurzarbeitergeld gewährt worden ist, kann die Arbeitsagentur durch Verwaltungsakt gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, ohne dass der bewilligende Bescheid aufgehoben werden muss.

Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass der Arbeitgeber die rechtswidrige Gewährung von Kurzarbeitergeld vorsätzlich oder grob fahrlässig bewirkt hat. Ein Bewirken der unrechtmäßigen Leistung des Kurzarbeitergeldes vor, wenn der Arbeitgeber die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dh nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, weil schon naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden.

4. Fazit

Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Monaten und Jahren eine Vielzahl von Anerkennungs- und Bewilligungsbescheiden überprüft und aufgehoben werden. Die wenigen Anträge von Kurzarbeitergeld in den Zeiten vor der SARS-CoV-2-Pandemie haben zu einem Wissensverlust und fehlender Erfahrung bei der Bundesagentur für Arbeit geführt. Die internen fachlichen Weisungen sind nach wie vor auf dem Stand vom 20.12.2018, einer Zeit, als die Bundesrepublik Deutschland nahezu Vollbeschäftigung hatte und nur vereinzelt Kurzarbeitergeld beantragt wurde.

Die Komplexität der rechtlichen Vorgänge und der Zeitdruck während des Lockdowns haben zu Fehlern auf beiden Seiten geführt (Arbeitgeber als Antragsteller und BA). Daher sind die Erfolgsaussichten für Widerspruch und Klage gegen einen Aufhebungsbescheid, mit dem der Anerkennungs- oder Bewilligungsbescheid aufgehoben werden, als gut einzuschätzen. Und auch der mit Bescheid geltend zu machende Schadensersatzanspruch lässt voraussichtlich in vielen Fällen abwehren, da Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht nachzuweisen sind.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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