Rücktritt vor Reisewarnung – müssen Stornokosten gezahlt werden, auch wenn die Reise später abgesagt wird?

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Eine Fortsetzung zu vorausgegangenen Urteilen und Rechtstipps.

Die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn der Reisende den Rücktritt zu einem Zeitpunkt erklärte, als unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände für das Zielgebiet und den Zeitraum der geplanten Reise noch nicht eindeutig prognostiziert werden konnten und die Reise dann allerdings vor deren Antritt vom Reiseveranstalter abgesagt wird, beschäftigt nach wie vor die Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland, bis hin zum BGH. Von diesem ist allerdings zu dieser Fragestellung bislang noch keine Entscheidung verkündet worden.

Ausgangslage

Reisende, deren Reisen noch bevorstanden, haben in den letzten zwei Jahren oft den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag unter Berufung auf die Pandemiebedingungen – teils mehrere Monate vor geplanter Durchführung der Reise – erklärt und erhielten dann vom Reiseveranstalter Stornorechnungen. Zur Begründung wurde in solchen Fällen stets der „voreilige“ Rücktritt angeführt, der nach Sicht der Veranstalter und einiger Amtsgerichte (hauptsächlich AG München und Duisburg) zur Folge hatte, dass der Reiseveranstalter Stornokosten erheben durfte. Die Folge war, dass die geleistete Anzahlung mit der Forderung aus der Stornorechnung verrechnet wurde und der Reisende somit keine Rückzahlung erhalten hat.

Einige Amtsgerichte aber auch Landgerichte haben diese Rechtsfrage anders beurteilt. Diese Verfahren befinden sich zum Teil in der Revision beim Bundesgerichtshof. Auf die Rechtstipps https://www.anwalt.de/rechtstipps/weitere-verbraucherfreundliche-entscheidung-zum-ruecktritt-vom-pauschalreisevertrag-infolge-der-corona-pandemie-191963.html und https://www.anwalt.de/rechtstipps/abgesagte-reise-darf-der-veranstalter-bereits-vereinnahmte-stornokosten-behalten-neues-urteil-des-lg-muenchen-197540.html nehme ich Bezug.

Gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a. M. wurde seinerzeit Revision eingelegt, genauso wie die Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts München vom 4. Februar 2022 ebenfalls Revision eingelegt hat. Diese Verfahren befinden sich daher mit der Rechtsfrage, wie es zu beurteilen ist, wenn nach dem frühzeitig erklärten Rücktritt durch den Reisenden die Reise aufgrund Erklärung des Reiseveranstalters abgesagt wird vor dem BGH. Mit einer Entscheidung des zuständigen X. Zivilsenats beim BGH kann frühestens zum Ende des Jahres, eher zu Beginn des nächsten Jahres gerechnet werden.

Die Vorlage des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich

Mit Beschluss vom 25. Januar 2022 hat der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich (Aktenzeichen 8 Ob 130/21g) ein Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dazu war er verpflichtet, denn die nationalen reiserechtlichen Vorschriften entspringen der europäischen Pauschalreise-Richtlinie, wobei stets bei Zweifeln über die Auslegung dieser Vorschriften der Europäische Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung zu konsultieren ist.

Der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich hat unter anderem die Frage an den Europäischen Gerichtshof gerichtet, ob für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts nur die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts aufgetreten sind oder ob die einschlägige Vorschrift (Art. 12 der Pauschalreise-Richtlinie) dahingehend auszulegen ist, dass auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt aber noch vor der geplanten Reise tatsächlich auftreten.

Es handelt sich hierbei exakt um die Fragestellungen, die in Verfahren vor den deutschen Gerichten stets relevant sind, wenn Reisende und Reiseveranstalter über die Berechtigung zur Erhebung der Stornokosten streiten und wenn der Rücktritt aus pandemiebedingten Gründen erklärt wird.

Empfehlung für Reisende

 Die Urteile der Landgerichte Frankfurt a. M. und München (siehe oben zitierte Rechtstipps) geben Anlass zu der Hoffnung, dass immer dann, wenn die Reise vom Reiseveranstalter abgesagt wird, das touristische Unternehmen keine Rücktrittsentschädigung erheben darf. Wie die einschlägigen Vorschriften auszulegen sind, wird in Fällen mit deutscher Beteiligung zu gegebener Zeit der Bundesgerichtshof entscheiden. Allerdings ist zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage ebenfalls dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegt, wenn nicht bereits vorab über das Verfahren, das schon dort anhängig ist, entschieden wird.

Reisende, die den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag erklärt haben, dann zu einem späteren Zeitpunkt mit der Absage der Reise durch den Reiseveranstalter konfrontiert werden, sollten in jedem Fall ihre Rechte auf Rückzahlung der Stornokosten mit gerichtlicher Hilfe wahren.

Für die Wahrnehmung Ihrer Rechte in diesen Krisenzeiten steht Ihnen Advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht gerne zur Verfügung. Mit unserer Erfahrung aus vielen Tausend Prozessen zur Durchsetzung von reiserechtlichen Ansprüchen vor vielen Amts- Land- und Oberlandesgerichten der Bundesrepublik Deutschland können wir ein Optimum an anwaltlichem „know-how“ bieten. 

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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