Ruhestörung, Blätter und Verschattung

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Immissionen treten in vielfältiger Art auf und wirken von Natur aus meist störend. Unter Immissionen versteht man die Einwirkung von unmittelbar oder mittelbar durch menschliche Tätigkeit verursachten Emissionen auf die Umwelt. Emission bedeutet dabei allgemein die Aussendung von Teilchen, Strahlung oder Kräften in die Umwelt. 

Gemäß einer aktuellen und repräsentativen Umfrage des Immobilien-Portals „immowelt.de“ streiten Nachbarn am häufigsten miteinander, wenn sie sich durch Lärm ihrer Mitbewohner gestört fühlen. Wo früher eher störende Gewerbebetriebe im Vordergrund von Streitigkeiten standen, werden heutzutage die Gerichte vermehrt mit der Lärmentfaltung im privaten Bereich von Haus und Wohnung belastet. 

Als Grundregel kann man sich jedoch merken, dass selbstverständlich zumindest diejenigen Geräusche erlaubt sind, die notwendigerweise zum täglichen Leben dazugehören. 

Alltagsgeräusche und z. B. „Kinderlärm“ sind somit grundsätzlich als sozialadäquat zu dulden. Der normale Betrieb von Haushaltsgeräten ist überall ortsüblich, sodass selbst eine wesentliche Beeinträchtigung kaum verboten werden kann (vgl. Maidowski, Ratgeber zum Nachbarrecht, Seite 193). Ebenso ist üblicher Kinderlärm in einem Mehrfamilienhaus hinzunehmen.

Die Üblichkeit bestimmt sich dabei nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern nach den konkreten Wohn- und Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihren pflegenden und erziehenden Eltern (vgl. z. B. AG Kassel, Urteil vom 23. April 1991, 872C855/91 ; WM 1991/558).

Die Rechtsprechung stellt „Kinderlärm“ somit prinzipiell unter ein besonderes Toleranzgebot und behandelt ihn nach anderen Maßstäben als andere Geräuschquellen, wie z. B. Gewerbe- oder Maschinenlärm oder lärmende Erwachsene. 

Vor dem Hintergrund, dass es dennoch aktuell einige erfolgreiche Klagen vor Zivil- und Verwaltungsgerichten gegen Kindertagesstätten, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen gegeben hat, haben die Medien und die Politik generell die Frage nach einer kinderfreundlichen Gesellschaft aufgegriffen. Insoweit sollen Klagen gegen Kinderlärm zukünftig vor Gericht keine Aussicht auf Erfolg mehr haben.

Dies ergibt sich nach Mitteilung des Bundestags vom 08.04.2010 aus einer Antwort (BT-Drucks. 17/1194) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 17/967). Darin kündige die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesänderung für Konflikte bei Kinderlärm an und erkläre, dass Kinderlärm keinen Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen geben dürfe. Derzeit werde geprüft, welche Regelungen des Lärmschutzrechts dafür geändert werden müssten. 

Gleichzeitig plane die Regierung in dieser Legislaturperiode zu diesem Zweck außerdem eine Novelle des Bauplanungsrechts. Damit solle etwa der Bau von Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten ermöglicht werden. Das Gesetzgebungsverfahren dafür solle im Jahr 2011 beginnen. Der Bund besitze für den Lärmschutz von Kindertagesstätten und Kinderspielplätzen, die unter das Bundes-Immissionsschutzgesetz fallen, eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz.

Sollten Lärmstörungen jedoch durch lautes Feiern von Nachbarn und streitende Paare in der Nacht oder zu lauter Musik (Partymusik oder Musikausübung durch Instrumente) u. ä. ein Maß überschreiten, welches nicht mehr hinzunehmen ist, kann sich der Beeinträchtigte dagegen selbstverständlich auch wehren und notfalls sogar vor Gericht ziehen. 

Die zivilrechtliche Beurteilung orientiert sich an den Vorgaben der §§ 906 und 1004 BGB. Danach sind Lärmbelästigungen grundsätzlich nicht zulässig, die eine wesentliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft hervorrufen. Auf Landesebene in Hamburg gilt die Hamburger Verordnung zur Bekämpfung gesundheitsgefährdenden Lärms vom 06.01.1981 nicht mehr. 

Sie ist durch Zeitablauf am 31.12.2003 automatisch außer Kraft getreten. Somit gab es viele Jahre als einzige öffentlich-rechtliche Norm nur noch den § 117 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), der sog. Freizeitlärm unterbinden kann. 

Ordnungswidrigkeiten aufgrund von Ruhestörungen werden z. B. nach entsprechender Anzeige bei der Polizei von der jeweils zuständigen Verwaltungsbehörde verfolgt. Diese ermittelt dann, ob eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Stellt sie das Verfahren nicht ein, entscheidet sie, ob gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid erlassen wird.

Soweit erhebliche Lärmbelästigungen fortbestehen und keine gütliche nachbarschaftliche Einigung erzielt werden kann, kann die Unterlassung der Ruhestörung notfalls vor dem zuständigen Amtsgericht gerichtlich geltend gemacht werden.

Seit dem Jahre 2011 ist in Hamburg allerdings nun das Lärmschutzgesetz in Kraft getreten. Inhaltlich gibt es kaum Abweichungen von der alten Lärmschutzverordnung. Die Behörden können bei etwaigen Lärmstörungen wieder einschreiten. 

So sieht das Gesetz vor, dass sonn- und feiertags sowie werktags in der Zeit von 20.00 – 7.00 Uhr Arbeiten mit Werkzeugen und Geräten, die andere erheblich belästigen, verboten sind. Die so beliebte Mittagsruhe ist allerdings nicht mehr besonders geschützt. Zudem wird klargestellt, dass Geräusche von spielenden Kindern als selbstverständlicher Ausdruck kindlicher Entfaltung hinzunehmen sind, auch in Wohngebieten.

Zudem finden sich regelmäßig etwaige jedenfalls für Mieter zu beachtende Ruhezeiten in den Hausordnungen, die Bestandteil der jeweiligen Mietverträge sind. Hier gibt das geltende Mietrecht für Vermieter die Möglichkeit, mietrechtliche Abmahnungen wegen vertragswidrigen Verhaltens und ggf. nach erfolglosem Abmahnen des Mieters sogar fristlose Kündigungen auszusprechen. 

Die Hausordnung im „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum“ sieht vor, dass im Interesse aller Mieter unbedingte Ruhe in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr und von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr – an Sonn- und Feiertagen bis 9:00 Uhr – einzuhalten ist. Diese Bestimmung ist wirksam und muss von allen Mietern eingehalten werden. Außerhalb Hamburgs haben die Gemeinden häufig auch auf der Verordnungsebene Ruhezeiten, beispielsweise von 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr, in den Gemeindeverordnungen oder Satzungen bestimmt. Hier müssen sich dann nicht nur Mieter, sondern alle Nachbarn an diese Ruhezeiten halten.

Für Maschinenlärm – hier interessant vor allem für den nachbarschaftlichen Gartenbereich – gilt bundesweit folgendes: Die 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung – 32. BImSchV) – MaschinenLärmVO – legt einheitliche Mindestzeiten fest, die auf jeden Fall von den Nachbarn eingehalten werden müssen. 

Nach der Maschinenlärmverordnung dürfen bestimmte geräuschintensive Geräte wie Laubsauger, Laubbläser, Grastrimmer und Graskantenschneider an Werktagen nur von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr und von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr benutzt werden.

Tragen die jeweiligen Geräte jedoch das Umweltzeichen nach der Verordnung Nr. 1980/2000 des Europäischen Parlaments, gelten für dieses Geräte eine Ausnahme von diesem Verbot. Ein wiederholter Verstoß gegen dieses Verbot kann im konkreten Fall sogar eine Nötigung i. S. d. § 240 Strafgesetzbuch (StGB) begründen. 

In reinen Wohngebieten gilt zudem die „Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm), erlassen als Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. Nach der TA-Lärm wird für Geräuschbelästigungen in einem reinen Wohngebiet ein Grenzwert von 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts angenommen:

Art der zu schützenden Nutzung

Tag
6 Uhr - 22 Uhr

Nacht
22 Uhr - 6 Uhr

Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten

 45 dB

 35 dB

reine Wohngebiete

 50 dB

 35 dB

allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete

 55 dB

 40 dB

Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete

 60 dB

 45 dB

Gewerbegebiete

 65 dB

 50 dB

Industriegebiete

 70 dB

 70 dB

 Im Vergleich einige typische Alltagsgeräusche:

Gehen auf einem weichen Teppich

 15 - 20 dB

leises Blätterrauschen

 25 dB

Flüstern

 30 dB

üblicher Hintergrundschall im Haus

 30 - 40 dB

Ventilatoren von Kopierern und Computern

 40-50 dB

normale Sprachlautstärke

 60 dB

vorbeifahrender Pkw

 70 dB

Rasenmäher

 80 dB

mittlerer Straßenverkehr

 85 dB

Schwerlastverkehr

 95 dB

Diskothek, Presslufthammer, Kreissäge, Rock- oder Popkonzert

 110 - 115 dB

startender Düsenjet

 125 dB

Schmerzgrenze (Gehörschädigung auch bei kurzzeitiger Einwirkung möglich)

 über 130 dB

Liegt ein konkreter Fall einer Lärmstörung vor, so sollten die Betroffenen zunächst einmal direkt den Verursacher ansprechen, um das Problem möglicherweise so schnell und unkompliziert aus der Welt zu schaffen. Bei uneinsichtigen Störern wäre als zweiter Schritt die örtliche Polizei bzw. die zuständige Ordnungsbehörde einzuschalten.

Zur Vorbereitung eines etwaigen späteren gerichtlichen Verfahrens in Form der einstweiligen Verfügung oder der Unterlassungsklage sollte zur Beweissicherung über jeden Störfall ein „Lärmprotokoll“ erstellt werden. Dazu sind Datum und Uhrzeit der Störung, die Lärmart sowie in Betracht kommende Zeugen des Vorfalls mit Namen, Vornamen und Anschrift konkret schriftlich festzuhalten (vgl. Rechtshandbuch Nachbarrecht, Hans Reinold Horst, Jahr 2000, S. 216, Rdn. 788).

Natürliche Umwelteinflüsse wie Laub- und Nadelfall oder Blüten- und Pollenflug stellen grundsätzlich keine abwehrfähigen Beeinträchtigungen gemäß §§ 906 und 1004 BGB dar. Dazu gehört auch die Verschattung eines Grundstücks durch Bäume oder Sträucher eines anderen Grundstücks. Solche Naturgesetzmäßigkeiten sind von den jeweiligen Nachbarn in der Regel als unvermeidbar hinzunehmen und auch entschädigungslos zu dulden.

Somit hat also jeder Eigentümer das Recht, auf seinem Grundstück beliebig viele Bäume, Sträucher und Hecken anzupflanzen, auch wenn dadurch das Grundstück des Nachbarn verschattet wird. Die Tatsache, dass durch Bäume, Sträucher oder Hecken dem Nachbargrundstück Sonnenlicht entzogen wird, ist nach ständiger Rechtsprechung keine unzulässige Einwirkung (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 11.10.1995 – 508 C 329/95; OLG Köln, Beschl. V.7.6.1996 – 16Wx 88/69), die den betroffenen Nachbarn berechtigen könnte, auf Beseitigung zu klagen. 

Beeinträchtigungen der Zufuhr von Licht und Luft zum Nachbargrundstück durch bauliche Anlagen sind aus den §§ 862, 907, 1004 BGB grundsätzlich nicht abwehrfähig, sodass in Ermangelung eines privatrechtlichen Fenster- und Lichtrechts in Hamburg solche Beeinträchtigungen geduldet werden müssen. In Einzelfällen ist nur ein Anspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis aus Treu und Glauben gemäß §§ 242 und 226 BGB denkbar.

Unwägbar sind Immissionen wie Licht, Geräusche, Erschütterungen, Dämpfe, Ruß, Rauch und Wärme sowie ähnliche unbeherrschbare Einwirkungen wie Funkwellen und elektrischer Strom. Einwirkungen dieser Imponderabilien, die ein Grundstück und die Eigentümer beeinträchtigen, können nach §906 BGB nur beschränkt abgewehrt werden. Derartige Immissionen, die die Benutzung des Grundstücks gar nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen, sind grundsätzlich zu dulden. 

Führen die Immissionen jedoch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung, sind sie zu dulden, soweit sie ortsüblich sind und nicht durch wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen verhindert werden können. Sind Immissionen in diesen Fällen zu dulden, kann jedoch die Zahlung einer Entschädigung an den beeinträchtigten Eigentümer in Frage kommen. 

Alle anderen Immissionen, die das Grundstück wesentlich beeinträchtigen, die aber nicht ortsüblich sind und solche, die zwar ortsüblich sind, aber durch wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen verhindert werden könnten, sind abwehrfähig. Dieser eingeschränkte privatrechtliche Immissionsschutz wird durch den öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz überlagert, da die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Pflichten nahezu ausnahmslos dazu führt, dass auch dem Bürger ein Abwehrrecht nicht zusteht.

Der öffentlich-rechtliche Immissionsschutz konkretisiert durch die vorgegebenen Grenzwerte den Begriff der Wesentlichkeit der Einwirkung. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt demnach gemäß § 906 BGB in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. 

Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. Als häufiges in der Praxis vorkommendes Problem ist das Grillen zu nennen. Wenn der beim Grillen im Garten entstehende Rauch und Qualm in die Räume unbeteiligter Nachbarn eindringt oder sich anders störend auswirkt oder eine erhebliche Belästigung durch verbotenes Verbrennen von Gegenständen darstellt, sind diese Immissionen grundsätzlich abwehrfähig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.05.1995 – 5 Ss Owi 149/95; ZMR 1995, S. 415). Wasser zählt zu den wägbaren Stoffen und kann somit gemäß §§ 906 und 1004 BGB abgewehrt werden.

Für eine konkrete Beratung wenden Sie sich gerne an:

Die Kanzlei für Immobilienrecht | De Luise



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