Schadensersatz für Betroffene des Dieselskandal nach BGH Urteil

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Als eine der führenden Anwaltskanzleien im Dieselskandal zeigen wir Ihnen in diesem Artikel auf, was das Urteil des Bundesgerichtshofs für Dieselfahrer bedeutet und wie Sie dieses Urteil für sich nutzen können, um Schadensersatz für Ihren Schummeldiesel zu erhalten.

Mit dem richtungsweisenden Urteil vom Mai dieses Jahres, stärkt der Bundesgerichtshof nunmehr die Rechte der Verbraucher, die vom Dieselabgasskandal betroffen sind. Das Urteil klärt einige wichtige Rechtsfragen, die unter den Gerichten umstritten waren – unteranderem ob VW durch den Einbau einer illegalen Software sittenwidrig gehandelt hat. Die praktische Bedeutung des Urteils ist hoch, weil viele unterinstanzliche Gerichte, sowie die außergerichtliche Praxis, sich an ihm orientieren werden.

Was war geschehen?

Der Kläger kaufte von einem Autohändler im Jahr 2014 einen VW Sharan 2.0 TDI match für 31.490 €, der mit einer „Schummel-Software“ durch den Beklagten VW Konzern versehen war.  Das Fahrzeug war mit einem 2,0- Liter Dieselmotor der Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet. Die Typengenehmigung war erteilt worden, weil die Stickoxidgrenze der Euro 5- Norm eingehalten worden war. Wie sich aber später herausstellte, lag die Einhaltung der Werte nur an der eingebauten, unerlaubten Software. Ohne diese wären die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5- Norm nicht erreicht worden. Diese Software senkt bei einer Messung des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionswerte auf einem Prüfstand die Abgasrückführung, insbesondere den Stickoxidausstoß, gegenüber dem normalen Fahrbetrieb. Mit einer ad-Hoc-Meldung im September 2015 räumte die Beklagte die Verwendung der Software teilweise ein. In Folge dessen, kündigte VW Software Updates an, um die unerlaubte Software aus den betroffenen Fahrzeugen zu entfernen. Der Kläger führte im Februar 2017 das Update durch und verlangte danach Schadensersatz von VW.

Bisheriger Verfahrensverlauf im Abgasskandal:

Nach Bekanntwerden des Skandals zogen viele Betroffene vor Gerichte und forderten Schadensersatz. Im Prozess selbst, verfolgte VW eine ausgeklügelte Taktik: sobald das Gericht eine negative Entscheidung zuungunsten von VW beabsichtigte, unterbreitete VW den Klägern einen vorteilhaften Vergleichsvorschlag, sodass die Klage in den meisten Fällen zurückgenommen wurde. Diese Taktik verhinderte, dass VW durch deutsche Gerichte verurteilt werden konnte. Der BGH ergriff jedoch die Chance im Januar 2019 in einem Hinweisbeschluss Stellung zu den kaufrechtlichen Fragen zu nehmen und stellte sich auf die Seite der betroffenen Käufer (Az.: VIII ZR 225/17). Die Bedeutung der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte ist jedoch nicht all zu groß. Dies hängt zum einen mit der relativ kurzen Verjährungsfrist von zwei Jahren zusammen. Zum anderen erlaubt das Kaufrecht keinen haftungsrechtlichen Durchgriff auf den Hersteller, also auf VW selbst. Der Fokus in Rechtssprechung  und Literatur richtete sich daher auf das Deliktsrecht, insbesondere auf den § 826 BGB, dessen Wortlaut lautet: „ Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“

Die Entscheidung des BGH im VW Abgas-Dieselskandal:

Der BGH sieht das Verhalten von VW als sittenwidrig an, und bejaht damit die Herstellerhaftung. Einziges Manko für den Käufer: den Nutzungsvorteil, den der Käufer durch den Gebrauch des Autos gezogen hat, muss sich der Käufer von dem Schadensersatzanspruch im Wege der Vorteilsausgleichung abziehen lassen.

Im Einzelnen:

Der BGH bejaht ein sittenwidriges Verhalten von VW, da dieser aufgrund einer strategischen Entscheidung systematisch und langjährig die Käufer und Behörden hinters Licht geführt hat, indem er Fahrzeuge auf den Markt gebracht hat, die nur auf dem Prüfstand die jeweiligen Abgaswerte einhielten. Hierzu der BGH wörtlich:

„Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits […] die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts-und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.“

Der BGH kommt zu dem Schluss, dass die berechtigten Belange der Käufer dem Konzern ebenso gleichgültig waren, wie die Aspekte des Gesundheitsschutzes und des Umweltschutzes. Wertungsmäßig sei der Fall mit einer arglistigen Täuschung des Käufers vergleichbar: der Autokäufer müsse sich darauf verlassen können, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden würden und eine Stilllegung durch die Behörden nicht drohe.

Als Schaden, der dem Käufer entstanden ist, sieht der BGH den Abschluss des Kaufvertrages an, sodass es nicht darauf ankommt, dass er ein fahrtüchtiges Auto bekommen hat, welches möglicherweise sogar durch das Software Update gar keinen Makel mehr besitzt. Entscheidend sei die Tatsache, dass die Leistung im Zeitpunkt des Kaufs für die Zwecke brauchbar sei. Vorliegend drohte aber eine Stilllegung durch die Behörden, sodass kein vernünftiger Käufer, hätte er die Manipulation gekannt, sich dazu entschlossen hätte ein solches Auto zu kaufen.

Als juristische Person kann die VW AG selbst nicht handeln, ihr kann aber das Wissen und Handeln der zuständigen Mitarbeiter zugerechnet werden. Der BGH arbeitet vorliegend mit der sogenannten sekundären Darlegungslast und bejaht die Kenntnis um die Schummel- Software bei dem (ehemaligen) Vorstand. Der Kläger habe ausreichende Tatsachen dargelegt, die eine Kenntnis des Vorstands belegen. Dagegen habe sich die Beklagte nicht ausreichend erklärt und die Verdachtsmomente aus der Welt schaffen können, obwohl ihr das möglich und zumutbar gewesen sei.

Rechtsfolge:

Die Beklagte wurde dazu verurteilt, den Kaufpreis (plus Zinsen) gegen die Rückübereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Allerdings zieht der BGH den Nutzungswert vom Kaufpreis ab und begründet dies mit der Vorteilsausgleichung und dem den deutschen Recht fremden Strafschadenersatzes –  der Käufer konnte immerhin mit dem Schummelauto fahren. Ob dieses Ergebnis gerechtfertigt ist, ist fraglich und kann an dieser Stelle offenbleiben. Klar ist jedoch, dass der Konzern wissentlich seine Kunden betrogen hat, weshalb es auch als gerecht angesehen werden könnte, die Nutzungsvorteile, die der Käufer hatte, bei ihm zu belassen und damit gleichzeitig einen Beitrag zur effektiven Prävention von Missbrauchsfällen zu leisten, indem der Anreiz zur Manipulationen verkleinert würde.

Das Urteil und seine Folgen für die Verbraucherrechte:

Die Entscheidung des BGH sorgt für Rechtsklarheit und stellt klar, dass Eigentümer von manipulierten Dieselfahrzeugen, insbesondere solche von VW, einen Anspruch auf Entschädigung haben. Die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeughalter können die Auszahlung des Kaufpreises abzüglich des Nutzungsvorteils ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Darüber hinaus erhalten die betroffenen Käufer Verzugszinsen. Alternativ dazu, kann der Verbraucher das Auto weiternutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung geltend machen.

Zunächst ist der Abgasskandal im Hause VW publik geworden. Betroffen waren und sind Millionen Modelle mit EA 189- Dieselmotor- und zwar sowohl 1,2- Liter, 1,6- Liter- als auch 2,0-Liter- Aggregate. Nunmehr stellt sich heraus, dass auch andere Marken des VW-Konzerns betroffen sind: Audi, Seat, Skoda und Volkswagen Nutzfahrzeuge. Verwickelt sind außerdem weitere deutsche Hersteller mit entsprechenden Rückrufaktionen des Kraftfahrbundesamtes. Hierzu zählt Porsche mit mehr als 19.000 Fahrzeugen, Daimler mit rund 280.000 Fahrzeugen, Opel mit etwa 32.000 Fahrzeugen und BMW mit rund 5000 Fahrzeugen. Zahlreiche Gerichte haben auch in diesen Fällen den Betroffenen recht gegeben.

Sollten auch Sie vom Abgasskandal betroffen sein, empfehlen wir Ihnen ihre Gewährleistungsrechte gegenüber dem Händler geltend zu machen. Auch gegenüber dem Hersteller empfiehlt es sich, schnell zu handeln. Gerne können Sie sich juristisch von uns beraten lassen. In vielen Fällen wird man sich mit den Händlern und Herstellern außergerichtlich nicht einigen können. Dann muss geklagt werden. Die Rechtschutzversicherungen übernehmen normalerweise die Kosten der Rechtsverfolgung, wenn es einen behördlichen Rückruf wegen einer Abgasmanipulation gibt und die Rechtsschutzversicherung schon zum Zeitpunkt des Kaufs bestand.

Ausblick: der BGH wird im Juli 2020 weitere Entscheidungen zum Diesel- Abgasskandal treffen. Diese betreffen Fragen rund um die Deliktszinsen und des Kaufs eines Autos nach 2015. Weitere Entscheidungen werden über den BGH hinaus vom Europäischen Gerichtshof erwartet.

Sie fahren ein Dieselauto, welches nicht älter als 10 Jahre ist?

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Foto(s): Balduin & Partner Rechtsanwälte


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