SGB II / XII - Die zu übernehmenden Mietkosten

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Einer der strittigsten Punkte im Bereich der Grundsicherung des SGB II und SGB XII ist die Bestimmung der Höhe der zu gewährenden Mietkosten.

Eine erhebliche Anzahl an Leistungsbeziehern erhält nicht die Miete als Bedarf anerkannt, die sie selber an die jeweiligen Vermieter zu zahlen haben. Dies führt dazu, dass aus der spärlich bemessenen Regelsatzleistung noch Geld für die Miete abgezweigt werden muss. Die Leistungserbringer (jobcenter, Sozialämter, Landkreise, Gemeinden) berufen sich in diesen Fällen auf Konzepte, die sie erstellt haben und nach denen die Mieten in zutreffender Art und Weise bestimmt worden sein sollen.

Allerdings sind eine Vielzahl der bisherigen Konzepte an den Vorgaben des Gesetzes und den Ausgestaltungen des Bundessozialgerichts gescheitert. Wir geben nachfolgend einen kleinen Überblick, wie die Prüfung solcher Konzepte erfolgt und wie die zu übernehmende Miete bestimmt wird.

Wie wird die Höhe der zu übernehmenden Miete bestimmt?

Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen; also von der Summe, die Sie tatsächlich als Miete / Nutzungsentschädigung zu zahlen haben.

Will der Leistungserbringer diese tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf nicht anerkennen, weil er sie für unangemessen hoch hält, muss er grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und Ihnen den dem Einzelfall angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen.

Bedeutet?

Wenn Sie einen Antrag zum ersten Mal, oder nach einer längeren Unterbrechung, stellen, so ist die tatsächlich zu zahlende Miete als Bedarf anzuerkennen. Sofern der Leistungserbringer die Miete für unangemessen hält, wird er Ihnen eine Kostensenkungsaufforderung zukommen lassen, innerhalb derer Ihnen 6 Monate Zeit gegeben wird, die Kosten zu senken und zwar auf einen bestimmten „angemessenen“ Betrag. Nach den 6 Monaten wird Ihnen der Leistungserbringer nur noch den ausgewiesenen angemessenen Betrag als Bedarf anerkennen und auszahlen.

Gleiches kann passieren, wenn Sie eine Nebenkostenerhöhung erhalten. Wurde Ihre Miete voll übernommen und als angemessen angesehen, so muss der Leistungserbringer eine Nebenkostennachzahlung aus einer Jahresabrechnung immer übernehmen und ebenfalls darauf beruhende monatlich höhere Nebenkostenzahlungen. Überschreiten Sie dann aber aufgrund der höheren Nebenkostenabschläge die sogenannte angemessene Miete, so würde ebenfalls eine Kostensenkungsaufforderung ergehen.

Gilt eine Kostensenkungsaufforderung immer?

Eine Kostensenkungsaufforderung soll der Kostensenkung dienen, wird aber nur rechtlich bindend, wenn sie den gesetzlichen Vorgaben entspricht. An dieser Stelle setzt daher immer die erste intensive rechtliche Prüfung an. 

Ist eine Kostensenkungsaufforderung fehlerhaft, oder grob unverständlich, kann sie keine Senkung hervorrufen und die Absenkung kann durch den Leistungserbringer nicht durchgesetzt werden. Sie würden dann weiterhin die tatsächlichen Mietkosten als Bedarf geltend machen können. Ist sie hingegen zutreffend, dann muss im nächsten Schritt geprüft werden, welche Mieten angemessen sind.

Was ist angemessen; die Angemessenheit?

Bei der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Angemessenheit soll Ihnen die Anmietung einer Wohnung für Ihre Bedarfsgemeinschaft ermöglichen, ohne dass Sie etwas hinzuzahlen müssen. Ob die durch den jeweiligen Leistungserbringer angesetzten Zahlen zutreffend ermittelt wurden, wird dabei rechtlich geprüft.

Laut dem Bundessozialgericht erfolgt die Prüfung zweistufig.

Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln;

dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen.

Abstrakte Angemessenheit?

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, welches das BSG im Urteil vom 30.01.2019 – B 14 AS 24/18 R, wie folgt zusammenfasste:

  1. Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en),
  2. Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards,
  3. Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept,
  4. Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.

An diesen Punkten scheitern eine Vielzahl von Konzepten, die die Leistungserbringer bisher aufgestellt haben; insbesondere an der Schlüssigkeit.

Was passiert, wenn ein Konzept nicht den Vorgaben entspricht?

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG greift man im Falle eines fehlerhaften Konzepts auf die Zahlen aus dem Wohngeldgesetz zurück. In Anlage 1 des WoGG ist eine Tabelle (Link) ausgeführt, die dann anzuwenden ist. 

Sie nehmen die Anzahl der Mitglieder Ihrer Bedarfsgemeinschaft (=Anzahl der Personen, die laut dem Bescheid Gelder erhalten), berücksichtigen die für Ihren Wohnort geltende Mietstufe (Link) und gelangen dann in der ganz rechten Spalte an den maßgeblichen Wert. Dieser Wert ist dann mit einem Sicherheitszuschlag von mindestens 10 % zu versehen und ergibt dann den Höchstbetrag der Bruttokaltmiete.

Wann sollte man handeln?

Immer dann, wenn die Miete nicht in voller Höhe übernommen wird, sollte man über eine Prüfung der Bescheide nachdenken. Wenn es dann auf die gerichtliche Prüfung ankommt, sollten Sie einen erfahrenen Rechtsanwalt beauftragen, der solche Verfahren bereits führte.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht

Niklas Sander   

Foto(s): von der Ahe und Sander GbR

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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