Sicherheitsleistung nach § 17 VOB/B - ein scharfes Schwert für den Auftragnehmer!

  • 9 Minuten Lesezeit

Handwerker und Bauunternehmer kennen meist ihre Rechte nicht. Diese Rechte des Auftragnehmers, effektiv umgesetzt, führen bei den Auftraggebern zu bösen Überraschungen. Denn Auftraggeber kennen die Vorschriften ebensowenig. Das bringt den Auftragnehmer in die Pole Position.

Dazu gehört die Vorschrift des § 17 Abs. 6 VOB/B. Diese Vorschrift führt zu Unrecht ein Schattendasein in der VOB/B. Jedermann weiß in der Bauwelt, dass in VOB-Verträgen meist eine Sicherheitsleistung vereinbart wird, die der Auftragnehmer erbringen muss. Jedoch sind dem Auftragnehmer seine Rechte im Zusammenhang mit der Sicherheitsleistung so gut wie unbekannt. Deshalb ist es sinnvoll hinter die Kulissen des § 17 VOB/B zu schauen, um mögliche Rechte bei Gestellung einer Sicherheitsleistung geltend machen zu können. Der Auftragnehmer sollte sich im Kampf um seinen Werklohn seiner Waffen bewusst sein. 

Ausdrückliche Vereinbarung einer Sicherheitsleistung notwendig!

Sicherheitsleistung kann der Auftraggeber von Schlussrechnungen bzw. Abschlagsrechnungen nur einbehalten, wenn es hierüber eine vertragliche Vereinbarung gibt. Allein eine Bezugnahme auf die VOB/B reicht hierfür nicht aus. In dem Vertrag muss eine Sicherheitsleistung ausdrücklich vereinbart sein. Vielfach verlangen Auftraggeber als Verwender der VOB/B, insbesondere private Bauherrn, beraten durch einen Architekten, Sicherheitsleistung, obwohl eine solche Sicherheitsleistung gar nicht vereinbart ist. Das treibt in der Baupraxis zuweilen seltsame Blüten. Dasselbe gilt in diesem Zusammenhang auch für zwei weitere Vorschriften in der VOB/B, nämlich § 11 VOB/B (Vertragsstrafe) und § 16 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B (Skontoabzüge). Alle vorgenannten Vorschriften haben gemein, dass allein durch die Vereinbarung der VOB/B kein Auftraggeber einen Skontoabzug vornehmen bzw. Vertragsstrafe geltend machen kann. Vielmehr muss in dem VOB-Vertrag ausdrücklich in einer Klausel geregelt sein, dass der Auftraggeber zum Skontoabzug bzw. zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe berechtigt ist. Dasselbe gilt für die Sicherheitsleistung.

Drei Arten von Sicherheitsleistungen

Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 VOB/B stellt drei Arten der Sicherheitsleistungen zur Verfügung.

1.         Bürgschaft (§ 17 Abs. 4 VOB/B)

2.         Hinterlegung von Geld (§ 17 Abs. 5 VOB/B)

3.         Einbehalt von Zahlungen (§ 17 Abs. 6 VOB/B)

Wahlrecht und Austauschrecht des Auftragnehmers

In dem Zusammenhang sollte der Auftragnehmer wissen, dass er gemäß § 17 Abs. 3 VOB/B das Wahlrecht hat, welche Sicherheit er leistet. Dabei ist zu beachten, dass er jederzeit eine Sicherheit durch eine andere austauschen kann.

Die Rechte des Auftragnehmers leiten sich im Zusammenhang mit dem Einbehalt von Zahlungen nach § 17 Abs. 6 VOB/B (Sicherheitseinbehalt) ab. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber zunächst das Recht zu, wenn eine Sicherheitsleistung im Vertrag vereinbart ist, einen Einbehalt von höchstens 10 % vorzunehmen. Jedoch muss dieser Einbehalt in einer bestimmten Form erfolgen. Der Auftraggeber darf dabei nicht hingehen und kann das einbehaltene Geld auf seinem Geschäftskonto stehen lassen, was in der Praxis eigentlich nur so geschieht.

Einzahlung des Sicherungsbetrags durch den Auftraggeber auf ein Sperrkonto

Vielmehr hat der Auftraggeber nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B den Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Dies ist eine Verpflichtung des Auftraggebers. Das macht in der Baupraxis niemand. Deshalb ist es an dem Auftragnehmer, seinen Vertragspartner hierzu zu veranlassen. Denn die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto bedeutet im Insolvenzfalle des Auftraggebers, dass dieses Geld nicht verloren ist. Ein Sicherheitseinbehalt auf einem Sperrkonto ist insolvenzfest und muss auch vom Insolvenzverwalter ausgezahlt werden, wenn sich nach dem Gewährleistungszeitraum keine Mängel gezeigt haben und dieses Geld frei geworden ist. Hierbei muss sich der Auftragnehmer die Summen vor Augen führen, die ihm bei zahlreichen Bauprojekten für die Dauer des Gewährleistungszeitraums von meistens 5 Jahren nicht zur Verfügung stehen. In diesem Zeitraum trägt der Auftragnehmer das volle Insolvenzrisiko des Auftraggebers. Natürlich kann aufgrund des Wahlrechts des Auftragnehmers nach § 17 Abs. 3 VOB/B der Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft abgelöst werden, so dass Zug um Zug gegen die Stellung einer Bürgschaft der Sicherheitseinbehalt an den Auftragnehmer zurückfließen muss. Vielfach hört man aus der Praxis, dass eine Vielzahl von Auftragnehmern keine Bürgschaft stellen können oder auch nicht wollen.

Daraus ergibt sich natürlich für den Auftragnehmer, dass er eine stattliche Summe bei einer Fülle von ausgeführten Bauvorhaben bindet. Deshalb muss sich der Auftragnehmer Gedanken darüber machen, wie er dem Insolvenzrisiko des Auftraggebers aus dem Weg gehen kann. Das kann er nur, wenn er eine Bürgschaft stellen oder eine Zahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto verlangen kann.

Wie kann der Auftragnehmer sein Verlangen stellen?

Dieses Insolvenzrisiko kann der Auftragnehmer dadurch einschränken, indem er von dem Auftraggeber verlangt, dass dieser den Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto binnen 18 Werktagen bei einem vereinbarten Geldinstitut einzahlt. Hierfür setzt der Auftragnehmer ein kurzes Schreiben auf, indem er den Auftraggeber innerhalb einer Frist von 18 Werktagen zur Einzahlung auf ein Sperrkonto auffordert. Diese Frist sollte mit datumsmäßig bestimmt sein. Dazu berechnet man einfach die Frist von 18 Werktagen nach dem Datum des Schreibens. Eine Woche hat nach dem Gesetz sechs Werktage.

Wichtig ist, dass es sich bei dem Sperrkonto um ein Und-Konto handelt. Das heißt, dass die Verfügungsbefugnis über dieses Konto nur der Auftraggeber und der Auftragnehmer zusammen haben. Dem Auftraggeber darf über dieses Konto auf keinen Fall die alleinige Verfügungsbefugnis zustehen. Denn in diesem Fall ist das Konto nicht insolvenzfest. Vielmehr müssen beide Kontoinhaber über dieses Konto nur zusammen verfügen dürfen. Die Erfahrung zeigt, dass nach einem solchen Aufforderungsschreiben der Auftraggeber sich nicht rührt. In dem Falle ist es erforderlich, den Auftraggeber innerhalb einer angemessenen Nachfrist nochmals zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto aufzufordern. Hierzu langt ein Schreiben, indem dem Auftraggeber eine kurze Nachfrist von 8 Werktagen gesetzt wird. 

Darauf kann der Auftraggeber auf zweierlei Art reagieren:

Variante 1: Auftraggeber kommt dem Verlangen nach

Kommt der Auftraggeber dem Verlangen des Auftragnehmers innerhalb der Frist nach, so ist der Sicherheitseinbehalt für die Dauer von 5 Jahren gut und sicher angelegt. Das Geld ist insolvenzfest und wird zu Gunsten des Auftragnehmers verzinst.

Sobald der Gewährleistungszeitraum vorüber ist und das Geld frei wird, steht dem Auftragnehmer die Auszahlung zu, die der Auftragnehmer notfalls gerichtlich durchsetzen muss, wenn sich der Auftraggeber weigert, die Auszahlung des auf dem Sperrkonto liegenden Betrages zu veranlassen. Diesen Prozess wird der Auftragnehmer auf jeden Fall für sich entscheiden können, wenn dem Auftraggeber keine Mängelrechte, wie Minderung oder Schadensersatzansprüche gegen den Auftragnehmer zustehen. Im Insolvenzfalle gilt dasselbe. Verweigert der Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Herausgabe des Sicherheitseinbehalts, so wird auch hier eine Klage Erfolg haben. Der Insolvenzverwalter wird in dem Prozess unterliegen und die Prozesskosten zu tragen haben, wenn er keine Mängelrechte geltend machen kann. 

Tipp: Der Auftragnehmer sollte unbedingt bei der Bank nachfragen, ob es sich tatsächlich um ein Und-Konto handelt. Dies sollte die Bank auch am besten schriftlich bestätigen, wenn dies nicht erkennbar ist. 

Der Auftragnehmer kann dieses Verlangen auf Einzahlung der einbehaltenen Gelder auf ein Sperrkonto jederzeit verlangen, sei es ab der 1. Abschlagsrechnung oder sogar noch nach Abnahme. Deshalb ist es nachdenkenswert, dass man seine Auftraggeber auch noch nach Abnahme dazu auffordert. Entscheidend ist nur, dass der Gewährleistungszeitraum noch nicht rum ist. Denn dann ist die Gegenseite sowieso zur Auszahlung verpflichtet, wenn keine Mängel vorliegen.

 

Variante 2: Auftraggeber kommt dem Verlangen nicht nach

Die Realität wird natürlich anders aussehen. Der Auftraggeber wird sich weigern, das Geld auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Dies hat natürlich rechtliche Folgen für den Auftraggeber, die erheblich sind. Dies wissen viele Auftraggeber nicht. Dieses Unwissen sollte sich der Auftragnehmer zu Nutze machen.

Welche Rechte hat der Auftragnehmer?

1. Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts

Dem Auftragnehmer steht ein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts zu. Das bedeutet, dass er für das Bauvorhaben überhaupt keine Sicherheitsleistung mehr, auch keine Bürgschaft vorlegen muss. Der Anspruch auf Auszahlung des einbehaltenen Betrages ist nach erfolgter Fristsetzung und Nachfristsetzung sofort fällig. Diesen Anspruch kann der Auftragnehmer klageweise gegen den Auftraggeber durchsetzen. Daraus folgt, dass bei einer Werklohnklage der Auftragnehmer auch einen Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts geltend machen sollte. Wenn der Auftraggeber schon nicht den Werklohn zahlt, dann besteht auch kein Grund dafür, dass er den Sicherheitseinbehalt behalten soll. Natürlich kann der Sicherheitseinbehalt gegen Bürgschaft abgelöst werden, jedoch fragt sich, warum der Auftragnehmer einem vertragsuntreuen Auftraggeber auch noch eine Bürgschaft stellen sollte. Die Stellung einer Bürgschaft kann dadurch umgangen werden, indem der Auftragnehmer die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto verlangt. Eine solche Klage auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, wie auch auf Werklohn wird natürlich nur dann Erfolg haben, wenn keine Mängel vorliegen. Wenn der Auftraggeber Mängel geltend machen kann, so stehen ihm Gegenansprüche wegen dieser Mängel zur Verfügung, die er im Wege der Aufrechnung bzw. der Zurückbehaltung geltend machen kann.

2. Anspruch auf Einstellung der Arbeiten

Der Auftragnehmer kann die Arbeiten einstellen. Der Anspruch auf Einstellung der Arbeiten stellt in der Hand des Auftragnehmers ein scharfes Schwert dar. Jedoch muss dabei berücksichtigt werden, dass das Recht zur Einstellung der Arbeiten nur dann besteht, wenn neben der Nachfristsetzung zusätzlich eine Androhung der Arbeitseinstellung erfolgt.

Das bedeutet, dass man bei der Nachfristsetzung darauf hinweisen muss, dass die Arbeiten eingestellt werden, wenn die Einzahlung des Sicherheitseinbehaltes auf das Sperrkonto innerhalb der Nachfrist nicht erfolgt. Ein solcher Hinweis ist nach der herrschenden Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Es gibt auch Gerichte, die verlangen dies nicht. Nur sollte man immer den sichersten Weg gehen. Ansonsten kann der Auftragnehmer das Recht auf Arbeitseinstellung verlieren, was dazu führt, dass der Auftraggeber zur Kündigung des Vertrages wegen Vertragsverletzung berechtigt ist. Das ist ungünstig, da dann Schadensersatzansprüche des Auftraggebers drohen.

3. Anspruch auf Kündigung

Weiter kann der Auftragnehmer einen unliebsamen Bauvertrag kündigen. Der Anspruch auf Kündigung stellt wiederum ein scharfes Schwert in der Hand des Auftragnehmers dar, der bei Verletzung des § 17 Abs. 6 VOB/B gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B den Vertrag kündigen kann.

Denn viele Kündigungsgründe zu Gunsten des Auftragnehmers sieht weder das BGB noch die VOB/B vor. Jedoch muss auch hier beachtet werden, dass eine Kündigung nicht einfach mit Ablauf der Nachfristsetzung durch den Auftragnehmer erfolgen kann, sondern im Rahmen der Nachfristsetzung eine Kündigungsandrohung bei Nichtzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto ausgesprochen werden muss. Dies muss der Auftragnehmer unbedingt beachten. Ansonsten verliert er auch hier sein Kündigungsrecht, was wiederum zur Kündigung wegen vertragswidrigem Verhalten des Auftragnehmers mit etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den Auftragnehmer führen kann.

Diese vorgenannten formellen Hürden bei Arbeitseinstellung bzw. Kündigung des Bauvertrages sollte den Auftragnehmer jedoch nicht davon abhalten, diese ihm zustehenden Rechte zu seinen Gunsten zu nutzen. Allerdings muss der Auftragnehmer hier rechtlich richtig handeln, sonst erleidet er Schiffbruch. Hier bietet sich eine anwaltliche Hintergrundberatung an, um seine Rechte sicher und überraschend geltend zu machen.

Als Fazit bleibt zu sagen, dass der Auftragnehmer durch Verlangen der Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto entweder die Sicherung für den Insolvenzfall bewirken kann oder eine Sicherheitsleistung in jeglicher Form nicht mehr zu leisten braucht und sich sogar vom Vertrag lösen kann. 

Tipp: An diese Vorschrift sollte der Handwerker oder Bauunternehmer öfter denken.


Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger

Beiträge zum Thema