Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages - einseitige Benachteiligung führt nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit

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Möchten zwei Menschen den Bund der Ehe eingehen, ist es ratsam sich für den Fall der Scheidung entweder vor oder während der Ehe Gedanken über die Aufteilung des Vermögens, Besitzes und Unterhalts zu machen. Regelungen diesbezüglich können mithilfe eines Ehevertrages geschlossen werden. Der Abschluss eines Ehevertrages setzt grundsätzlich anwaltliche Beratung und eine notarielle Beurkundung voraus,
§ 1410 BGB. Hinsichtlich des Inhalts gilt Gestaltungsfreiheit, das heißt, dass die Vertragsparteien grundsätzlich frei in der Gestaltung des Vertragsinhalts sind. Allerdings kann eine einseitige Lastenverteilung oder unangemessene Nachteile für eine Vertragspartei Teile des Ehevertrags, oder im schlimmsten Falle den gesamten Ehevertrag, unwirksam werden lassen. Eine Unwirksamkeit kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben.

Ein Ehevertrag kann angefochten werden, wenn Vertragsinhalte sittenwidrig sind oder gegen geltendes Recht verstoßen.

So kann beispielsweise der Ehevertrag in den Fällen angefochten werden, in denen der Ehegatte den Anderen über wirtschaftliche Verhältnisse arglistig getäuscht hat. Ebenso denkbar sind Fälle, in denen der Ehegatte den Anderen durch eine widerrechtliche Drohung dazu bewegt, den Ehevertrag zu unterschreiben.

Weiterhin kann der Ehevertrag unwirksam sein, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung alle in dem Vertrag enthaltenden Regelungen zusammen eine einseitige Benachteiligung eines Ehegatten darstellen. Eine solche Benachteiligung kann sich finanziell, mental oder psychisch äußern. Der Ehevertrag ist nur dann sittenwidrig, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind.

Das Gericht nimmt sodann eine Kontrolle des Einzelfalles anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln gem. §§ 138, 242 BGB, der sog. Zwei-Stufen-Kontrolle, vor.
Auf erster Stufe steht die Wirksamkeitskontrolle, mithilfe derer die Situation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewertet wird. Dafür muss eine objektive Benachteiligung eines Ehegatten vorliegen und zum anderen muss der Ehegatte eine subjektive sittenwidrige Absicht bezüglich der Benachteiligung verfolgt haben. Liegt ein Verstoß gegen § 138 BGB vor, führt dies zur Nichtigkeit des Ehevertrags. Auf zweiter Stufe erfolgt eine Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB, wonach der Ehevertrag zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht sittenwidrig war, jedoch im Nachhinein gegen Treu und Glauben gem.
 § 242 BGB verstößt. Dies ist anzunehmen, wenn sich nachträglich eine unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Ein Verstoß auf zweiter Stufe führt zu einer Vertragsanpassung. Die Beweislast trifft grundsätzlich denjenigen, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft.

So wies kürzlich das OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.3.21- 13 UF 197/20) einen Antrag ab, der die Feststellung der Nichtigkeit eines Ehevertrags aufgrund § 123 BGB zum Gegenstand hatte. In diesem Fall hatte ein Ehepaar in einem notariell beurkundeten Ehevertrag den Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt wechselseitig ausgeschlossen. Die Ehefrau habe einem solchen Ausschluss nur zugestimmt, da ihr von dem Ehemann bewusst wahrheitswidrig die Bereitschaft vorgespielt wurde, ihr die Eheimmobilie zu einem günstigen Mietzins zu vermieten. Zu einem Abschluss des Mietvertrages kam es jedoch nicht. Die Ehefrau erklärte die Anfechtung gem. § 123 BGB und sieht im Übrigen durch den Globalverzicht auch eine unangemessene Benachteiligung. Das Familiengericht stellte gem. zunächst die Unwirksamkeit des Ehevertrages gem. § 123 BGB fest, das OLG Brandenburg sah in der vorgespielten Bereitschaft des Ehemannes zum Abschluss des günstigen Mietvertrages keine Tatsache im Sinne des § 123 BGB. Auch sei der Globalverzicht nicht pauschal unwirksam, da die beweisbelastete Ehefrau eine gestörte Vertragsparität (OLG Hamm FF 2013, 315) nicht darlegen konnte. Es hätten außerhalb der Vertragsurkunde Umstände erkennbar sein müssen, die auf eine Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit hindeuten, was in diesem Fall nicht gegeben war.

Um festzustellen, ob ein Ehevertrag, oder Teile des Vertrages, unwirksam sind, muss stets eine Einzelfallbetrachtung unter Würdigung aller Gesamtumstände erfolgen. Damit sich der Ehevertrag im Nachhinein nicht als unwirksam herausstellt, ist bei Abschluss des Vertrages die Beratung durch einen Rechtsanwalt zu empfehlen.


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