Statt "Stechuhr": BAG lässt trotz Arbeitszeiterfassung flexible Arbeitszeitmodelle zu

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) führt in seiner sehnlichst erwarteten Begründung in dem Verfahren zur Arbeitszeiterfassung (hier finden Sie meinen früheren Rechtstipp) explizit aus, dass die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitszeit zu erfassen, der Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle (Vertrauensarbeitszeit, mobile Arbeit, etc) NICHT entgegensteht.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist zwingend, aber...

Das BAG leitet die zwingend zu beachtene Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) her und legt die Vorschrift europarechtskonform aus. 

Die Arbeitszeiterfassung ist demnach für alle Arbeitnehmer:innen, mit Ausnahme u.a. der leitenden Angestellten, Chefärzt:innen, Leiter:innen öffentlicher Dienstellen und deren Vertreter:innen und Beschäftigte im liturgischen Bereich der Kirchen zwingend zu beachten.

Dies hindert den Arbeitgeber aber nicht, die Arbeitszeiterfassung auch an die Beschäftigten zu delegieren, so dass BAG. Damit genügt es, wenn der Arbeitgeber ein zuverlässiges und manipulationssicheres Erfassungssystem bereitstellt, die Beschäftigten verpflichtet das System zu nutzen und deren korrekte Nutzung zu überprüfen.

...flexible Arbeitszeitmodelle bleiben weiterhin möglich

Den Unkenrufen einiger Autor:innen, dass mit der Einführung der Arbeitszeiterfassungspflicht flexible Arbeitszeitmodelle nicht mehr möglich seien, erteilt das BAG - erwartungsgemäß - eine deutliche Abfuhr.

Weder die Vertrauensarbeitszeit, noch andere flexible Arbeitszeitmodelle stehen der Erfassungspflicht entgegen, so das BAG. Der Arbeitgeber sei auch nicht verpflichtet eine bestimmte Form von Zeiterfassungssystem (wie z.B. eine Stechuhr) einzuführen. Vielmehr habe er ein Wahlrecht und könne zwischen verschiedenen Modellen dasjenige wählen, das am Besten zu den im Betrieb existierenden Arbeitszeitmodellen passt.

Mitbestimmung bei der Zeiterfassung

 Ein Initiativrecht des Betriebsrats über das "ob" der Zeiterfassung lehnte das BAG ab. Da sich die Pflicht des Arbeitgebers zur Zeiterfassung direkt aus dem Gesetz ergebe, bestünde hierüber kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Über das "wie" der Zeiterfassung könne der Betriebsrat durchaus mitbestimmen, allerdings dürfe dies nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber auf ein bestimmtes Modell festgelegt werde. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangt, mit ihm über die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu verhandeln.

Dies sei zu weitgehend, so das BAG. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind daher beschränkt auf das vom Arbeitgeber gewählte Modell. Dieser könne die Zeiterfassung auch auf Papier durchführen. Ob dies auch für die Delegierung der Arbeitszeiterfassung auf die Beschäftigten gilt, musste das BAG nicht beantworten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Frage in Zukunft noch geklärt wird.

Als Fazit lässt sich feststellen, dass das BAG zwar eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sieht, jedoch weder eine Stechuhr voraussetzt, noch ein bestimmtes Arbeitszeitmodell beerdigt hat. Die übereilten Befürchtungen einiger Autor:innen sind also unbegründet. Das Urteil bedeutet nicht das Ende von Vertrauensarbeitszeit & Co.! 

Dass es bei der Zeiterfassung keine Übergangsfristen gibt, wie viele nun bemängeln, ist indes nicht das Verschulden des Senats, sondern der Politik, die die zwingenden europarechtlichen Vorgaben bis dato nicht oder nur ungenügend umgesetzt hat.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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