Stoppt ACTA Aktionstag – Internet-Protestkultur oder berechtigtes Anliegen?

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Deutschland wird das internationale Urheberrechtsabkommen zunächst nicht unterschreiben. Die Bedeutung des Abkommens für das Internet.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, (dt. Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) ist ein geplantes multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene. Die teilnehmenden Nationen bzw. Staatenbünde wollen mit ACTA internationale Standards im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen etablieren. In Deutschland wird es deshalb entsprechend der englischen Bezeichnung auch häufig als Anti-Piraterie-Abkommen bezeichnet. Es verfolgt auf internationaler Ebene ähnliche Intentionen wie das in den USA heftig umstrittene Stop Online Piracy Act (SOPA) (Quelle: Wikipedia).

Der 11. Februar 2012 wurde zum „ACTA Aktionstag" ausgerufen. Friedliche Demonstrationen in vielen der betroffenen Staaten sind geplant. Hinzu kommen zahlreiche kreative Aktionen wie etwa eine Online-Petition gegen das Abkommen. Die freie Enzyklopädie Wikipedia hatte in den USA ihre Seite jüngst für 24 Stunden abgeschaltet.

Das Abkommen muss durch parlamentarische Zustimmung ratifiziert werden. Noch 5 Staaten, darunter auch Deutschland, müssen zustimmen. Angestoßen wurde der völkerrechtliche Vertrag durch Japan und die USA. In dem internationalen Handelsabkommen ACTA zwischen der EU, den USA, Japan und acht weiteren Staaten geht es prinzipiell darum, internationale Standards gegen Urheberrechtsverletzungen und Produktpiraterie durch Maßnahmen jedes teilnehmenden Staates durchzusetzen.

Die Kritik gegen ACTA gliedert sich in mehrere Punkte. Am bekanntesten ist die Vermutung der Gegner, ACTA könne sich auf die Meinungsfreiheit im Internet auswirken und zu Zensur führen. ACTA fördere die Einführung von Netzsperren. Das Recht auf Privatkopie sei durch neue Straftatbestände aufgehoben. Die Durchsetzung von Urheberrechten solle nicht auf Provider u.a. abgewälzt oder von diesen überwacht werden.

Viele Regelungen von ACTA existieren schon im deutschen Urheber- und Markenschutzrecht. Das Abkommen sieht keine Netzsperren vor - solche wurden auch jüngst in Deutschland für bestimmte strafrechtlich relevante Internetinhalte wieder aufgehoben. Auch Regelungen zum Kopierschutz sind im deutschen Urheberrecht verankert.

Aber auch deutsche Internetnutzer bewegen sich zwangsläufig im internationalen rechtlichen Raum. Eine sinnvolle Abgrenzung der Urheberrechte und Nutzungsrechte kann also nur in internationalen Zusammenhängen gelingen.

Die Reaktion auf ACTA weist Parallelen zum Flashmob auf: Der Begriff Flashmob (englisch: Flash mob; flash = Blitz; mob [von mobilis beweglich] = aufgewiegelte Volksmenge) bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer persönlich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun (Quelle: Wikipedia). Flashmobs werden über sog. soziale Netzwerke, Online-Communitys, Webblogs, Mobiltelefone u.a. organisiert. Flashmobs gelten als spezielle Ausprägungsformen der sog. virtuellen Gesellschaft, die neue Medien wie Mobiltelefone und Internet benutzt, um kollektive direkte Aktionen zu organisieren.

Mit dieser neuen Protestkultur muss sich der Staat auseinandersetzen. Die schnelle Organisation und die oft massiv auch offiziell angemeldete Veranstaltungen sprengende Teilnehmerzahl ist dafür typisch und wird Auswirkungen auf die versammlungsrechtliche Rechtsprechung und Gesetzgebung haben.

Diese Protestkultur mit Forderung und teilweise Erzwingung urdemokratischer Rechte begünstigt neue Parteien wie die Piratenpartei und brachte zu Guttenberg und andere via Crowdsourcing zu Fall.

Crowdsourcing bzw. Schwarmauslagerung ist von Outsourcing abgeleitet, bezeichnet aber die Auslagerung von Intelligenz und Arbeitskraft auf eine Masse von Freizeitarbeitern im Internet. Eine Schar von Experten und Dienstleistern generiert Inhalte, löst diverse Aufgaben und Probleme oder ist an Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt (Schwarmintelligenz). Crowdsourcing ist damit ein Prinzip der Arbeitsteilung, die mit ihren positiven Spezialisierungseffekten zu den Grundprinzipien des Wirtschaftens zählt. Die Besonderheit des Crowdsourcing liegt in der Erweiterung der bisherigen Arbeitsteilungsmodelle um den Faktor Motivation (Quelle: Wikipedia).

Die Politik muss diesen Entwicklungen mit Transparenz und Partizipation begegnen. Die Gegner von ACTA argumentieren, die gesamten Verhandlungen seien geheim geführt worden. Regelungen von für jeden User erheblichen Urheber- und Schutzrechten müssten aber demokratisch und transparent geführt werden. Der Fall Stuttgart 21 hat gezeigt, dass nun diejenigen Politiker den tatsächlichen Volkswillen durchsetzen müssen, der ihren eigenen Wahlzielen entgegensteht und welche die Mehrheit der Bevölkerung somit nicht teilt. Die Umfragen haben allerdings die jahrelangen rechtssicheren Planungen bestätigt, die lediglich von einer Minderheit torpediert wurden. Dieser laute Protest hat zusammen mit dem Tsunami in Japan, der auch das Atomkraftwerk Fukushima betroffen hat, eine punktgenaue einmalige Wahlhilfe geliefert.

Nicht jeder Protest ist also berechtigt, sondern vielmals lauter als die schweigende Mehrheit, die sich ihre eigene Meinung schon bildet und äußert - wenn man sie denn lässt. Spätestens bei den nächsten Wahlen.

Es muss gelten: Alle Länder, Interessengruppen und nicht nur professionelle Vertreter einzelner Länder oder Interessen (Lobbyisten) sind frühzeitig zu beteiligen. Sofern nichtöffentliche Beratungen nötig sind, muss es hierfür einen öffentlich dargestellten sachlichen Grund geben.

Die Signalwirkung von ACTA gefährdet den Rechtsfrieden, da eine Politik, die sich einseitig um Durchsetzungsmechanismen bemüht den technischen und sozialen Wandel, den das Internet mit sich bringt, verkennt. Viele der ACTA-Kritiker haben die Fernwirkungen unzeitgemäßer Politik erkannt und werden von der Politik nicht verstanden. Solche Strömungen haben auch dazu geführt, dass sich eine wirklich neue Partei in einem Bundesland im Parlament und bundesweit in Umfragen etablieren konnte: Die Piratenpartei. Ist dies die neue liberale Partei, der Grund des Siechtums der Freien Demokraten?

Die Meinungsfreiheit gilt laut BVerfG als eines der „vornehmsten Menschenrechte überhaupt". Sie kann durch das Internet vom Einzelnen effektiv ausgeübt werden. Die Meinung äußert sich via Internet polemischer, schneller, polarisiert mehr und ändert sich auch schneller. Da das Internet an Einfluss weiter zunehmen wird, kann aus der schweigenden Mehrheit schnell die sich äußernde werden. Es ist davon auszugehen, dass früher oft lauter, punktueller Protest, der nur als mehrheitsbildend wahrgenommen wird, von tatsächlich geäußerter Mehrheitsmeinung abgelöst wird.

Da wirkliche Freiheit jenseits der Mauern liegt, die wir selbst geschaffen haben, sollte man von vorneherein versuchen nur die nötigsten Barrieren zu errichten. Es müssen aber andererseits natürlich Instrumentarien geschaffen werden, die diejenigen bremsen, die ihre Freiheit missbrauchen.

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im DAV.

Mail:kanzlei@anwalthesterberg.de


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