Strafrecht trifft Klimaaktivimus – Wie sich „Klima-Kleber“ strafbar machen können

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Die Protestaktionen der „Letzten Generation“ haben in den vergangenen Monaten viele Schlagzeilen gemacht und spalten die Nation: Während einige Menschen das Durchhaltevermögen der Klimaaktivisten bei der Verfolgung wichtiger Ziele schätzen, sehen viele andere die Aktionen der „Klima-Kleber“ als sinnlos, verfehlt und sogar gefährlich an. Die Aktivisten kleben sich mit Sekundenkleber oder ähnlich stabilem Material an die befahrensten Straßen Deutschlands – und bleiben dort, bis sie von Polizeibeamten entfernt werden. Doch wie ist dies aus strafrechtlicher Sicht zu beurteilen und welche Urteile halten die Gerichte Deutschlands für die Klimaaktivisten bereit?

Diese Straftatbestände können erfüllt werden

Tatsächlich gibt es hier eine Reihe an Straftatbeständen, die von Klimaaktivisten bei den Protestaktionen verwirklicht werden können. 

Beginnend mit dem Festkleben am Asphalt und der damit einhergehenden Verkehrsblockade kann eine Nötigung nach § 240 StGB im Ram stehen. Problematisch könnte bei den typischen Verkehrsblockaden jedoch das Bejahen des Gewaltbegriffs sein, da bloße psychische Gewalt grundsätzlich nicht zur Tatbestandsverwirklichung ausreicht und es vielmehr auch auf eine physische Zwangswirkung ankommt. 

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sah die Nötigung in seinem Urteil vom 30.08.2022 (Az. 422 Cs 231 Js 1831/22) jedoch als gegeben an und bejahte das Vorliegen physischer Gewalt: Das AG stützte sich hierbei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. Beschluss vom 24.10. 2001 - 1 BvR 1190/90), aus der sich ergibt, dass durch eine Blockade – wie etwa das Hinlegen auf und Ankleben an eine Autobahn – ebenfalls eine physische Zwangswirkung auf die nachfolgenden, also in zweiter Reihe befindlichen Pkw-Fahrer resultiert. Diese Gewalt sei mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls auch als verwerflich anzusehen: Das Gericht argumentierte, dass sich die aus der Blockade ergebenden Konsequenzen für die Autofahrer so gravierend sind, dass diese nicht durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt seien. Die motorisierten Verkehrsteilnehmer hätten keine Möglichkeit gehabt, die Blockade zu umgehen und waren in dem vorliegenden Fall 20 bis 30 Minuten an jeglicher Fortbewegungsmöglichkeit gehindert.

Anders sieht es eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten, welche sich mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt auseinandersetze, diesen jedoch im Ergebnis anders bewertet:
Die Staatsanwaltschaft begehrte hier einen Strafbefehl wegen Nötigung, welchen das Gericht mit Beschluss vom 05.10.2022 (Az. (303 Cs) 237 Js 2450/22 (202/22)) ablehnte. Das Ankleben an die Fahrbahn sowie die Straßenblockade seien nicht als verwerfliche Nötigungshandlung anzusehen.

Politische Demonstrationen wären ihrem Wesen nach für andere überwiegend lästig und würden den städtischen Verkehr stilllegen, dennoch seien sie aber für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich: Die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit sei durch die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt. Anders als im obigen Sachverhalt wurden die Protestaktionen auch am selben Tag von den Medien angekündigt, Verkehrsteilnehmer hätten sich daher auf Beeinträchtigungen einstellen können. Auch seien in diesem Fall keine Rettungswagen unter den betroffenen Verkehrsteilnehmern gewesen. Das AG Tiergarten betonte zudem auch die Dringlichkeit und Wichtigkeit des Klimawandels, der die gesamte Menschheit betreffe.  

Ein anderer Straftatbestand, der im Zuge der Klimaproteste verwirklicht werden könnte, ist der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 Abs. 1 StGB. Hierzu müssen die Täter gegenüber der Diensthandlung eines Polizisten oder anderen Amtsträgers mit Gewalt, also einem nennenswerten physischen Einwirken, Widerstand ausüben. Dies lässt sich aber bei den allermeisten Protestaktionen der Klimaaktivisten verneinen, da sich die Aktivisten in der Regel widerstandslos von der Straße lösen und wegtragen lassen, ohne sich überhaupt zu regen. In vielen Fällen, so auch in dem bereits angesprochenen Urteil des AG Tiergarten vom 30.08.2022, seien die Polizisten zudem auch nur rein psychisch gehemmt worden, da sie die Aktivisten nicht haben verletzten wollen. Das AG Tiergarten verneinte auch in seinem Beschluss vom 05.10.2022 den Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB, da es auch hier an der körperlichen Zwangswirkung auf die Polizeibeamten fehle. 

Haben Klimaaktivisten während ihrer Blockade Rettungswagen oder Feuerwehrleute in ihrem Fortkommen zum Einsatzort behindert, kommt eine Strafbarkeit nach § 323c Abs. 2 StGB in Frage. Während das Bejahen der konkreten Behinderung bei einem Einsatz zunächst unproblematisch erscheint, wird hierfür jedoch ein vorsätzliches Handeln (auf das Behindern gerichtet, nicht auf die Protestaktion an sich bezogen) benötigt:
Die Aktivisten müssten zumindest die Möglichkeit erkannt haben, dass sie durch ihr Verhalten Rettungsmaßnahmen verhindern, verzögern oder in ihrer Wirkung verringern.

Ebenfalls könnte die Vorschrift des § 115 Abs. 3 StGB erfüllt sein: Zwar hat der Gesetzgeber hierbei vor allem an Fälle gedacht, bei denen Rettungskräfte durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt an einem Unfallort körperlich angegriffen oder behindert werden. Die Vorschrift kann aber auch erfüllt sein, wenn der Zugang der Rettungskräfte zum Rettungsort versperrt wird (vgl. OLG Hamm NStZ 2022, 614 Rn. 19)

Strafbefehlsverfahren für Straßenblockierer

In den allermeisten Verfahren von „Klima-Klebern“ wurden in den vergangenen Wochen und Monaten Strafbefehle erlassen, gegen die teilweise Einspruch erhoben wurde, weshalb es vermehrt zu Gerichtsprozessen und entsprechenden Urteilen kommt.

In Berlin ist etwa ein Anfang 20-Jähriger vom AG Tiergarten zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10 Euro, also insgesamt 200 € verurteil worden. Die Vorsitzende Richterin habe zwar Verständnis für die Demonstration, sah aber eine versuchte Nötigung dennoch als gegeben an. Der Aktivist hat sich mit einer Hand auf der Straße festgeklebt, hierdurch wurden Menschen in ihrer Fortbewegung beeinträchtigt. Die Nötigung blieb im Versuch „stecken“, da Polizisten die vollständige Blockade der Straße und damit das endgültige Lahmlegen des Verkehrs noch verhindern konnten.

Was wir aus den Verfahren um die Klimaaktivisten lernen

Sie sehen also, dass die aktuelle Rechtsprechung der Gerichte mit Nichten immer zu denselben Entscheidungen kommt und es daher wesentlich darauf ankommt, wie der individuelle Fall gelagert ist. Außerdem können zunächst einige Straftatbestände im Raum stehen, die jedoch mit Blick auf den Sachverhalt nicht mehr so unstrittig zu bejahen sind oder ganz verneint werden müssen.

Regelmäßig können die Betroffenen mit einem Strafbefehl rechnen: Bei dem „eigenmächtigen“ Einlegen eines Einspruchs ist jedoch Vorsicht geboten. Dies zeigte bereits der Fall von Tarek Müller eindrucksvoll, über den wir zu einem früheren Zeitpunkt bereits berichteten: Die Geldstrafe hatte sich hier von 1.500,00 € auf rund 80.100,00 € erhöht. 

Dies kann durch das Hinzuziehen eines Anwalts einfach vermieden werden. In jedem Fall sollte sich derjenige, der mit einem Strafbefehl konfrontiert wird, umgehend mit einem auf das Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten und das weitere Vorgehen nach Sichtung der Akten besprechen. Kontaktieren Sie uns daher gern jederzeit, gemeinsam finden wir den richtigen Weg, um Sie und Ihre Rechte umfangreich und zielführend zu verteidigen. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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