Straftaten im Pflegedienst -Tipps für Mitarbeiter und Betreiber

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In der Pflege zu arbeiten bedeutet, sich gleichzeitig eines strafrechtlichen Risikos auszusetzen, dessen man sich bewusst sein muss. Die Versorgung von pflegebedürftigen Patienten erfordert ein hohes Maß an Leidenschaft, aber verlangt andererseits auch höchste Vorsicht im Umgang mit den Patienten. Gefährlich ist vor allem das Unterlassen von erforderlichen Hilfsmaßnahmen. Welche Straftaten im Pflegedienst durch Mitarbeiter und Arbeitgeber begangen werden können und wie dies strafrechtlich verfolgt wird, erläutert Ihnen Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Münster, Gescher) im Folgenden.


Unterlassen von Hilfsmaßnahmen - mit Beispiel

Um sich strafbar zu machen, muss nicht immer ein aktives Handeln vorliegen. Bereits das Unterlassen von bestimmten Hilfsmaßnahmen kann unter einen strafrechtlichen Tatbestand fallen. Zunächst ist auf die besondere Stellung von Pflegekräften einzugehen. Pflegekräfte übernehmen eine so genannte Garantenstellung. Garant ist, wer es übernommen hat, für bestimmte Rechtsgüter Sorge zu Tragen. Diese Stellung begründet sich aus der Übernahme als zuständige Pflegekraft, wobei meistens vertraglich festlegt wird, inwiefern die Pflegekraft sich um den Patienten kümmern muss. Die konkreten Pflichten einer Pflegekraft ergeben sich auch aus diversen Rechtsquellen. Gesetze und Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften, Technische Regeln, Arbeitsverträge oder Dienstanweisungen stellen nur auszugsweise einige dieser zahlreichen Rechtsquellen dar. 

Durch diese Garantenstellung einer Pflegekraft kann schon das Unterlassen bestimmter Handlungen zu einer Strafbarkeit führen. Straftatbestände im Pflegedienst, die typischerweise durch Unterlassen verwirklicht werden, sind die Körperverletzung gem. § 223 StGB oder das Töten durch Unterlassen gem. § 212 StGB.      

Ein Beispiel aus der Praxis bildet der folgende Fall: Ein Pflegedienstmitarbeiter hatte Medikamente beim Patienten verwechselt. Nachdem dies dem Mitarbeiter auffiel, unterließ dieser es, einen Arzt zu kontaktieren, damit dieser Gegenmaßnahmen ergreifen konnte und der Patient verstarb. Das Verwechseln der Medikamente geschah ohne Vorsatz und ein solcher Fehler kann im stressigen Berufsalltag vorkommen. Die strafrechtlich verwerfliche Tat liegt hier eben darin, keinen Arzt darüber zu informieren und somit den Tod des Patienten nicht zu verhindern. Jedoch muss in solchen Fällen eben noch ein zumindest bedingt vorliegender Vorsatz bestehen, welcher nicht zwangsläufig gegeben ist. Durch einen erfahrenen Strafverteidiger können solche Probleme im Straftatbestand entdeckt werden und eine mögliche Verurteilung verhindert werden.


Fahrlässige Straftatbegehung  - mit Praxisbeispiel

Nicht nur eine Tatbegehung durch Unterlassen ist möglich, sondern auch eine fahrlässige Begehung. Dazu zählen vor allem die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB sowie die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB. Fahrlässig handelt nach der Rechtsprechung, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeigeführt hat. Man kurz gesagt gegen eine Sorgfaltspflicht verstoßen. Zusätzlich dazu müssen eben die dadurch erfolgten Verletzungen vorhersehbar und vermeidbar gewesen sein. 

Ein Praxisbeispiel wäre eine mit Corona infizierte Mitarbeiterin welche trotzdem arbeiten geht und die Pflegepatienten ansteckt.


Misshandlung Schutzbefohlener durch Pflegepersonal

Eine weiterer entscheidender Straftatbestand stellt der Tatbestand des § 225 StGB dar. Dieser normiert die Strafbarkeit der Misshandlung von Schutzbefohlenen. Strafbar macht sich wer eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person quält, roh misshandelt oder durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht an der Gesundheit schädigt.

Um tauglicher Täter dieser Tat zu sein, muss die Person der Fürsorge oder Obhut des Pflegepersonals unterstehen. Die vertraglichen Regelungen insbesondere die Sorgeverpflichtung von Mitarbeitern eines Pflege- oder Altersheimes begründen ein solches Verhältnis.

Opfer dieser Straftat kann nur eine Person sein, die wehrlos ist. Dies bedeutet, das Opfer kann sich nicht oder nur stark eingeschränkt gegen den Eingriff wehren. Eine solche Wehrlosigkeit muss durch Krankheit oder Gebrechlichkeit erzeugt werden und darf nicht vom Täter selbst hervorgerufen werden. Gebrechlichkeit ist eine Störung der körperlichen Gesundheit, die ihren Ausdruck in einer erheblichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit findet, begründet durch das Alter oder körperliche Behinderung. Krankheit im Sinne dieser Norm kann sogar ein. Alkohol- oder Drogenrausch umfassen.

Wichtig ist bei diesem Straftatbestand jedoch die Verknüpfung von Krankheit und Wehrlosigkeit, sodass die Feststellung dieser Verknüpfung für eine Verurteilung entscheidend ist - gerade hier eine gezielte Überprüfung des Sachverhaltes durch einen erfahren Strafverteidiger sinnvoll .

Die Tathandlung muss ein Quälen, rohes Misshandeln oder ein böswilliges Vernachlässigen der Pflicht mit daraus resultierenden Gesundheitsschäden sein. Quälen beschreibt das Verursachen länger andauernder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art. Seelische Leiden können im Pflegebereich die missbräuchliche Anwendung von freiheitsentziehenden Mitteln gegenüber den Pflegebedürftigen darstellen. Dies kann durch Bauchgurte, Bettgitter oder das bloße Einsperren erfüllt sein. Die körperliche Beeinträchtigung aus einer gefühllosen Gesinnung heraus, beschreibt das rohe Misshandeln. 

Die beiden vorherigen Tathandlungen können auch durch Unterlassen begangen werden. 

Zuletzt ist noch auf die echte Unterlassungskomponente des Tatbestandes einzugehen, welche die böswillige Vernachlässigung ist. Hier ist insbesondere die Böswilligkeit als Gesinnungselement überprüfungswürdig und muss beim Täter konkret festgestellt werden.


Weitere verfolgte Straftaten

Andere von der Staatsanwaltschaft verfolgte Straftaten sind vor allem der Diebstahl gem. § 242 StGB durch Pflegekräfte, Betrug gem. § 263 StGB gegenüber den Patienten sowie insbesondere der Abrechnungsbetrug gegenüber den Krankenkassen. 


Straftaten durch den Arbeitgeber

Jedoch werden nicht den zuständigen Mitarbeitern Straftaten vorgeworfen, sondern auch dem Arbeitgeber bzw. Pflegedienst- oder Heimbetreiber. Die häufigste Straftaten stellen wohl der Schwarzarbeitsbetrug und der Mindestlohnbetrug dar, bei dem der Arbeitgeber Pflegekräfte nicht offiziell anstellt (Scheinselbständigkeit) oder unter dem Mindestlohnniveau beschäftigt. Dies wird von der Staatsanwaltschaft verfolgt und zur Verteidigung sollte ein Strafverteidiger aufgesucht werden. Dies gilt vor allem, da der Begriff der Scheinselbständigkeit und der dazugehörige Vorsatz des Chefs gute Verteidigungsansätze bieten.    


Zahlreiche Risiken erfordern professionellen Beistand 

Aufgrund der zahlreichen strafrechtlichen Risiken eines Berufes in der Pflege ist immer mit Bedacht zu handeln. Sollten Sie trotz aller Sorgfalt und Leidenschaft für Ihren Beruf einer dieser Straftaten beschuldigt werden, schweigen Sie unbedingt gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft! Kontaktieren Sie unverzüglich einen Strafverteidiger und lassen sich professionell beraten.

Im Rahmen von Durchsuchungen Ihrer Wohn- oder Geschäftsräume machen Sie keine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden oder Polizisten. Leisten Sie polizeilichen Ladungen oder Versuchen zur Beschuldigtenvernehmung an Ort und Stelle keine Folge! Sie haben das Recht zu schweigen.

Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk mit Kanzleisitz in Coesfeld (bei Dülmen, Borken, Stadtlohn, Bocholt) ist Fachanwalt für Strafrecht. Er verteidigt seit Jahren Mitarbeiter*innen und Betreiber von Pflegediensten gegen die obengenannten Vorwürfe und bringt daher die entsprechende Erfahrung mit für Ihren Fall. H. Urbanzyk verteidigt in ganz Deutschland seine Mandanten. Kontaktaufnahme für das Erstgespräch ist per e-mail oder WhatsApp / Signal unter 0151-52068763 möglich.

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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