Tod auf der Piste

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Wer hat Anspruch auf Schadenersatz nach einem tödlichen Schiunfall?

Niemand will es sich vorstellen und die Folgen ausmalen, jedoch kommt es immer wieder vor, dass Schi- und Snowboardunfälle tödlich verlaufen. Neben der menschlichen, emotionalen Ebene gibt es auch eine rechtliche, die mit einem solchen Unfall einhergeht.

Wenn es zu einer Kollision zwischen Schifahrern oder Snowboardern auf einer Piste kommt und ein Pistenbenützer dabei stirbt, kommt bestimmten Personen ein Schadenersatzanspruch zu, wenn dem Unfallverursacher ein Verschulden nachgewiesen werden kann.  

Zunächst muss also die Schuldfrage geklärt werden. Dazu kommt die (Alpin-)Polizei auf den Plan und startet eine Untersuchung. Wichtig dabei ist, dass Ihr Anwalt so schnell wie möglich beigezogen wird. Angehörige haben ebenso wie der Beschuldigte Rechte. Für die Angehörigen ist es wichtig, diese Rechte auch in Anspruch zu nehmen, damit später die Schuldfrage nicht nochmals durch das Zivilgericht geprüft und beantwortet werden muss. Aus der Sicht des Beschuldigten ist es wichtig erst auszusagen, nachdem ein Rechtsanwalt beigezogen wurde. Achtung, auch ohne formelle Einvernahme kann jedes Gespräch mit den Polizeibeamten in einem Amtsvermerk im Strafakt protokolliert werden. Ein solcher Amtsvermerk gilt im Strafverfahren als Beweismittel! Daher ist es nicht empfehlenswert, etwa bereits am Telefon oder an der Unfallstelle „völlig informell“ mit der Polizei über die Sache zu sprechen.

Ist die Schuldfrage einmal geklärt, richtet sich der Anspruch in Österreich nach § 1327 ABGB. Laut dieser Bestimmung müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden, wenn aus einer körperlichen Verletzung der Tod folgt.

Diese sperrige Formulierung im Gesetzestext besagt nichts anderes als, dass der Schädiger die Todesfallskosten ersetzen und den Anspruchsberechtigten ausgleichen muss, was ihnen durch den Tod entgangen ist und zukünftig noch entgeht (v.a. Unterhalt).

Unter Todesfallkosten werden die angemessenen Kosten für das Begräbnis und das Grab verstanden. Dabei wird auf den Ortsbrauch und den Stand sowie das Vermögen des Verstorbenen abgestellt. Wird ein Kind getötet, das in aller Regel noch kein besonderes Vermögen erwirtschaftet haben kann, wird die Stellung der Eltern herangezogen. Der Oberste Gerichtshof hat etwa entschieden, dass einem Kammerangestellten kein Luxusgrab zustünde.

Nach einem tödlichen Schiunfall entstehen häufig auch Kosten in Verbindung mit der Bergung des Leichnams. Diese sind ebenso zu ersetzen wie die Kosten der Todesanzeigen, der Totenbeschau, der Totengräberarbeit und der Bestattungsfeierlichkeiten.

Kosten für die Anreise zum Begräbnis und für Trauerbekleidung oder Ersatz für Verdienstentgang aufgrund des Begräbnisses stehen in der Regel jedoch nur den nächsten Angehörigen (etwa der Ehegattin, den Kindern) zu. Im Zusammenhang mit dem Grab müssen insbesondere die Kosten für den Grabstein samt Gravur ersetzt werden.

Achtung, die Kosten für die Instandhaltung und Pflege des Grabes werden von der Rechtsprechung nicht mehr zu den ersatzfähigen Kosten gezählt. Wird Sterbegeld nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ausbezahlt, so handelt es sich dabei um eine dem Anspruch auf Ersatz der Begräbniskosten einschließlich der Grabkosten kongruente Leistung, welche auf den Sozialversicherungsträger übergeht und damit nicht mehr von den Hinterbliebenen gefordert werden kann.

Anspruchsberechtigter hinsichtlich der Grab- und Begräbniskosten ist wer die Kosten verpflichtend tragen musste oder sie tatsächlich getragen hat.

Wer hat „Anspruch auf das Entgangene“?

Zum Kreis der Berechtigten zählen (eheliche und uneheliche, adoptierte) Kinder nach getöteten Eltern und Großeltern (und umgekehrt). Der Anspruch des Kindes hängt nicht davon ab, ob es im Todeszeitpunkt des Verunfallten schon geboren, sondern davon, ob es bereits gezeugt war. Anspruchsberechtigt ist auch der bis zum Tod in aufrechter Ehe lebende Hinterbliebene. Schuldet etwa der Getötete nach einer einvernehmlichen Scheidung Unterhalt, so ist auch dieser der Ex-Ehegattin zu ersetzen.

Das Entgangene, also primär der entgangene Unterhalt, ist prinzipiell in Form einer Rente zu gewähren. Aus wichtigen Gründen kann eine Kapitalabfindung begehrt werden, wenn dies dem Schädiger wirtschaftlich zumutbar ist. Häufig steht bei Schiunfällen im Hintergrund eine Haftpflichtversicherung des Schädigers, die auch ein Interesse daran haben könnte, eine Kapitalabfindung zu bezahlen und somit „die Sache schnell aus der Welt zu schaffen“. Hinter einer solchen Entscheidung stehen meist wirtschaftliche Überlegungen.

Bei verheirateten Menschen kommt es auch immer wieder vor, dass dem Hinterbliebenen Dienstleistungen (Beistandsleistungen) im weitesten Sinne entgehen, die der Verstorbene erbracht hat, etwa betreffend die Führung des Haushalts. Hier können die Bruttokosten einer professionellen Ersatzkraft gefordert werden. Dies selbst dann, wenn keine Ersatzkraft für die Haushaltsführung eingestellt wird. Hintergrund ist der, dass der Schädiger durch kostenlose Beistandsleistungen oder Pflegeleistungen, etwa durch Verwandte oder Freunde, nicht entlastet werden soll.

Betreffend den entgangenen Unterhalt ist der Hinterbliebene so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre. Zur Berechnung wird das (fiktive) Nettoeinkommen des zum Unterhalt verpflichteten Verstorbenen herangezogen. Künftige Entwicklungen sind nach dem gewöhnlichen (wahrscheinlichen) Lauf der Dinge zu berücksichtigen, etwa eine kurz bevorstehende Beförderung des Verstorbenen, wobei hier die Beweislast der Hinterbliebene trägt. Im Hinblick auf die Unabsehbarkeit künftiger Entwicklungen kann auch eine Feststellungsklage sinnvoll sein. Selbst ein aus persönlichen oder sittlichen Erwägungen reichlich bemessener Unterhalt bleibt Unterhalt und damit Grundlage der Schadenersatzpflicht. Es ist jedoch vom Schädiger mindestens der gesetzliche Unterhalt zu zahlen, also etwa auch dann, wenn der Verstorbene tatsächlich weniger als den gesetzlichen Unterhalt geleistet hat.

Bei internationalen Schiunfällen, also solchen zwischen ausländischen Schifahrern, muss die Berechnung der Unterhaltansprüche auf Basis der ausländischen Umstände und des ausländischen Unterhaltsrechts erfolgen. Das heißt, wenn beispielsweise ein in Deutschland wohnhafter Schifahrer oder Snowboarder stirbt, müsste man die Ansprüche auf Basis des deutschen Rechtes (BGB) kalkulieren.

Die Dauer einer Rente hängt sehr häufig davon ab, wie lange der Unterhaltsverpflichtete bei Überleben den Unterhalt hätte leisten müssen. Eine Grenze bildet daher die wahrscheinliche natürliche Lebensdauer des Getöteten. Diese kann etwa anhand gängiger Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Statistik Austria eingeschätzt werden. Hier hat das Gericht einen Ermessensspielraum.


Tipp: 

Schifahren und Snowboarden sind risikogeneigte Sportarten, bei denen es schnell und oft auch unerwartet zu schweren Verletzungen, im schlimmsten Falle auch zum Tod eines Menschen aufgrund von Kollisionen kommen kann. Wichtig ist, sich entsprechend durch eine Haftpflichtversicherung gegenüber unliebsamen finanziellen Folgen abzusichern. Häufig werden private Haftpflichtversicherung im Bündel mit der Haushaltsversicherung angeboten. Angesichts der möglichen dramatischen Folgen sollten also nicht „aus falschem Geiz“ ein paar Euro eingespart werden, sondern aktive Schifahrer und Snowboarder den Abschluss einer Haftpflichtversicherung ernsthaft in Erwägung ziehen.

Sollten Sie in einen Schiunfall oder Snowboardunfall verwickelt sein, so nehmen Sie am besten möglichst schnell Kontakt mit Ihrem auf Schi- und Bergsportrecht spezialisierten Rechtsanwalt auf.


Die Autoren:

MMag. Florian Stachowitz

ist Rechtsanwalt bei Wijnkamp Rechtsanwaltskanzlei - Law Firm und Spezialist für Schi- und Bergsportrecht

Dr. Stephan Wijnkamp

ist Rechtsanwalt bei Wijnkamp Rechtsanwaltskanzlei - Law Firm und Spezialist für Schi- und Bergsportrecht

Foto(s): Dr. Stephan Wijnkamp, MMag. Florian Stachowitz


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