Trotz Blindheit Anspruch auf Elektrorollstuhl!

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Mit Entscheidung vom 4.10.2021 entschied das LSG Niedersachsen-Bremen, dass auch ein blinder Mensch Anspruch auf  Versorgung mit einem Elektrorollstuhl haben kann. Allein der Umstand der Blindheit darf kein Ausschlusskriterium sein!

In der benannten Entscheidung ging es um die Versorgung eines Patienten, der unter Multiple- Sklerose (MS) leidet. Aufgrund seiner Erkrankung fiel es ihm im Laufe der Zeit immer schwerer zu gehen. Infolgedessen wurde er zunächst mit einem Greifreifen-Rollstuhl versorgt.

Im Jahr 2018 verschlimmerte sich die Krankheit weiter, sodass zunehmend auch einer seiner Arme kraftlos wurde. Dies hatte zur Folge, dass er den Rollstuhl nur noch mit kleinen Tripelschritten bewegen konnte und nicht mehr unter Zuhilfenahme seiner Arme. Er beantragte daraufhin - bei seiner Krankenkasse - die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl. Die Krankenkasse lehnte den Antrag mit dem Argument ab, dass der Mann blind und damit nicht verkehrstauglich sei. Nach ihrer Ansicht führe die Blindheit generell zu einer fehlenden Eignung. Eine Eigen- und Fremdgefährdung lasse sich bei Blinden nicht ausschließen.

Der Kläger wandte jedoch ein, dass er sich mit einem langen Stock schon früher gut orientieren konnte und dies auch im Elektrorollstuhl trainiert habe. Ein Handrollstuhl könne er hingegen nicht mehr bedienen und könne somit ohne fremde Hilfe das Haus nicht mehr verlassen.

Diese Argumente haben das LSG überzeugt und die Kasse wurde zur Gewährung des Elektrorollstuhl verpflichtet. Nach Ansicht des LSG sei es inakzeptabel, den Mann auf die behelfsmäßige Fortbewegung mit dem bisherigen Rollstuhl zu verweisen. Die Blindheit sei kein genereller Grund, eine Verkehrstauglichkeit bei Nutzung eines Elektrorollstuhls abzulehnen. Es seien auch keine individuellen Gründe bei dem Mann gegeben, aus denen er mit einem Elektrorollstuhl nicht umgehen könne. Zu erwähnen bleibt an dieser Stelle, dass dies durch einen Sachverständigen festgestellt wurde. Es ist davon auszugehen, dass es diesen Nachweis zur Eignung bedarf. Etwaige Restgefährdungen seien lt. LSG dem Bereich der Eigenverantwortung zuzuordnen und in Kauf zu nehmen.

Bei dieser Entscheidung hat das Gericht klargestellt, dass es Aufgabe des Hilfsmittelrechts ist, dem Menschen mit Behinderung ein möglichst selbst bestimmtes Leben zu ermöglichen und nicht, ihn von sämtlichen Lebensgefahren fernzuhalten und ihn damit einer weitgehenden Unmündigkeit anheimfallen zu lassen. 

(vgl. Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04 . 10 . 2021 , Az.: L 16 KR 423 / 20)


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