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Verhinderungspflege: Wann hat man Anspruch darauf?

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Verhinderungspflege: Wann hat man Anspruch darauf?

Experten-Autor dieses Themas

Ob durch einen Unfall, durch einen schweren Krankheitsverlauf oder plötzlich eintretende Demenz: Sowohl ältere als auch jüngere Menschen können durch verschiedene Umstände von jetzt auf gleich auf Pflege angewiesen sein. Die Art des Pflegebedarfs ist dabei unterschiedlich.  

Bei Menschen, bei denen eine häusliche Pflege ausreichend ist, möchten nahe Angehörige diese Pflege oft selbst übernehmen. Das stellt die Angehörigen, die ihre Lieben pflegen, vor zahlreiche Herausforderungen. Die Doppelbelastung von eigener Berufstätigkeit und Lebensgestaltung und der zusätzlichen Pflege des Angehörigen ist nicht zu unterschätzen. Wichtig für die pflegenden Angehörigen ist es deshalb, sich regelmäßig Auszeiten zu nehmen, um selbst wieder Kraft tanken zu können. Wenn die Pflegeperson dennoch ausfällt, kann die Verhinderungspflege zum Tragen kommen. 

Wer hat Anspruch auf Verhinderungspflege?

Pflegebedürftige Menschen möchten meist auch während der Zeit, in der ihre Angehörigen verhindert sind und sie nicht selbst pflegen können, ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen. Die Verhinderungspflege bestärkt die häusliche Pflege dabei und bezahlt mit den Leistungen der Verhinderungspflege in der häuslichen Pflege die pflegende Vertretungsperson. Oft wird bei der Verhinderungspflege auch von einer Ersatzpflege, von Urlaubs- oder Krankheitsvertretung gesprochen.  

Die ersatzweise Pflege, während die pflegende Bezugsperson verhindert ist, kann von weiteren Familienmitgliedern, von Nachbarn, von Freunden oder durch einen Pflegedienst übernommen werden. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um einige Stunden pro Tag oder pro Woche, um mehrere zusammenhängende Tage oder sogar um einige Wochen handelt. Zu beachten ist: Maximal sechs Wochen oder 42 Tage können innerhalb eines Kalenderjahres als notwendige Pflegekosten aus der Verhinderungspflege beansprucht werden.  

Voraussetzung für den Anspruch ist, dass die pflegebedürftige Person ab dem ersten Tag der Verhinderungspflege über einen anerkannten Pflegegrad 2 bis Pflegegrad 5 verfügt. Außerdem muss der pflegende Angehörige beziehungsweise die Person, die die Pflege regelmäßig ausführt, den Pflegebedürftigen insgesamt – auch mit Unterbrechungen – mindestens schon sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt haben, um Leistungen aus der Verhinderungspflege beanspruchen zu können. Die gesetzliche Grundlage dazu finden Sie im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (§ 39 SGB XI, Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson). Kurz zusammengefasst sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen aus der Verhinderungspflege: 

  • Verhinderungspflege findet im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen statt. 

  • Pflegebedürftiger besitzt anerkannten Pflegegrad 2 oder höher. 

  • Dauer der Verhinderungspflege: maximal sechs Wochen oder 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres 

  • Vor dem erstmaligen Antrag auf Verhinderung: Die pflegende Person muss den Pflegebedürftigen bereits mindestens sechs Monate im häuslichen Umfeld gepflegt haben. 

  • Pflegeversicherung zahlt Pflegegeld 

In welcher Höhe wird Verhinderungspflegegeld gezahlt?

Pro Kalenderjahr stehen für die Verhinderungspflege 1612 € zur Verfügung (Stand August 2023). Ob dieses Budget als Gesamtsumme in einem Betrag oder durch mehrere tageweise oder stundenweise Verhinderungspflegen ausgeschöpft wird, macht dabei keinen Unterschied.  

Vielmehr muss beachtet werden, ob die Person, die die Vertretung der Pflege übernimmt, mit der pflegebedürftigen Person bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist oder mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt. In diesem Fall ist die Höhe des Verhinderungspflegegeldes begrenzt auf das 1,5-fache des monatlichen Pflegegeldes des Pflegebedürftigen (§ 39 Abs. 3 SGB XI). Dabei richtet sich die Höhe dieser Grenze nach der Höhe des anerkannten Pflegegrades. 

Wie wird der Antrag auf Verhinderungspflege gestellt?

Der Antrag auf Verhinderungspflege kann vom Pflegebedürftigen selbst oder auch von einer bevollmächtigten Person bei der zuständigen Pflegekasse des Pflegebedürftigen gestellt werden. Dort erhalten Sie entsprechende Antragsformulare, die Sie ausfüllen müssen. Das Ausfüllen des Antrags auf Verhinderungspflege ist ziemlich unkompliziert. Zu machen sind dabei in der Regel folgende Angaben: 

  • Absender 

  • Anschrift der Pflegekasse 

  • Betreffzeile (Antrag auf Verhinderungspflege) 

  • Name des Pflegebedürftigen 

  • Versichertennummer des Pflegebedürftigen 

  • Zeitraum der Verhinderung (für die Zeit von bis) 

  • Auswahl, ob tageweise oder stundenweise Verhinderungspflege 

  • Grund der Verhinderung der Pflegeperson (wie Krankheit, Urlaub oder stundenweise Verhinderung durch Arzttermine oder Freizeitaktivitäten der Pflegeperson) 

  • Name, Vorname und Geburtsdatum der Pflegeperson, die die Vertretung übernimmt (gegebenenfalls Name des Pflegedienstes) 

  • Angabe, ob eine Verwandtschaft oder Schwägerschaft bis zum zweiten Grad zwischen der Vertretungskraft und dem Pflegebedürftigen besteht 

  • Angabe, ob die Vertretungskraft in einem Haushalt mit dem Pflegebedürftigen lebt 

  • Angabe, dass der Pflegebedürftige seit mindestens sechs Monaten zu Hause gepflegt wird 

  • Bei Bevollmächtigung: Vollmacht in Kopie 

Wenn Sie Hilfe beim Ausfüllen des Antrags benötigen, können Sie jederzeit an die Pflegekasse oder an verschiedene Sozialdienste herantreten. 

Kann Verhinderungspflege auch rückwirkend beantragt werden?

Manchmal treten Situationen sehr plötzlich auf, beispielsweise durch eine Erkrankung oder einen Unfall der Pflegeperson. Dann muss schnellstmöglich ein Ersatz für die Übernahme der Pflege des Angehörigen gefunden werden. Muss dabei der Antrag auf Verhinderungspflege notwendigerweise vor Eintritt des Ereignisses (Verhinderung) gestellt werden? Die Antwort lautet: Nein. Es besteht keine Verpflichtung, vorher einen Antrag auf Verhinderungspflege zu stellen.  

Auch organisieren einige Pflegepersonen außerhalb von Notfällen bei eigener Verhinderung selbst die Vertretung für diese zeitlich begrenzte und kostenpflichtige Pflege, ohne zu wissen, dass ihnen dafür Leistungen aus der Verhinderungspflege zustehen würden. Bis die Pflegepersonen davon erfahren, sind oftmals schon einige Monate verstrichen. Kann die Verhinderungspflege dann auch noch rückwirkend beantragt werden? Ja, das ist möglich. Dazu sagt das Sozialgesetzbuch in § 45 SGB I unmissverständlich: 

„(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. 

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.“ 

Demnach können also Leistungen aus der Verhinderungspflege vier Jahre rückwirkend beantragt und in Anspruch genommen werden. Wichtig dabei ist, dass Sie sämtliche tatsächlich angefallenen Ausgaben, die Sie in Verbindung mit der Ersatzpflege geltend machen wollen, durch Belege nachweisen können. Erst dann erfolgt eine Erstattung durch die Pflegekasse. Auch Zahlungen an weitere Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn müssen belegt werden, um erstattet werden zu können. 

Besteht für Zahlungen aus der Verhinderungspflege Steuerpflicht?

In der Verhinderungspflege unterliegen die Personen, die vorübergehend die kostenpflichtige Vertretung einer Pflegeperson übernehmen, der Steuerpflicht. Zahlungen, die Vertreter der Pflegeperson erhalten, werden steuerrechtlich als Einkünfte nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 36 EStG) behandelt. Das Steuerrecht spricht hier von „Einnahmen (Entgelte) für Leistungen zu körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung pflegebedürftiger Personen bis zur Höhe des Pflegegelds.“ 

Allerdings bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel: Personen, die sich persönlich moralisch und/oder sittlich in der Pflicht fühlen, zeitweise die Pflegevertretung zu übernehmen, müssen ihre Einnahmen erst dann versteuern, wenn sie im Kalenderjahr mehr Geld für ihre Pflegevertretung erhalten, als die zu pflegende Person an Pflegegeld erhält. Dieses Pflichtbewusstsein kann beispielsweise durch ein Verwandtschaftsverhältnis oder auch durch besonders große Dankbarkeit dem Pflegebedürftigen gegenüber begründet sein.

Foto(s): ©Adobe Stock/Seventyfour

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