UDI Energie Festzins: EU-Prospektverordnung 2017/1129 bietet Raum für verbraucherfreundliche Auslegung

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In dem (vorläufigen) Insolvenzverfahren über das Vermögen der UDI Energie Festzins 11 UG (haftungsbeschränkt) & Co.KG,  09111 Chemnitz, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin Festzins Verwaltung Ost 2 UG (haftungsbeschränkt), beim Amtsgericht Leipzig unter dem Aktenzeichen 401 IN 665/22, sind die Möglichkeiten der geschädigten Anleger wegen ihrer Ansprüche aus Nachrangdarlehen eingeschränkt. Die Vermögen von mindestens zehn weiteren UDI-Energie-Gesellschaften befinden sich im Insolvenzverfahren.

Die Gläubiger von Nachrangdarlehen können sich hier registrieren lassen.

Die deutschrechtliche Rechtsprechung zur Prospekthaftung von Verantwortlichen lässt unter engen Bedingungen noch Haftungsmöglichkeiten für Altfälle zu, während die EU-Prospektverordnung 2017/1129 weitergehende Prüfungsstrukturen eröffnet. Über die Intransparenz der Nachrangbedingungen der Nachrangdarlehen bei den UDI-Gesellschaften wurde nicht deutlich genug aufgeklärt. Zudem betrieben die UDI-Gesellschaften das Einlagengeschäft nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Kreditwesengesetz (KWG) ohne die erforderlich Erlaubnis. 

Nach dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Geschäftszeichen 1 U 6/21 vom 24.11.2021, wird einem Gründungsgesellschafter alles an Fehlern der Vertreter der Hauptakteure nach 278 BGB zugerechnet, was über die meist haftungsausschließende spezialgesetzliche Haftung hinausgeht.

Insoweit kommt es noch auf die eventuell fehlerhaften und unterlassenen mündlichen Informationen wie auch die möglicherweise unzureichende Exploration von Anlegern an. Erfasst sein dürften ferner alle Prüfungsgegenstände, die den falschen schriftlichen Marktinformationen vorausgingen.

In dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Geschäftszeichen 1 U 6/21 vom 24.11.2021, wird bezüglich der Möglichkeit der verbleibenden Haftung bei mündlichen Erklärungen zur derzeitige Rechtslage in Deutschland zur Prospekthaftung ausgeführt:

Danach können auch im Übrigen prospektverantwortliche Gründungsgesellschafter weiterhin einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach den §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB unterliegen, sofern eine nicht von der spezialgesetzlichen Prospekthaftung erfasste Sachverhaltsgestaltung vorliegt (hierzu allgemein BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 26, NJW 2021, 1318; Beschluss vom 27.04.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 8, AG 2021, 707), d.h. wenn die Gründungsgesellschafter aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung haften könne, wobei der Bundesgerichtshof als ein Beispiel für eine solche Haftung außerhalb des Anwendungsbereichs der Prospekthaftung unrichtige mündliche Zusicherungen nennt, für die die Gründungsgesellschafter nach den §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2 BGB (und gegebenenfalls § 278 BGB) haften können (siehe BGH, Beschluss vom 27.04.2021, a.a.O.).

Soweit das Zitat aus dem Urteil 1 U 6/21 vom 24.11.2021 des OLG Bremen.

Vor dem unionsrechtlichen Hintergrund ist allerdings von einer erweiterten Anwendungsstruktur der Prospekthaftung auszugehen.

Die europäische Prospektverordnung regelt seit dem 21.07.2019 die Rechtsbeziehungen als Teil des öffentlichen Rechts zwischen Privaten. Damit kann auch die Verletzung von ESMA-Vorgaben und Aufsichtsregeln bei Prospekten eine Anspruchsgrundlage für die unionsrechtliche Prospekthaftung bilden.

In der EU-Prospektverordnung 2017/1129 vom 14. Juni 2017 ist betreffend die Prospekthaftung dasjenige wörtlich ausgeführt, was schon in der vorherigen Richtlinie 2003/71/EG vom 4. November 2003 (Primärrecht) formuliert worden war.

Mit der EU-Prospektverordnung vom 14. Juni 2017 wurde die ursprüngliche EU-Richtlinie vom 04. November 2003 durch eine wortgleiche Verordnung ersetzt. Eine EU-Verordnung wirkt unmittelbar und verdrängt gegenläufiges Sekundärrecht, während ein Richtlinientext Vorgaben für die rechtliche Umsetzung in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten skizziert.

Ein Rückwirkungsverbot der EU-Prospektverordnung dürfte es nicht geben, weil der Verordnungstext weitgehend dem Richtlinientext entsprach. Deshalb könnte die EU-Prospektverordnung auch rückwirkend auf vorherige Sachverhalte angewendet werden. Denn was dort in der Verordnung steht, entfaltete auch vorher schon rechtliche Wirkung in Gestalt einer Richtlinie. Die rechtliche Auslegung gegen eine Richtlinie darf nicht erfolgen. 

Fazit: Die mitgliedsstaatlichen Gerichte haben die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen und nationale Gesetze unter voller Ausschöpfung ihres Beurteilungsspielraumes in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Anforderungen auszulegen und anzuwenden. Die EU-Kommission stellte ihr im Juni 2021 eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland am 02.12.2021 wegen der Ultra-vires-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgrund einer Erklärung der Bundesregierung ein. Damit gelten der Vorrang und die Autonomie des EU-Rechts nach Meinung der deutschen Exekutive absolut und frei von rechtlichen Grauzonen. Die EU-Prospektverordnung 2017/1129 bietet Raum für eine verbraucherfreundliche Auslegung in Fragen der Prospekthaftung.

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