Übernahme eines Jugendauszubildendenvertreters (JAV) nach Beendigung der Ausbildung

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Gem. § 78 a BetrVG haben die JAV einen besonderen gesetzlichen Schutz. Dieser Schutz besteht darin, dass der JAV nach der Ausbildungszeit einen Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat.

I. Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis

Um eine unbefristete Übernahme zu beanspruchen, muss der JAV lediglich innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung verlangen. Hat er dies getan, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem JAV ein unbefristetes Arbeitsplatzangebot zu machen. Der Arbeitgeber kann zwar dem JAV gegenüber, spätestens drei Monate vor Beendigung der Ausbildungszeit, mitteilen, dass er diesen nicht übernehmen möchte, allerdings entbindet ihn diese Mitteilung nicht von der Pflicht den JAV zu übernehmen. Die Mitteilung sollte dennoch vorgenommen werden, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis des JAV im Wege einer Feststellungsklage gem. § 78 a Abs. IV BetrVG aufzulösen bzw. als nicht begründet zu betrachten (siehe Ausführungen unten). Unterlässt der Arbeitgeber die Mitteilung nämlich, so kann er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig machen (BAG 31.10.85 AP Nr.15 zu § 78a BetrVG 1972).

Beispiel: Die Ausbildungszeit endet zum 28.02.2010. Der Arbeitgeber müsste also spätestens bis zum 30.11.2009 dem JAV mitteilen, dass er diesen nicht übernehmen möchte. In unserem Beispielsfall vergisst der Arbeitgeber die Benachrichtigung. Der JAV, dem von einem anderen Arbeitgeber ein Arbeitsplatz angeboten wurde, welches dieser jedoch ausgeschlagen hat, teilt seinem Arbeitgeber gegenüber fristgerecht mit, dass er in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis überführt werden möchte. Der Arbeitgeber klagt fristgerecht und erfolgreich gegen die Beschäftigung, so dass der JAV keinen Arbeitsplatz erhält. In diesem Fall kann der JAV aufgrund der fehlenden Benachrichtigung Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Höhe würde sich nach den Umständen des Einzelfalles richten und von dem zuständigen Arbeitsgericht bestimmt werden.

II. Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht

Der Arbeitgeber kann die die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses kraft der gesetzlichen Fiktion des § 78 a Abs.2 BetrVG verhindern bzw. die Auflösung eines so begründeten Arbeitsverhältnisses durch eine Feststellungsklage erreichen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber rechtzeitig beim zuständigen Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren einleitet, durch welches die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung festgestellt wird. Der Antrag muss spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragt werden. Bei der Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Das bedeutet, dass bei Versäumung der Frist, die mittels Fiktion begründete Anstellung nicht mehr wegen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in Frage gestellt werden kann, auch wenn die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Gegenstand des Beschlussverfahrens ist allein die Frage, ob die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Die Gründe für die Unzumutbarkeit können in der Person des JAV (personen- oder verhaltensbedingte Gründe), aber auch durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein.

1. Personen- oder verhaltensbedingte Gründe

Nur grobe Verstöße gegen die Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis können eine Entbindung von der Weiterbeschäftigung rechtfertigen, hierbei kommen z.B. in Betracht: Tätlichkeit gegen den Arbeitgeber oder einen Mitarbeiter, Arbeitsverweigerung, unbefugte Arbeitsversäumnis usw. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass § 78a Abs. 4 BetrVG vom Wortlaut her an § 626 BGB angelehnt ist (....nicht zugemutet werden kann), jedoch im Rahmen des § 78 a Abs. 4 BetrVG die 2-Wochenfrist der §§ 626 Abs. 2 BGB und 22 Abs. 4 BBiG keine Rolle spielen.

Beispiel: Der JAV hat drei Monate vor Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses im Rahmen einer Auseinandersetzung einen Kollegen attackiert. Zwei Monate später erhebt der Arbeitgeber Klage und will vom Arbeitsgericht festgestellt wissen, dass eine Weiterbeschäftigung aufgrund des Vorfalls unzumutbar ist. Obwohl seit dem Angriff zwei Monate vergangen sind, kann der Arbeitgeber seine Gründe für die Klage auf den Übergriff stützen. Eine Kündigung gem. § 22 Abs. 4 BBiG hingegen wäre nicht mehr möglich. Die Unzumutbarkeit kann nicht darauf gestützt werden, dass andere Auszubildende die Prüfung besser bestanden haben. Jedoch kann Unzumutbarkeit vorliegen, wenn das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle eine besondere Qualifikation erfordert.

2. Dringende betriebliche Gründe

Bei den dringend betrieblichen Gründen können nicht die Maßstäbe einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 KSchG zu Grunde gelegt werden. Fehlen freie Arbeitsplätze, so ist eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber grds. unzumutbar (BAG 16.01.1979, 29.11.1989, 16.08.1995 und 06.11.1996). Bei dem fehlenden Arbeitsplatz ist umstritten, ob eine betriebsbezogene oder eine unternehmensbezogene Auswertung vorzunehmen ist.

Beispiel: Der Arbeitgeber hat einen Betrieb in Berlin und einen zweiten Betrieb in Mannheim. Der JAV hat seine Ausbildung in Berlin absolviert, wo jedoch kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist. In Mannheim hingegen wären Arbeitsplätze vorhanden und der JAV bereit nach Mannheim umzuziehen. Der Arbeitgeber möchte den JAV nicht weiterbeschäftigen, da er mit dessen Leistung während der Ausbildung nicht zufrieden war und erhebt daher eine Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, indem er sich darauf beruft, dass in Berlin keine freien Arbeitsplätze vorhanden sind. Der JAV signalisiert, dass in Mannheim freie Arbeitsplätze vorhanden sind und er auch bereit wäre dorthin zu ziehen. Würde man bei dem fehlenden Arbeitsplatz auf die Unternehmensebene abstellen, so wäre die Klage des Arbeitgebers abzuweisen, da im Unternehmen noch freie Arbeitsplätze vorhanden sind, nämlich in Mannheim. Stellt man auf die Betriebsebene ab, so wäre die Feststellungsklage begründet, da im Betrieb Berlin kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Das LAG Köln hat mit Beschluss vom 04.09.1996 (2 TaBV 25/96) zu dem Thema ausgeführt, dass es für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung allein auf die Frage ankomme, ob im Ausbildungsbetrieb ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, und nicht darauf, ob es freie Arbeitsplätze in anderen Betrieben des Unternehmens gibt. Das soll bereits daraus folgen, dass das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich betriebs- und nicht unternehmensbezogen ist. Auch Sinn und Zweck des § 78 a BetrVG sprechen für obige Auffassung. Andere Ansichten sind der Auffassung, dass eine unternehmensbezogene Beurteilung maßgeblich sei, da bereits bei einer ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb des Unternehmens die Sozialwidrigkeit der Kündigung auslöse, so müsse diese Möglichkeit die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines durch § 78 a BetrVG geschützten JAV erst recht ausschließen (so Fitting, Engels, Schmidt, Trebinger, Linsenmaier § 78 a BetrVG Rn. 54). Anzuschließen ist sich der Auffassung des LAG Köln, welche eine betriebsbezogene Beurteilung als richtig erachtet. § 78 a BetrVG soll neben dem Schutz des einzelnen Auszubildenden die Kontinuität des betriebsverfassungsrechtlichen Organs sicherstellen (BAG, NZA 1996, NZA Jahr 1996 Seite 493 = EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 23; ferner Kraft, Anm. zu BAG, EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 20; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 78a Rdnrn. 1ff.; Weigand, in: KR, § 78a BetrVG, Rdnr. 3 m.w. Nachw.; BAG, EzA BetrVG 1972 § 78a Nr. 5). Da § 78 a BetrVG den Sinn und Zweck hat die Beendigung der Mitgliedschaft in der Ausbildungs- und Jugendvertretung zu verhindern, würde eine unternehmensbezogene Betrachtung der Intention der Vorschrift zuwiderlaufen. Für den obigen Beispielsfall würde dies bedeuten, dass der Arbeitgeber den JAV nicht übernehmen muss.

Ihr Fatih Bektas - Rechtsanwalt

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel lediglich als erste Orientierungshilfe dient und in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt.


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