Umgangsrecht mit dem Kind in grenzüberschreitenden Fällen: zwischen Residenzmodell und Wechselmodell

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Im Laufe der letzten Jahre ist ein ständiger Anstieg der Zahl deutsch-polnischer Beziehungen zu vermerken. Leider fallen nicht alle erfolgreich aus.

Aber auch, wenn eine eheliche oder nicht eheliche Gemeinschaft scheitert, existieren in vielen Fällen Kinder, die zu ihrer normalen Entwicklung den regelmäßigen Zugang zu den beiden Elternteilen benötigen. In den Worten eines Psychologen: „Der Vater ist für das Kind eine genauso wichtige Person wie die Mutter, bereits ab dem Moment der Geburt.“

Sowohl im deutschen als auch im polnischen Familienrecht gilt in solchen Fällen regelmäßig das sogenannte Residenzmodell.

Das heißt, dass das Kind bei einem Elternteil verbleibt und der andere Elternteil das Recht und die Pflicht hat, sich mit dem Kind zu treffen [2]. Die statistischen Analysen der polnischen Rechtsprechung legen dar, dass in 40,7 % aller Fälle das Umgangsrecht dadurch realisiert wird, dass der eine Elternteil das Kind für das Wochenende, unter Ausschluss der Gegenpartei, mitnehmen darf. In 38,3 % aller Fälle wurden auch gemeinsame Sommer- oder Winterferien vereinbart. Jedoch nur in 2 % aller Fälle sei ein umfangreicherer Umgang gesichert, indem der berechtigte Elternteil das Kind mehrere Tage regelmäßig zu sich nehmen kann (das sogenannte Wechselmodell) [3]. In Deutschland „gibt es gar keine verlässliche Statistik“ [4].

Dies macht es klar, wie schwierig es sein kann, sein Recht auf Umgang mit dem Kind durchzusetzen. Aber es ist genauso klar, dass es Vätern (oder eben Müttern), die mehrere hundert Kilometer vom Kind entfernt wohnen, zwischen Deutschland und Polen pendeln müssen und häufig durch zahlreiche Verpflichtungen beschränkt sind, nicht zumutbar ist, etwa jede zweite Woche zum Treffen mit dem Kind, etwa am Wochenende, zu erscheinen. Erfahrungsgemäß führt dies dazu, dass das Kind bald die deutsche Sprache verlernt, sich gegenüber dem abwesenden Elternteil entfremdet und den Kontakt zu seiner deutschen Familie verliert. Dies alles, obwohl der Unterhalt regelmäßig gezahlt wird und der Elternteil, aufgrund großer Liebe gegenüber dem Kind, Interesse am Kontakt mit dem Kind hat.

Daher müssen hier andere Lösungen gefunden werden, wie z. B. ein beschränktes Residenzmodell, wonach das Kind zwar mit einem Elternteil die meiste Zeit verbringt, dennoch dem anderen Elternteil beträchtliches Umgangsrecht gewährt wird, welches ggf. auch flexibel ausgeübt werden kann.

Nur solche Lösungen gewährleisten den ausreichenden Kontakt auf der einen Seite und Praktikabilität auf der anderen Seite.

Wie sollte man hier entsprechend vorgehen?

Vor allem ist es wichtig zu verstehen, dass einige Personen versuchen, mit dem Kind ein quasi-Geschäft zu machen, mehr Unterhalt für mehr Kontakt zu fordern. Dazu trägt die uralte Überzeugung bei, alle deutschen Väter und Mütter seien wohlhabend. Immer häufiger wird das Recht auf Kontakt mit dem Kind beeinträchtigt, um sich an dem anderen Elternteil zu rächen.

Aber letztendlich existiert hier kein perfektes Rezept, außer sich nicht provozieren zu lassen und rechtlich dagegen entscheidend vorzugehen. Ein Kampf um ein beschränktes Residenzmodel kann schwierig sein, aber manchmal muss es dennoch im Interesse des Kindes durchgeführt werden.

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[1] M. Czub, „Specyfika relacji dziecka z ojcem w pierwszych latach życia z perspektywy teorii przywiązania”, [w:] Dziecko krzywdzone. Teoria, badania, praktyka Vol. 13 Nr 3 (2014), S. 88.

[2] Dies stellen die höchsten Gerichte beider Länder ausdrücklich klar, Vgl. z. B. BGH Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15, dennoch mit einer Beschränkung, dass „Die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells setze zudem die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus.“, was in der Praxis sehr häufig durch rachgierigen Elternteil genutzt wird sowie Urteil vom polnischen OGH: vom 7. November 2000, I CKN 1115/00, OSNC 2001 nr 3, poz. 50 mit Anmerkung von M. Korniłowicza, OSP 2001 nr 7-8, poz. 114 wo das Recht auf Umgang mit dem Kind dem Vater eingeräumt wurde, welcher vorher 8 Jahre sich für das Kind gar nicht interessierte.

[3] E. Holewińska-Łapińska, M. Domański, J. Słyk, Orzecznictwo w sprawacho wykonywanie kontaktów z dziećmi, IWS, Warschau 2015, S. 16.

[4] „Viele Eltern können sich das Wechselmodell nicht leisten“, ein Interview mit Stefan Rücker, Die Zeit, Ausgabe, 19. Juni 2017, verfügbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2017-06/scheidung-trennung-kinder-eltern-wechselmodell.


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