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Unfall mit Ansage bei DTM-Rennen – Wer haftet überhaupt bei Autorennen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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„Timo, schieb ihn raus“, kam es kurz vor Rennende über den Boxenfunk. Kurz darauf befanden sich beim DTM-Rennen von Spielberg gleich zwei Rennwagen von Mercedes im Kiesbett. Der Audi-Fahrer Timo Scheider hatte die Anweisung, so wie es aussah, in die Tat umgesetzt. Vor der nahenden Kurve schob sein Audi den Mercedes von Robert Wickens auf den von Pascal Wehrlein und beide flogen von der Strecke. Dafür nahm der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB) Scheider später aus der Wertung. Über den Unfall und dessen Folgen wird das DMSB-Sportgericht weiter entscheiden müssen – insbesondere drohen Sanktionen. Im Übrigen gelten für die Haftung bei Rennunfällen einige Besonderheiten.

Wer sich in die Gefahr begibt …

… kommt zum Glück nicht immer gleich darin um. Wer an Wettkämpfen teilnimmt, muss aber damit rechnen, dass sich die Gefahren verwirklichen und ein Schaden entsteht. Bei Autorennen droht das vorrangig durch zu nahe kommende Fahrzeuge, die zusammenstoßen oder auch ohne Kollision von der Strecke fliegen. Auch beim sogenannten Freien Fahren, wie es Rennstrecken wie der Nürburgring, Hockenheimring oder Lausitzring Privatleuten ermöglichen, sind immer wieder Unfälle zu beobachten. Landet jemand in der Leitplanke, müssen Geschädigte sich – anders als die Profis – selbst um die Schadensregulierung kümmern. Das wird nicht selten teuer. Daher treffen sich gerade Hobbyfahrer nach unfreiwilligen Crashs oder dem Verlassen der Strecke regelmäßig vor Gericht. Dort hat sich für solche (Un-)Fälle mittlerweile eine einschlägige Rechtsprechung herausgebildet.

Haftung stillschweigend ausgeschlossen

Die Gerichte gehen dabei davon aus, dass Teilnehmer ihre Haftung stillschweigend ausgeschlossen haben. Solange sich jeder an die Regeln hält, sei das jeweilige Gefahrenpotenzial und damit das Schadensrisiko ausgeglichen. Wer einen regelkonformen Schaden erleide, sei mehr oder minder zufällig. Jeder Teilnehmer wisse das und lasse sich dennoch darauf ein. Ohne abweichende Vereinbarung verzichte jeder stillschweigend darauf, für Schäden einzustehen. Schließlich könne es einen selbst genauso gut treffen, wie man andere treffen könne. Etwas anderes gelte nur, wenn jemand die Regeln dabei nicht nur geringfügig überschreitet.

Widersinniges Verhalten ist rechtsmissbräuchlich

Ursprünglich hatten die Gerichte dabei sportliche Kampfspiele wie Boxen oder Ringen im Blick. Bei diesen nehme jeder bewusst Verletzungen in Kauf. Es wäre widersinnig und damit rechtsmissbräuchlich, wenn jemand trotz dieser Kenntnis anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen könne, weil beispielsweise ein Zahn fehlt oder die Nase plötzlich krumm ist (BGH, Urteil v. 05.11.1974, Az.: VI ZR 100/73). Nach diesen besonders verletzungsträchtigen Sportarten folgte eine Ausweitung dieser Rechtsprechung auf kämpferische Sportarten mit erlaubtem Kontakt wie etwa Fußball oder Eishockey wie auch vorwiegend kontaktlose Sportarten wie Basketball.

Autorennen ist wie Boxen zu behandeln

Im Jahr 2003 übertrug der Bundesgerichtshof (BGH) sie dann auch auf Autorennen (BGH, Urteil v. 01.04.2003, Az.: VI ZR 321/02). Als Autorennen gelten Veranstaltungen, bei denen es auf das Erreichen von Höchstgeschwindigkeiten ankommt – entsprechende Übungsfahrten eingeschlossen. Lediglich Fahrsicherheits-Trainings blieben bei dieser Definition außen vor.

Im BGH-Fall ging es dabei um eine sogenannte Gleichmäßigkeitsprüfung. Gewinner war, wer es schaffte, auf dem Hockenheimring innerhalb von 20 Minuten möglichst zwei zeitgleiche Runden zu absolvieren. Pro Hundertstelsekunde Abweichung gab es einen Minuspunkt. Falls mehrere Fahrer das gleiche Ergebnis erzielten, sollte der mit den meisten Runden und bei gleicher Rundenanzahl der mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit Sieger sein. Letztlich kam es also auch bei dieser Veranstaltung auf die Höchstgeschwindigkeit an. Denn je schneller jemand war, umso mehr Runden konnte er einerseits fahren und so die Chance auf zwei zeitgleiche Runden erhöhen. Andererseits war bei gleichem Ergebnis die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit mitentscheidend. Ein teilnehmender Porschefahrer geriet dabei von der Strecke ab und kollidierte mit einem anderen teilnehmenden Auto, dessen Eigentümer daraufhin klagte. Allerdings blieb die Klage wegen der bereits dargestellten Rechtsprechung ohne Erfolg.

Haftpflichtversicherung soll nicht profitieren

Diese Rechtsprechung erfuhr im Jahr 2008 abermals eine entscheidende Einschränkung durch den BGH. Im Sachverhalt ging es dabei um ein Fahr- und Sicherheitstraining auf dem Hockenheimring. Dabei war es auf regennasser Fahrbahn in einer Kurve zu einem Auffahrunfall zwischen zwei Audi RS gekommen. Die Vorinstanzen nahmen einen stillschweigenden Haftungsausschluss an. Demnach hätte auch die Haftpflichtversicherung des Schädigers nicht zahlen müssen. Dass Teilnehmer stillschweigend auch ihre jeweilige Versicherung entlasten wollten, ging aus Sicht des BGH zu weit. Schließlich versichere sich jemand ja gerade gegen mögliche Schadensfälle. Insofern stehe ein vorhandener Versicherungsschutz einem Haftungsausschluss entgegen.

Versicherungsschutz bei Autorennen

Fallentscheidend war dabei jedoch, dass es sich um kein Autorennen handelte, für das der Versicherungsschutz entfallen wäre (BGH, Urteil v. 29.01.2008, Az.: VI ZR 98/07). Einschlägige, eine Leistungsfreiheit vorsehende Versicherungsbedingungen stellten nämlich gerade auf die Geschwindigkeit und damit den Renncharakter ab. Zugunsten Versicherter müssten solche Ausnahmeregeln vom Versicherungsschutz aber eng ausgelegt werden. Insofern überwog hier der Zweck des Fahrsicherheitstrainings. Zu diesem gehöre zwar auch das Erlernen der Fahrzeugkontrolle unter extremen Bedingungen wie hoher Geschwindigkeit. Eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen, bildete dabei aber nur das notwendige Mittel zum Zweck und nicht den maßgeblichen Hauptzweck wie bei einem Autorennen, bei dem es um eine Platzierung geht.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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