Unterhalt, Elternunterhalt erst ab einem Bruttoeinkommen von 100.000,00 EUR

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Das Angehörigen-Entlastungsgesetz (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 46, ausgegeben am 12.12.2019, Seite 2135, Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe) ist jüngst vom Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat hat zugestimmt.

Die meisten Kinder zahlen nach Aufforderung durch das Sozialamt anstandslos, obwohl viele Zahlungsaufforderungen nicht gerechtfertigt sind.

Erhalten Sie eine solche Zahlungsaufforderung, ist zu raten, diese sofort anwaltlich überprüfen zu lassen. Die Eltern müssen zunächst ihr eigenes Vermögen verbrauchen, vorher sind sie nicht bedürftig (§ 1602 BGB). Oft fehlen in den Zahlungsaufforderungen Angaben über weitere Verwandte. Denn auch uneheliche Kinder sind unterhaltspflichtig. Auskunftsfristen (Vorlage von Belegen über Einkommen u. ä.) sind oft zu kurz gesetzt und gar nicht gesetzlich geregelt (§ 1605 BGB). Ehepartner müssen separat angeschrieben werden. Verweise auf § 117 SGB II, die wirken, als müsse der Ehepartner Angaben über Vermögen und Einkommen des anderen machen, sind unzulässig. Es muss außerdem eine Widerspruchsbelehrung erfolgen. Sie sind nur unterhaltspflichtig, wenn Sie leistungsfähig sind (§ 1603 BGB).

Unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe werden künftig erst bei Überschreitung eines Jahresbruttoeinkommens von 100.000,00 EUR vom Sozialhilfeträger zur Zahlung von Unterhaltsleistungen herangezogen. Diese Grenze galt bislang ausschließlich für Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung). Sie wird nun auf das gesamte SGB XII ausgeweitet.

Eine Ausnahme gilt für Eltern minderjähriger Leistungsbezieher, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII erhalten, da sie andernfalls eine Privilegierung der Eltern beim Lebensunterhalt für minderjährige Kinder darstellen würde. Der Rückgriff auf Eltern volljähriger behinderter Kinder entfällt in der Eingliederungshilfe künftig vollständig. Darüber hinaus erfolgt auch eine entsprechende Anpassung der Regelungen für Betroffene im Sozialen Entschädigungsrecht.

Von einer Übertragung der neuen Regelung zum Unterhaltsrückgriff auch auf Ehegatten wird wegen deren besonderen gegenseitigen familiären Einstandspflicht abgesehen. Im SGB XII wird dieser besonderen Verpflichtung durch das Institut der Einstandsgemeinschaft (§ 27 Abs. 2 SGB XII) Rechnung getragen. Leben Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt, ist das Einkommen beider Ehegatten bei der Frage einer eventuellen Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Die Frage einer Heranziehung als Unterhaltsverpflichteter durch den Träger der Sozialhilfe stellt sich hier gar nicht. Liegt das Kind unter der 100.000-EUR-Grenze, ist es nicht zahlungspflichtig. Andernfalls prüft das Amt auch das Einkommen des Ehepartners. Der Mindestselbstbehalt für Ehepaare beträgt nun 3.600,00 EUR. Eine Einzelperson hat einen Mindestselbstbehalt von 2.000,00 EUR. Die Unterhaltspflicht greift, sobald das Einkommen die 100.000-EUR-Grenze übersteigt, ohne Übergangsbereich.

Das Sozialamt legt die steuerlichen Angaben zum Einkommen zugrunde (Steuerbescheid). Sie können also Zahlungen einstellen, sofern Sie über der genannten Einkommensgrenze liegen. Wurde eine Zahlungspflicht gerichtlich tituliert, müssen Sie eine Abänderung des Titels beantragen, auch wenn Sie über der Einkommensgrenze liegen.

Die sozialhilferechtliche Unterhaltsheranziehung erfolgt nur im Rahmen der eigenen unterhaltsrechtlichen Verpflichtung. Dasjenige Kind, das die 100.000-EUR-Grenze mit seinem Einkommen überschreitet, wird also vom Träger der Sozialhilfe nur insoweit herangezogen, als auch ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch des bedürftigen Elternteils gegen eben dieses Kind besteht. Mehrere Geschwister haften dabei grundsätzlich prozentual anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen und nicht nach Kopfteilen.

Es gilt die gesetzliche Vermutung, dass das Kind die genannte Einkommensgrenze unterschreitet. Das Amt wird daher erst Nachforschungen anstellen, wenn es Anhaltspunkte erfährt, die auf ein höheres Einkommen schließen lassen.

Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen, München

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein


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