Unterhalt für die Berufsausbildung der Kinder: Was genau schulden die Eltern ihrem Kind?

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Unterhalt Berufsausbildung Eltern

Gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1610 BGB sind Eltern zum Ausbildungsunterhalt verpflichtet. Dies bedeutet, dass die Eltern ihren Kindern, auch wenn sie mittlerweile bereits volljährig geworden sind, eine angemessene Ausbildung zu einem Beruf zu finanzieren haben. Sie sind verpflichtet, die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zu übernehmen.

Aber wie hoch kann dieser Anspruch des Kindes sein? Dies hängt von mehreren Faktoren ab.

Angemessenheit des Ausbildungsunterhalts

Das Hauptziel der Unterhaltspflicht der Eltern ist eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung des Kindes. Daher soll Ausbildungsunterhalt angemessen sein.

Einerseits soll die Ausbildung Begabung, Fähigkeiten, Leistungswillen und Neigungen des Kindes entsprechen. Weder Gesetz noch die Rechtsprechung geben eine universelle Antwort darauf, wie dies genau zu ermitteln ist. Das einzige objektive Kriterium ist das Zeugnis, dass üblicherweise als Indiz für das geistige Leistungsvermögen des Kindes herangezogen wird. Andererseits soll die Höhe der Ausbildungskosten der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen,
 § 1603 BGB. Bei beispielsweise beengten oder prekären wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern muss sich das unterhaltsberechtigte Kind gegebenenfalls auf eine weniger kostspielige Ausbildung oder einen preiswerteren Ausbildungsort beschränken. Bei günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen darf sich das Kind u.U. für einen dauerhaften Studiengang entscheiden. Es gilt ein sog. Gegenseitigkeitsprinzip aus § 1618a BGB. Die persönlichen Lebensumstände spielen auch eine Rolle. Lebt das Kind noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils, bemisst sich der Unterhaltsbedarf nach dem Einkommen der Eltern. Hat das (volljährige) Kind bereits einen eigenen Haushalt, ist von einem festen monatlichen Bedarfssatz auszugehen (mit Ausnahme von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherung und Studiengebühren).

Berufswahl des minderjährigen/volljährigen Kindes

Die konkrete Art von Ausbildung wird von den Eltern bestimmt, wenn das unterhaltsberechtigte Kind noch minderjährig ist. Gem. § 1626 Abs. 2 S. 2 BGB darf das Kind entsprechend seiner Einsichtsfähigkeit an dem Entscheidungsprozess teilnehmen.

Ist das Kind bereits volljährig, kann er seine Berufswahl allein treffen, auch gegen Willen der Eltern. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass die Eltern nur einen angemessenen Ausbildungsunterhalt schulden: Sie schulden nicht die Finanzierung irgendeiner Ausbildung. Sie sind vielmehr nur zu Förderung der Ausbildung zu einem anerkannten Beruf verpflichtet. Während der Ausbildung gelten die Kinder weiterhin als bedürftig, § 1602 Abs. 1 BGB, so dass grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch besteht.

Zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt

Das Gesetz kennt beim Kind keine Befristung des Unterhaltsanspruchs auf die voraussichtliche Ausbildungsdauer. Die Eltern sind grundsätzlich verpflichtet nur eine Ausbildung zu finanzieren. Der Ausbildungsweg kann allerdings aus mehreren Abschnitten bestehen und trotzdem einheitlich sein, so OLG Bremen (OLG Bremen, Beschluss vom 19.10.2021 – 4 UF 59/2). Dies ist nach der Auffassung des OLG Bremen dann zu bejahen, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. So war es auch in diesem Fall – der Studierende hat einen „Realschul-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschul“-Ausbildungsweg gewählt. Nach dem Realschulabschluss hat er Ausbildung als Bauzeichner gemacht und später das Architekturstudium begonnen. Der Antragsgegner – der leibliche Vater – hat Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass es an einem notwendigen Zusammenhang zwischen der Beendigung der Ausbildung und der Aufnahme des Studiums fehle. Da die Ausbildung als Bauzeichner eine Vorbereitung aufs Architekturstudium darstellt, ist ein sachlicher Zusammenhang unproblematisch gegeben. Allerdings lagen zwischen dem Realschulabschluss und der Aufnahme des Architekturstudiums 8 Jahre. Das Oberlandesgericht hat dessen ungeachtet in seinem Urteil auch einen zeitlichen Zusammenhang bejaht: Es sei auch von einem einheitlichen Ausbildungsweg auszugehen, wenn die Zeit zwischen zwei Ausbildungsstufen auf „zwangsläufige, dem Kind nicht anzulastende Umstände zurückzuführen ist“ (z.B. Abbruch des Studiums aufgrund familiärer Konflikte). Das Kind hatte auch von Anfang an die Absicht, nach dem Erwerb der Hochschulreife mit dem Studium zu beginnen. Dies war für OLG Bremen auch ein wichtiges Kriterium, um die Einheitlichkeit des Ausbildungsganges festzustellen. Der Antragsgegner sei zum Unterhalt für die gesamte Ausbildungsdauer verpflichtet, so OLG Bremen.

Wartezeit zwischen Beendigung der Schule und Aufnahme der praktischen Ausbildung/des Studiums

Darüber hinaus ist fraglich, ob die Eltern das Kind auch in Wartezeiten zwischen dem Schulabschluss und dem Ausbildungs- oder Studienbeginn finanziell zu fördern haben. Ein Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass nach dem Abitur dem Kind eine sog. „Orientierungspause“ ca. 1 Jahr einzuräumen, so OLG Naumburg (OLG Naumburg, Beschluss vom 10. 5. 2007 - 4 UF 94/07). Die Wartezeit als solche ist vom § 1610 Abs. 2 BGB nicht mitumfasst. Während einer Wartezeit, nach Ablauf der Orientierungsphase, hat das volljährige Kind somit selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Der andere Teil der Rechtsprechung wendet ein, dass es zwischen Abitur und Studienbeginn keine Erwerbsobliegenheit des Kindes gegeben sei. So dass die Eltern auch in Wartezeit unterhaltspflichtig bleiben, so OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 21. 12. 2005 - 11 UF 218/05). 

Die Eltern sind verpflichtet, die Berufsausbildung ihrer Kinder zu finanzieren. Allerdings ist diese Pflicht der Eltern und Unterhaltsanspruch der Kinder nicht grenzenlos. Es ist nur angemessener Unterhalt zu einem anerkannten Beruf geschuldet. Ist es unklar, ob die einzelnen Ausbildungsabschnitte einen einheitlichen Ausbildungsweg des Kindes darstellen, ist zuerst zu ermitteln, aus welchem Grund die (Ausbildungs – oder Studien-) Pausen entstanden sind. Und ob das unterhaltsberechtigte Kind die Aufnahme des Studiums ernsthaft beabsichtigte. Im Zweifel sollen aber die Eltern nach dem Abitur mit der Aufnahme des Studiums rechnen.

Foto(s): ©Adobe Stock/ industrieblick

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