Unwirksame Ausschlussklausel: Wenn der Ausschluss ausgeschlossen ist...

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden:

Die - in vielen Arbeitsverträgen zu findende - pauschale Klausel, nach der "alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis" verfallen sollen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen eingeklagt werden, ist in dieser Form nichtig (BAG, Urteil vom 26.11.2020 – 8 AZR 58/20).


Ausschluss- oder Verfallklauseln und der Sinn dahinter

Sogenannte Ausschlussklauseln sind in Arbeitsverträgen üblich und sie tragen anerkanntermaßen dem im Arbeitsrecht allgemein geltenden Beschleunigungsgebot Rechnung. Schließlich arbeiten Chefs* mit Untergebenen* und Mitarbeiter* mit Kollegen* zusammen - oder gegeneinander, je nachdem. Daher sollen Konflikte schnell geklärt werden. Sei es, weil schwelende Meinungsverschiedenheiten ein fortlaufendes Arbeitsverhältnis zusätzlich belasten oder - etwa bei der Frage der Kündigung - weil der Gesetzgeber (z.B. mit der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang ein Kündigung und einer schnellen Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht) der aus der Berufstätigkeit zwangsläufig verbundenen Mehrschichtigkeit des Streitverhältnisses Rechnung getragen hat. Wo Menschen aufeinandertreffen, zumal am Arbeitsplatz, da menschelt es manchmal ganz arg. Die Parteien sollen sich im eigenen Interesse baldmöchlichst darüber klar werden, ob und wie ein Streit geführt wird. Es geht in der Sache daher um nicht weniger als Rechtsfrieden, der - wenn er vertraglich wirksam vereinbart ist - sogar weit vor den Regeln über die Verjährung von Ansprüchen einsetzen soll, wenn die betroffene Partei nicht rechtzeitig ihre rechtlichen Interessen wahrnimmt.


Regelungen und ihre Grenzen

Im entschiedenen Fall ging es um Schadenersatzansprüche in Höhe von 101.372,72 EUR, die die Beklagte (= Arbeitgeberin) gegenüber einer gekündigten Arbeitnehmerin (= Klägerin) im Rahmen einer Widerklage verfolgte und die streitige Vertragsklausel lautete: "Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen." So (oder ähnlich) wird das vielleicht vielen bekannt vorkommen.

Da grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht, sind Ausschlussfristen auch grundsätzlich frei verhandelbar. Sie unterliegen aber einerseits im Hinblick auf zwingendes Recht für bestimmte Ansprüche gesetzlich vorgesehenen Unabdingbarkeitsvorschriften und werden andererseits - bei Verwendung von Formulararbeitsverträgen (was den Regelfall darstellt) - vielfach inhaltlich beschränkt. So z.B. wenn bei einer sog. einstufigen Ausschlussklausel die Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten geregelt wird (vgl. BAG vom 12.03.2008 – 10 AZR 152/07) oder - auch diese Klausel treibt manchmal noch ihr Unwesen - wenn die "schriftliche" Geltendmachung verlangt wird; nach der zum 01.10.2016 in Kraft getretenen Neufassung von § 309 Nr. 13 lit. b) BGB sind allerdings Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, die für Anzeigen oder Erklärungen des Arbeitnehmers eine strengere Form als die "Textform" (= E-Mail, SMS, WhatsApp u.ä.) vorsehen. Wichtig: ist die Klausel unwirksam - das größere Risiko hierfür trägt der "Verwender" von AGB (im Regelfall der Arbeitgeber, der den Vertrag vorformuliert) -, gilt überhaupt keine Ausschlussfrist. Es gelten die "normalen" Regeln über die Verjährung. Erfahrungsgemäß macht es so z.B. dem Arbeitgeber wenig Freude, wenn ein früherer Arbeitnehmer nach zwei Jahren und elf Monaten einen Anspruch einklagt (z.B. auf Urlaubsabgeltung), obwohl das Arbeitsverhältnis schön längst beendet ist.


Das BAG und sein Richtungswechsel


Im dem nunmehr vom BAG entschiedenen Fall war die Klägerin und Widerbeklagte als kaufmännische Angestellte der Beklagten beschäftigt. Der Klägerin oblag die Finanz- und Lohnbuchhaltung, die sie auf Anweisung ihres damaligen Ehemannes durchführte, der bei der Beklagten als Kommanditist und Geschäftsführer tätig war und daneben auch bei einer Luxemburger Gesellschaft als Geschäftsführer. Mitte August 2017 wurde bei der Beklagten festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin mehrfach private Rechnungen mit Firmengeldern der Beklagten und der luxemburgischen Gesellschaft beglichen hatte. Die Überweisungen wurden von der Klägerin gebucht. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin.

Die Kündigung war zwar wirksam, aber über die streitigen Schadenersatzansprüche muss noch entschieden werden, obwohl der schadenbegründende Sachverhalt im Jahre 2016 spielt und die Widerklage erst im Dezember 2017 erhoben wurde - und damit jedenfalls deutlich außerhalb des im Arbeitsvertrag geregelten Zeitrahmens. Hierauf berief sich die Klägerin.

Der Rechtsstreit wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, allerdings erteilte das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 26.11.2020 folgende Hinweise: Das BAG ist nun entgegen seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 20.06.2013 - 8 AZR 280/12) der Ansicht, dass Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung von einer pauschalen Ausschlussklausel in AGB i.S.v. § 310 III Nr. 2 BGB – wie § 13 des obigen Arbeitsvertrags – erfasst sind. Sie müssen künftig also ausdrücklich vom geregelten Ausschluss ausgenommen werden, sonst ist die Klausel insgesamt nichtig. Und wichtig ist noch ein anderer Punkt: der Arbeitgeber als Verwender muss die Klausel nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen. D.h. er kann sich auf die Unwirksamkeit berufen, obwohl er diese Klausel selbst in den Arbeitsvertrag aufgenommen hat.

Einmal mehr zeigt sich, dass auf die Vertragsgestaltung besonderes Augenmerk gelegt werden sollte.

Ihr

Tibor E. Jakab

*Dem Autor ist das AGG bekannt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine Klarstellung, dass damit immer auch die Formen m/w/d gemeint sind, verzichtet. Eine Diskriminierung ist damit nicht beabsichtigt.




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