Update: Rückforderung und Erstattung gewährten Kurzarbeitergelds vom Arbeitgeber

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Nach Abebben der Coronavirus-Pandemiesituation stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich nach Erlass des Anerkennungsbescheides herausstellt, dass die vom Arbeitgeber in der Anzeige angegebenen Tatsachen und Umstände nicht vorgelegen haben oder sich nachträglich ändern. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Arbeitsagentur die Bewilligung von Kurzarbeitergeld rückwirkend wieder aufheben kann, ist Thema der nachfolgenden Ausführungen. 

Vor Monaten habe ich bereits auf das drohende Szenario hingewiesen: Rückforderung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit. Schnell kommen fünf- bis sechsstellige Beträge zusammen, die die  Arbeitsagentur erstattet verlangt, so die bisherigen Erfahrungen. Eines vorweg: Die ersten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nach der Flutwelle von Anerkennungs- und Leistungsbescheiden haben gezeigt, dass die Arbeitsagenturen handwerkliche Fehler machen.

Die Zahl der Arbeitnehmer, die sich in Kurzarbeit befinden, ist deutlich gesunken. Waren im Januar 2021 3,3 Mio. Arbeitnehmer in Kurzarbeit, so waren es im Januar 2022 nur noch 650.000 Arbeitnehmer. Die Arbeitsagenturen hatten und haben also Zeit, von den Arbeitgebern Nachweise über die Voraussetzungen für die Erbringung von Kurzarbeitergeld gem. § 320 SGB III zu verlangen. Hieraus resultieren zum Teil Rücknahme - und Erstattungsbescheide sowie Bescheide, die einen Schadensersatzanspruch feststellen.

Nachfolgend zeige ich auf, auf welchem Weg Kurzarbeit anzuzeigen und Kurzarbeitergeld zu beantragen ist. Es folgt die Darstellung der möglichen Rückforderung und die hiermit verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten. Ohne Verständnis von Anzeige und Antrag lässt sich nicht nachvollziehen, wie erfolgreich sich der Arbeitgeber der Rückforderung entgegenstellen kann.

1. Anzeige

Den Arbeitgeber trifft die Verpflichtung, den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen. In der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Die Anzeige löst zunächst die Pflicht der Arbeitsagentur aus, dem Arbeitgeber unverzüglich einen Bescheid (Anerkennungsbescheid) darüber zu erteilen, ob aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Anerkennungsbescheid der Arbeitsagentur gibt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Zusicherung, dass bei Nachweis der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen sowie dem Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen nach fristgerechter Antragstellung für die Zeit des Arbeitsausfalls Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Aufgrund dieser Zusicherung erfolgt aber gerade noch keine Leistungsgewährung. Da der Bescheid künftige Ereignisse betrifft, entfaltet er Wirkung nur, wenn diese Ereignisse auch tatsächlich eintreten.

2. Antrag

An das Anerkennungsverfahren schließt sich das eigentliche Bewilligungsverfahren von Kurzarbeitergeld an. Mit dem über die Anzeige hinaus zusätzlich erforderlichen Leistungsantrag wird das eigentliche Ziel, die Bewilligung des Kurzarbeitergeldes durch einen Leistungsbescheid, begehrt. Der Leistungsantrag wird durch den Arbeitgeber gestellt. Der Antrag setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung voraus. Die Arbeitsagentur entscheidet hierüber durch Leistungsbescheid für den beantragten Zeitraum und bewilligt das Kurzarbeitergeld für die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer.

3. Rückforderung von Kurzarbeitergeld

a. Rücknahmebescheid

Unterschiedliche Fallkonstellationen können der Arbeitsagentur Anlass geben, Kurzarbeitergeld zurückzufordern. Ob die Forderung berechtigt ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Variante 1:

Fallen die Voraussetzungen für den Anerkennungsbescheid nach seinem Erlass fort, wird zum Beispiel der Betrieb geschlossen und ist damit der Erhalt der Arbeitsplätze nicht mehr möglich, so ist der Anerkennungsbescheid gem. § 48 SGB X für die Zeit ab Wegfall der Voraussetzungen aufzuheben. Der Zeitpunkt für den Wegfall der Voraussetzungen dürfte nicht erst die Betriebsschließung sein, sondern schon der Zeitpunkt, ab dem feststeht, dass die Arbeitsverhältnisse nicht mehr gesichert werden können.

Dass im Fall der Betriebsschließung kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, leuchtet ein. Der Anerkennungsbescheid ist aufzuheben, ebenso die darauf beruhenden Leistungsbescheide.

Variante 2:

Beruht der Anerkennungsbescheid auf fehlerhaften Angaben, so ist er gem. §§ 45 I,  II 3 SGB X iVm § 330 II SGB III auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Treten dagegen die im Antrag gemachten Angaben des Arbeitgebers, auf denen der Anerkennungsbescheid fußt, ein, so kann er nicht allein wegen eines Rechtsirrtums der Arbeitsagentur für die Vergangenheit aufgehoben werden, für die Zukunft nur unter den engen, das Vertrauen schützenden Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X iVm § 330 SGB III. 

Bei fehlerhaften Angaben ist der Fall schon anders gelagert. Nicht jede fehlerhafte Angabe führt zur Rücknahme der Bescheide. Vertrauensschutz ist zu beachten, insbesondere wenn der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld an die Arbeitnehmer ausgekehrt hat, was in der Regel der Fall sein dürfte. Ein Rechtsirrtum der Arbeitsagentur hinsichtlich des erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen rechtfertigt nicht die Aufhebung des Anerkennungsbescheids. Denn die Fakten haben sich nicht geändert. Der Arbeitgeber hat wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Die Arbeitsagentur hat diese aber rechtsirrig bewertet.

Variante 3:

Erlangt die Arbeitsagentur später von Fakten Kenntnis oder hat sie bei vollständiger Information nur ihre rechtliche Beurteilung geändert, ist allein § 45 SGB X, die Rücknahme eines begünstigenden, rechtwidrigen Bescheids einschlägig. Hier sieht § 45 II SGB X eine hinreichende Abwägung mit dem Vertrauensschutz vor. Hat der Arbeitgeber im Vertrauen auf den Anerkennungsbescheid das Kurzarbeitergeld schon ausgezahlt, dürfte die Abwägung meist zu seinen Gunsten ausgehen, wenn er wahrheitsgemäß und vollständig die abgeforderten Angaben gemacht hat.

In der Praxis ist immer wieder zu sehen, dass die Arbeitsagentur nur den Leistungsbescheid über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld aufhebt, nicht aber den Anerkennungsbescheid. Da dieser die rechtliche Grundlage für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld ist, sind solche Aufhebungsbescheide rechtswidrig. Ohne Aufhebung des Anerkennungsbescheids entfallen in den allermeisten Fällen nicht die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbescheid. Mit Erfolg kann also der Aufhebungsbescheid hinsichtlich der Leistung von Kurzarbeitergeld (Leistungsbescheid) angegriffen werden, da der Anerkennungsbescheid nach wie vor Bestand hat.

Die Rücknahme eines Anerkennungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit setzt gemäß § 45 IV 1 iVm II S 3 SGB X unrichtige Angaben und Bösgläubigkeit bei den Begünstigten voraus. Begünstigte und Anspruchsinhaber sind bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld die Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wird lediglich als Verfahrensstandschafter für die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer tätig. Da bei einer Aufhebung des Anerkennungsbescheides aber die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Gewährung von Kurzarbeitergeld betroffen wären, kommt es bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Rücknahme oder Aufhebung des Anerkennungsbescheides gemäß §§ 45, 48 SGB X iVm § 330 III SGB III nicht auf die Bösgläubigkeit des Arbeitgebers, sondern auf die Bösgläubigkeit der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer an. Diese sind jedoch in der Regel nicht bösgläubig und müssen sich eine Bösgläubigkeit und unzutreffende Angaben ihres Arbeitgebers grundsätzlich nicht zurechnen lassen, weil sie keinen Einfluss auf sein Verhalten haben. Die Arbeitnehmer, die Anspruchsinhaber des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld sind, sind an dem Verwaltungsverfahren der Anzeige und der Antragstellung beim Kurzarbeitergeld nicht beteiligt. Anders als bei einer Vertretung aufgrund einer Vollmacht wird ihnen die Prozessstandschaft durch den Arbeitgeber nach den gesetzlichen Regelungen aufgezwungen.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass viele Rücknahmebescheide rechtswidrig sind, da Arbeitnehmer als Begünstigte nicht bösgläubig sind. In der Praxis sind vielfach derartige Bescheide anzutreffen. Die Arbeitsagentur hat Ihre Aufgaben nicht gemacht. Widerspruch und spätestens Klage werden zur Aufhebung des Rücknahmebescheids führen.

Ein ausnahmsweise rechtmäßiger Rücknahmebescheid scheitert spätestens bei der Erstattung gem. § 50 SGB X. Rücknahme- und Erstattungsbescheid ergehen zumeist in einem Bescheid. Das BSG hat schon 1998 festgestellt, dass § 50 SGB X keine Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch sein kann, da nicht der Arbeitgeber, sondern der einzelne Arbeitnehmer der Begünstigte ist.

b. Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber

Wie aufgezeigt, gestaltet sich die Rückabwicklung der Leistungsgewährung von Kurzarbeitergeld äußerst kompliziert, weil die eigentlich leistungsberechtigten Arbeitnehmer, denen auch die Leistung zufließt, nicht in unmittelbaren Verfahrenskontakt mit der Arbeitsagentur treten, die Anzeigen- und Antragsbescheide vielmehr nur gegenüber dem Arbeitgeber ergehen. Der Arbeitgeber kann im Verhältnis zur Arbeitsagentur auch eigenständige Fehler und Pflichtverletzungen begehen, die nicht den Arbeitnehmer anzulasten sind. In diesen Fällen hat das Gesetz deshalb zwei besondere Ansprüche der Arbeitsagentur gegen den Arbeitgeber normiert:

– Ersatzanspruch gem. § 108 III SGB III, wonach rechtswidrig geleistetes Kurzarbeitergeld zurückzugewähren ist, wenn der Arbeitgeber oder eine von ihm bestellte Person die Tatbestände des § 45 II 3 SGB X verwirklicht (vor allem falsche Angaben und Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids. Da es sich bei dem Ersatzanspruch auch um eine Sanktion wegen schuldhafter Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten handelt, ist es gerechtfertigt, das Mitverschulden der Arbeitsagentur analog § 254 BGB zu berücksichtigen. Soweit die Arbeitsagentur die Rechtswidrigkeit der Gewährung von Kurzarbeitergeld schuldhaft mit verursacht hat, mindert dies also die Ersatzpflicht des Arbeitgebers entsprechend.

– Schadensersatz gem.  § 321 Nr. 3 iVm § 320 I SGB III, wenn der Arbeitgeber seine Benachrichtigungs- und Aufzeichnungspflichten schuldhaft verletzt hat. Der Anspruch korrigiert Verfahrensfehler der Leistungsgewährung. Der Arbeitgeber haftet auch für leichte Fahrlässigkeit.

c. Vorläufige Bewilligung von Kurzarbeitergeld

Die Arbeitsagentur ist nach § 328 I 1 Nr. 3 SGB III berechtigt, über die Erbringung von Geldleistungen im Fall des Kurzarbeitergeldes vorläufig entscheiden und Kurzarbeitergeld vorläufig auszahlen, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Dabei sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit durch die Arbeitsagentur im Bescheid anzugeben. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, ist das aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber gemäß § 328 III 2 SGB III zurückzuzahlen. Der erstattungspflichtige Arbeitgeber kann sich in diesem Fall nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er die Vorläufigkeit der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes kannte.

4. Fazit

Die Arbeitsagentur kann nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen den Anerkennungs- und Leistungsbescheid aufheben bzw. zurücknehmen. Das an den Arbeitgeber gezahlte und von diesem an die Arbeitnehmer ausgekehrte Kurzarbeitergeld kann die Bundesagentur mangels Bösgläubigkeit des Arbeitnehmers nicht erstattet verlangen. Formale Fehler der Arbeitsagentur sorgen selbst bei schlechter Ausgangslage für einen rechtlichen Erfolg.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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