Urlaubskürzung nach Kurzarbeit?

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Die Corona-Pandemie stellt im Arbeitsalltag hohe Anforderungen auch an Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Auch rechtlich wirkt die Pandemie sich in ebenso großem Maße aus. So stellt sich in Folge der Corona-Pandemie und der in diesem Zusammenhang zuletzt häufig in Anspruch genommenen Möglichkeit der Kurzarbeit die Frage, ob diese sich auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer auswirkt. Kann z. B. der Jahresurlaub gekürzt werden, wenn Kurzarbeit angeordnet war?

Mit der Antwort auf diese Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) beschäftigt.

Demnach ist die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs dann rechtmäßig, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen (vgl. Quelle: BAG, Pressemitteilung Nr. 41/21 v. 30.11.2021).

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin ist bei der Beklagten drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt (a. a. O.). Bei einer Sechs-Tage-Woche hätte ihr arbeitsvertraglich ein Jahresurlaub von 28 Werktagen zugestanden (a. a. O.). Das entsprach bei der vereinbarten Drei-Tage-Woche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen (a. a. O.).

Aufgrund des durch die Corona-Pandemie verursachten Arbeitsausfalls  führte die Arbeitgeberin Kurzarbeit ein, wozu eine Kurzarbeitsvereinbarungen getroffen wurde, auf deren Grundlage die Klägerin u. a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete (a. a. O.).

Wegen der Kurzarbeit nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs der Klägerin vor und bezifferte deren Jahresurlaub für 2020 auf nur noch 11,5 Arbeitstage (a. a. O.).

Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage und vertrat die Auffassung, dass Arbeitstage, die wg. Kurzarbeit ausgefallen seien, urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden müssten, weshalb die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den Urlaub zu kürzen (a. a. O.). Für das Jahr 2020 stünden ihr daher trotz Arbeitsausfalls/Kurzarbeit insgesamt 14 Urlaubstage zu (a. a. O.). In den Vorinstanzen war die Klage erfolglos.

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts wurde nun auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe nach Auffassung des BAG keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage bzw. insgesamt 14 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 (a. a. O.).

Gemäß der Vorgaben in § 3 I BUrlG belaufe sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage (a. a. O.). Wenn demnach die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt wurde, sei die Anzahl der Urlaubstage grds. unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage; a. a. O.). Dies gelte - wie hier - entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 I BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben (a. a. O.).

Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich daher ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage; a. a. O.). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte jedoch aus Sicht des BAG eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs (a. a. O.).

Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind nach dem Urteil des BAG im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin (und der diese unterstütztenden Gewerkschaften) weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen (a. a. O.).

Der Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 übersteige deshalb nicht die von der Arbeitgeberin berechneten 11,5 Arbeitstage (a. a. O.). Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit auf Grund der Corona-bedingt angefallenen Kurzarbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).

Die Entscheidung folgt letztlich der bisherigen Linie des BAG. Gleichwohl hat das (auch politisch durchaus brisante) Urteil v. a. in Anbetracht der zuletzt massiven Ausweitung der Kurzarbeit sowie aufgrund der noch immer andauernden Corona-Pandemie zukünftig vermutlich erhebliche Auswirkungen. Schließlich dürften nunmehr deutlich mehr Arbeitgeber ernsthaft darüber nachdenken, den Urlaub ihrer Mitarbeiter bei Kurzarbeit anteilig zu kürzen.

Ob den (z. T. von Corona-Pandemie wirtschaftlich bereits arg „gebeutelten“) Arbeitgebern auch die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt überhaupt erlaubt, derartige Kürzungen tatsächlich umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt.

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