Urteil des EuGH vom 30.04.2024, C-670/22 | EncroChat, 1. Vorlage LG Berlin

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Zusammenfassung und Kommentar:

 Entscheidung des Gerichtshofs in der RechtssacheC-670/22 von 30.07.2024, EncroChat, Vorlage zur Vorabentscheidung LG Berlin:


Im Rahmen eines Strafverfahrens in Deutschland wegen illegalenDrogenhandels unter Nutzung des verschlüsselten Telekommunikationsdienstes EncroChat klärt der Gerichtshof bestimmte Voraussetzungen für die Übermittlung und Verwendung von Beweismitteln nach der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) in Strafsachen.

So kann eine EEA zur Übermittlung von Beweismitteln, die bereits von einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurden, unter bestimmten Voraussetzungen von einem Staatsanwalt erlassen werden. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Beweismitteln im Anordnungsstaat müssen für die Erlassung der EEA nicht erfüllt sein. Die Einhaltung der Grundrechte der betroffenen Personen muss jedoch nachträglich gerichtlich überprüft werden können.Darüber hinaus muss eine von einem Mitgliedstaat auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats durchgeführte Überwachungsmaßnahme diesem anderen Mitgliedstaat rechtzeitig mitgeteilt werden. Unter Verstoß gegen die Richtlinie erlangte Informationen und Beweismittel müssen unter bestimmten Voraussetzungen von den Strafgerichten unbeachtet bleiben.
Die Überwachung von Telekommunikationsdiensten zum Zwecke der Erfassung von Verkehrs-, Standort- und Kommunikationsdaten eines internetbasierten Kommunikationsdienstes muss dem Mitgliedstaat gemeldet werden, in dem sich die betroffene Person befindet (in diesem Fall Deutschland). 

Die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats hat dann das Recht anzugeben, dass diese Überwachung des Telekommunikationsverkehrs nicht durchgeführt werden darf oder beendet werden muss, wenn sie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zulässig wäre.

Diese Rechte und Pflichten sollen nicht nur die Achtung der Souveränität des gemeldeten Mitgliedstaats gewährleisten, sondern auch die Rechte der betroffenen Personen schützen.

Informationen und Beweise, die unter Verstoß gegen die Richtlinie erlangt wurden, dürfen von den nationalen Strafgerichten nicht berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, zu diesen Informationen und Beweisen Stellung zu nehmen, und diese Informationen und Beweise voraussichtlich einen überwiegenden Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellungen haben.

Gerade diese letzte Aussage des EuGH dürfte in den kommenden Monaten für Diskussionsstoff vor den Gerichten sorgen. Nun ist die deutsche Rechtsprechung gefragt. Denn bisher waren die betroffenen Personen nämlich nicht in der Lage zu den Krypto-Chat-Daten, die oft das einzige belastende Beweismittel sind, qualifiziert Stellung zu nehmen.

Zwischenzeitlich hat dieselbe 25.Strafkammer des Landgerichts Berlin am 13.November 2023 dem EuGH in einem weiteren Fall  dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (C 675/23: LG Berlin, 525 KLs 11/23).

Zentrale Frage dort ist ebenfalls die Verwertbarkeit derEncroChat-Daten. 

Dieser zweite Fall ist insoweit besonders, da sich der mutmaßliche Encro-Chat-Nutzer während des Abfangzeitraums zwischen Anfang April und Juni 2020 nicht in Deutschland aufgehalten hat und daher zu dessen Kennung keinerlei Rohdaten von den französischen Behörden übergeben wurden.

 Die Beweisführung stützt sich hier  allein auf gesondert später aus Frankreich angeforderten Excel-Listen.


Es bleibt also spannend und das letzte Wort zur Frage der Verwertbarkeit der Daten ist weiter nicht gesprochen.

Foto(s): Andreas Milch

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