Verbotene Fahrzeug-Rennen (§ 315d StGB) – wie kann der Fachanwalt helfen?

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Seit 2017 werden (angebliche) Fahrzeug-Rennen nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt, sondern als Straftat gemäß § 315d StGB. Diese Vorschrift wurde als Reaktion auf schwerwiegende Unfälle mit Todesfälle nach Auto-Rennen in Berlin und Köln eingeführt. Immer häufiger kommt es seither zu entsprechenden Anzeigen – mit gravierenden Konsequenzen für die Beschuldigten, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis ebenso führen können, wie auch zur Einziehung des Fahrzeugs. Doch in vielen Fällen kann der versierte Fachanwalt für Verkehrsrecht helfen – denn häufig liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines illegalen Kraftfahrzeug-Rennens gar nicht vor.

 

1.) Welche Fall-Konstellationen von Fahrzeug-Rennen gibt es?

a) Unter Strafe gestellt wird in § 315d Abs.1 StGB nicht nur, wer als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeug-Rennen im öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt (Nr.2), sondern auch der Veranstalter eines solchen Rennens (Nr.1).

Denkbar sind dabei Beschleunigungs-Rennen auf einer kurzen Strecke (z.B. „von Ampel zu Ampel“) ebenso wie auch Ziel-Rennen auf einer längeren Strecke. Es versteht sich von selbst, dass dabei die Regeln des Verkehrsrechts sowie Beschilderungen vielfach missachtet werden, insbesondere hinsichtlich der Geschwindigkeits- und Vorfahrtsregelungen.

b) Den in der Praxis größten Anwendungsbereich erfährt allerdings Nr. 3 der besagten Vorschrift. Nach dieser macht sich gleichermaßen strafbar, wer sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos im Straßenverkehr fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Angesprochen ist damit der sogenannte „Allein-Raser“ oder „Einzel-Raser“, der gleichsam ein „Rennen gegen sich selbst“ ausgetragen haben soll.

Es häufen sich allgemein, wie auch in unserer Kanzlei die Fälle, in denen (angeblichen) Rasern angelastet wird, sie hätten die besagten Voraussetzungen erfüllt, seien also viel zu schnell, grob verkehrswidrig und rücksichtslos gefahren und hätten all dies gemacht, um die möglichen Grenzen des Fahrens auszuloten. In machen Fällen vermitteln die vorschnell gezogenen Schlüsse der Strafverfolgungsbehörden auf den fachkundigen anwaltlichen Verteidiger dabei aber den Eindruck, als würden die Abgrenzungen zwischen Ordnungswidrigkeitenrecht einerseits und Strafrecht andererseits verkannt. Und eben dies bietet Verteidigungsansätze.

 

2.) Wie kann einem Beschuldigten beim Vorwurf des illegalen Rennens geholfen werden?

Zunächst einmal wird der spezialisierte Rechtsanwalt Akteneinsicht bei der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft beantragen und die Akte nach Erhalt sorgfältig prüfen. Dies dient der Feststellung, ob die tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Beweismittel (Zeugenaussagen, Fotos, Videos etc.) überhaupt den Schluss auf ein illegales Fahrzeug-Rennen zulassen.

a) Insbesondere bei den Fällen des „Allein- oder Einzel-Rasens“ (§ 315d Abs.1 Nr.3 StGB) lassen sich bei sorgfältiger Recherche und hinreichender Erfahrung des Anwalts häufig deutliche Indizien dafür finden, dass es dem Fahrer keineswegs darum ging, eine „höchstmögliche Geschwindigkeit“ zu erreichen. Dann scheitert eine Bestrafung bereits an der erforderlichen subjektiven Absicht des Beschuldigten.

b) Ohnehin ist höchst umstritten, ob die Vorschrift überhaupt ausreichend bestimmt verfasst wurde. Zusammen mit anderen Verkehrsrechts-Spezialisten vertrete auch ich die Auffassung, dass dies nicht der Fall ist, weil nämlich für den Adressaten des Verbots nicht hinreichend klar ist, was unter Nr.3 in § 315d Abs.1 StGB zu verstehen ist, wenn dort auf eine „höchstmögliche Geschwindigkeit“ abgestellt wird. Ist damit die vom Fahrzeug erzielbare Höchstgeschwindigkeit gemeint oder vielmehr die relative Geschwindigkeit, die unter Berücksichtigung aller Umstände (Fahrzeug, Straßen- und Witterungsbedingungen etc.) höchstmöglich erscheint?

Die Gerichte sind insofern geteilter Meinung und es steht eine Entscheidung des deswegen im Januar 2020 angerufenen Bundesverfassungsgerichts aus. Dieses hat nun zu klären, ob entsprechend der hiesigen Meinung das Verbot des „Allein- bzw. Einzel-Rasens“ in § 315d Abs.1 Nr.3 StGB verfassungswidrig ist oder nicht.

c) Außerdem muss ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen Verkehrsvorschriften, also ein grob verkehrswidriges Verhalten nachgewiesen werden. Auch die dafür erforderlichen Grenz-Überschreitungen können in der Praxis oftmals nicht bewiesen werden.

d) Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer Verteidigungsansätze. Es würde allerdings den Rahmen sprengen, diese hier detailliert zu erläutern.

 

3.) Welche Rechtsfolgen drohen beim Tatvorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens?

In der Hauptsache erwartet einen Beschuldigten im Falle der rechtskräftigen Verurteilung grundsätzlich eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zweijähriger Dauer (§ 315d Abs.1 StGB). Bei Gefährdungen kann die Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre betragen (§ 315d Abs.2 StGB) und im Falle einer schweren Gesundheitsschädigung oder gar Tötung bis zu 10 Jahre (§ 315d Abs.5 StGB).

Die Fahrerlaubnis wird dann regelmäßig entzogen und es wird eine Sperre für die (meist nur nach Absolvierung einer MPU mögliche) Wiedererteilung von mindestens 6-monatiger Dauer verhängt. Sperrfristen von ein- bis zweijähriger Dauer sind in der Praxis keine Seltenheit.

In der Regel wird bereits am Tattag der Führerschein beschlagnahmt, was faktisch zu einem sofortigen Fahrverbot führt und Beschuldigte vor oft nur schwer lösbare Probleme des beruflichen, wie auch privaten Alltags stellt.

Neben dieser mobilitätseinschränkenden Maßregel kommt erschwerend die Besonderheit hinzu, dass das Tat-Fahrzeug eingezogen werden kann (§ 315f StGB) – selbst wenn es nicht dem Beschuldigten gehört! Es ist nicht verwunderlich, dass auch diese Aussicht gravierende Sorgen auslöst, zumal von der entsprechenden Möglichkeit in letzter Zeit durchaus häufig Gebrauch gemacht wird. Insbesondere extra eingerichtete polizeiliche Sonderkommissionen („SoKo Rennen“) erhoffen sich dadurch, die „Renn-Szene zu zerschlagen“.

 

4.) Zusammenfassung: Chancen mit anwaltlicher Hilfe nutzen und gegen gravierende Rechtsfolgen ankämpfen

Der neue Straftatbestand sieht heftige Rechtsfolgen vor, die regelmäßig jenen nach Fahrten unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss sowie Unfallfluchten entsprechen, mit Blick auf die mögliche Einziehung des Fahrzeugs aber sogar noch krasser ausfallen können. Betroffen sein können schnell Fahrer, denen eigentlich „nur“ eine ordnungswidrige Geschwindigkeitsüberschreitung anzulasten wäre und die völlig unvermittelt „von jetzt auf gleich“ ohne Führerschein dastehen können. 

Die gute Nachricht bei alldem ist, dass bei fachkundiger Verteidigung mit Hilfe eines auf solche Fälle spezialisierten Verkehrsrechtsanwalts häufig gute Chancen bestehen. Je nach Sachverhalt können zahlreiche Verteidigungsansätze bestehen, zumal einige Rechtsfragen noch ungeklärt sind und die Gerichte bei der Anwendung des § 315d StGB sich noch orientieren und „eine Linie finden“ müssen.

Wichtig ist, dass Beschuldigte sich gegenüber der Polizei und/oder Staatsanwaltschaft nicht vorschnell äußern (und dabei häufig sprichwörtlich um Kopf und Kragen reden), sondern schweigen und sich sehr zeitnah an einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens richten, der in der Verteidigung im Verkehrsstrafrecht über entsprechende Referenzen verfügt.

Abhängig von den Umständen des Falls kann der anwaltliche Verteidiger auch Beschwerden gegen die Beschlagnahme des Führerscheins bzw. die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sowie gegen auf das Fahrzeug bezogene Maßnahmen einlegen.

 

Dr. Sven Hufnagel

Dr. jur. Sven Hufnagel ist auf die Verteidigung in Verkehrsstrafsachen spezialisiert und nutzt für seine Mandanten die Erfahrung aus 17-jähriger Berufstätigkeit sowie mehreren wegen „illegalen Rennen“ geführter Verfahren.

Von 2015 bis 2020 wurde er durchgehend sechsmal hintereinander in der „FOCUS-Anwaltsliste“ als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ aufgeführt. Zugleich wurde seine Kanzlei im STERN-Magazin als eine der „Besten Verkehrsrechts-Kanzleien Deutschlands“ ausgezeichnet.

Weitere Informationen gibt es auf unserer Homepage www.anwalt-strafrecht.com .


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