Verfahrensfehler bei der Scheidung

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Das Scheidungsverfahren ist durch eine Vielzahl von verfahrensrechtlichen Regeln geprägt. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, Ihre eheliche Lebensgemeinschaft so abzuwickeln, dass ein einigermaßen gerechter Interessenausgleich erfolgt. Gerade, weil es so viele Verfahrensvorschriften gibt, sind Fehler nicht auszuschließen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wo Stolperfallen bestehen und welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben.

Was sind Verfahrensfehler?

Von Verfahrensfehlern spricht man, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Verfahrenshandlung

  • unterblieben ist,
  • fehlerhaft vorgenommen wurde
  • oder wenn eine unzulässige Verfahrenshandlung vorgenommen wurde.

Oft geht es um Formalien, Fristen und Voraussetzungen, unter denen das Scheidungsverfahren betrieben werden kann. Die Vielzahl der Verfahrensvorschriften findet sich im Familienverfahrensgesetz, aber auch im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Zivilprozessordnung.

Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres

In der Praxis werden Scheidungsanträge gerne einige Wochen vor Ablauf des Trennungsjahres beim Familiengericht eingereicht, in der Erwartung, dass das Familiengericht Zeit benötigt, um in die Sachbearbeitung einzusteigen und das Trennungsjahr abgelaufen ist, wenn das Gericht Ihren Antrag bearbeitet oder der Anhörungstermin wegen Ihrer Scheidung stattfindet. Oft ist mit der verfrühten Antragsstellung die Absicht verbunden, den Stichtag für den Zugewinn- oder den Versorgungsausgleich vorzuverlagern und sich dadurch wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Insoweit besteht das Risiko bei besonders früh gestellten Anträgen, dass das Familiengericht den Scheidungsantrag, insbesondere wenn es auf Antrag des Ehepartners einen frühen ersten Termin durchführt, gebührenpflichtig zurückweist.

Härtefall wird nicht begründet

Liegt in der Person Ihres Ehepartners ein Grund vor, der es Ihnen unzumutbar erscheinen lässt, das Trennungsjahr abwarten zu müssen, lässt sich die Scheidung als Härtefall begründen (§ 1565 Abs. II BGB). Sie können dann bereits vor Ablauf des Trennungsjahres betrieben werden. Ihr Anwalt muss darauf achten, dass hierzu ein entsprechender Sachvortrag erfolgen muss. Fehlt der Sachvortrag und spricht das Gericht dennoch vorzeitig die Scheidung aus, ist das Verfahren fehlerhaft.

Scheidungsantrag ohne Anwalt

Reichen Sie Ihren Scheidungsantrag selbst beim Familiengericht ein und beauftragen dafür keinen Rechtsanwalt, muss das Familiengericht Ihren Antrag wegen des Anwaltszwangs zurückweisen (§ 114 FamFG). Gleiches gilt, wenn Sie die einvernehmliche Scheidung im Blick haben und der anwaltlich nicht vertretene Ehepartner in eigener Verantwortung die Regelung einer Scheidungsfolge beantragt.

Fehlende Angaben im Scheidungsantrag

Die Scheidung muss beantragt werden. Dazu ist darzulegen, dass Ihre Ehe gescheitert ist. Außerdem muss die Antragsschrift Angaben enthalten, inwieweit die Scheidungsfolgen, wie

geregelt sind. Ein mangelhafter Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zwar noch korrigiert werden, ist aber ansonsten als unzulässig abzuweisen. Zuvor wird das Familiengericht entsprechende Hinweise geben.

Fehlerhafte Zustellung des Scheidungsantrags

Der Scheidungsantrag muss dem Ehepartner zur Stellungnahme zugestellt werden können. Dazu muss eine ladungsfähige Anschrift genannt werden. Ist die Anschrift nicht mehr aktuell, muss der antragstellende Ehepartner recherchieren, wo sich der Ehepartner neuerdings aufhält. Wird der Scheidungsantrag trotzdem an die alte Adresse zugestellt, so dass der Ehepartner sich am Scheidungsverfahren nicht beteiligen kann, ist das Verfahren fehlerhaft. Nur dann, wenn sich die Adresse trotz aller zumutbaren Bemühungen nicht recherchieren lässt, kommt im ausnahmsweise die öffentliche Zustellung des Scheidungsantrags in Betracht.

Kein Scheidungsverbund

Im Scheidungsverfahren soll auch über eventuelle Scheidungsfolgen entschieden werden, soweit diese einer Entscheidung bedürfen. Eine Entscheidung ist insgesamt erst zulässig, wenn in allen Angelegenheiten des Verbundes Entscheidungsreife eingetreten ist.

Haben Sie beispielsweise den Kindesunterhalt für Ihr Kind gerichtlich geltend gemacht und beantragen Sie oder der Ehepartner bei einem anderen Gericht die Scheidung, muss das Gericht die Unterhaltssache an das Gericht abgeben, das für Ihr Scheidungsverfahren zuständig ist (§ 232 FamFG). Das Gericht entscheidet im Scheidungsverbund und damit abschließend über Ihre Scheidung und alle damit eventuell verbundenen Scheidungsfolgen (§ 137 FamFG).

Gericht ignoriert Ehevertrag

Haben Sie Ihre Scheidungsfolgen außergerichtlich in einem Ehevertrag oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt, ist das Gericht verpflichtet, den Ehevertrag aus Anlass Ihrer Scheidung daraufhin zu prüfen, ob die Interessen beider Ehepartner angemessen berücksichtigt wurden. Es findet eine so genannte Inhalts- und Ausübungskontrolle statt. Zu diesem Zweck ist der Ehevertrag zusammen mit dem Scheidungsantrag beim Gericht einzureichen.

Fehlerhafte Abtrennung des Versorgungsausgleichs

Führt das Familiengericht von Amts wegen den Versorgungsausgleich durch, kann das Gericht den Versorgungsausgleich vom eigentlichen Scheidungsverfahren abtrennen und gesondert über den Versorgungsausgleich entscheiden. Voraussetzung dafür ist,

  • dass seit der Zustellung des Scheidungsantrags mindestens drei Monate verstrichen sind,
  • beide Ehepartner an der Durchführung des Versorgungsausgleichs mitwirken
  • und beide übereinstimmend die Abtrennung beantragen
  • oder sich wegen der schwierigen Durchführung des Versorgungsausgleichs der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 140 Abs. II Nr. 4,5 FamFG).

Liegen die bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, wäre ein Verfahrensfehler zu beanstanden.

Tipp: Verläuft Ihre Scheidung einvernehmlich, benötigt der Ehepartner für den Antrag auf Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens keinen eigenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. IV Nr. 4 FamFG).

Rücknahme des Scheidungsantrags erfasst Folgesachen

Haben Sie die Scheidung beantragt, dürfen Sie Ihren Scheidungsantrag jederzeit zurücknehmen. Ihre Rücknahme erstreckt sich dann auch auf die Scheidungsfolgesachen, allerdings nicht auf

  • die Übertragung der elterlichen Sorge
  • oder eines Teils der elterlichen Sorge wegen Gefährdung des Kindeswohls auf einen Elternteil
  • oder auf eine Sache, bzgl. der ein Beteiligter ausdrücklich erklärt hat, sie fortführen zu wollen (§ 141 FamFG).

Aufhebungsantrag ist vorrangig gegenüber Antrag auf Scheidung der Ehe

Wird in demselben Verfahren zugleich die Aufhebung der Ehe und die Scheidung beantragt und sind beide Anträge begründet, darf das Familiengericht wegen der weitergehenden Wirkungen nur die Aufhebung der Ehe aussprechen (§ 126 FamFG). Schließlich kann eine Ehe, die aufgehoben wird und damit gar nicht erst zustande gekommen ist, nicht geschieden werden.

Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe lässt Versorgungsausgleich außen vor

Haben Sie Verfahrenskostenhilfe beantragt, erstreckt sich die Bewilligung für das Scheidungsverfahren auch auf den Versorgungsausgleich. Hat das Gericht übersehen, auch den Versorgungsausgleich in der Verfahrenskostenhilfe einzubeziehen, ist der Beschluss fehlerhaft (§ 149 FamFG).

Verspätet eingereichte Anträge zu Scheidungsfolgesachen

Das Gericht verhandelt im Verbund. Das bedeutet: Es verhandelt und entscheidet über die Scheidung und zugleich über eventuelle Scheidungsfolgen. Möchten Sie oder der Ehepartner die Regelung einer Scheidungsfolge beantragen, ist der Antrag spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht einzureichen (§ 137 Abs. II FamFG). Entscheidet das Gericht über die Folgesache, obwohl der Antrag verspätet gestellt wurde, ist das Verfahren fehlerhaft.

Fehlende Anhörung eines mindestens 14 Jahre alten Kindes

Geht es um die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht, muss das Gericht das Kind persönlich anhören, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat (§ 159 FamFG). Ist die Anhörung unterblieben, ist das Verfahren fehlerhaft.

Aussetzung des Verfahrens trotz Widerspruch

Das Familiengericht kann das Scheidungsverfahren aussetzen, wenn es nach seiner freien Überzeugung der Ansicht ist, dass Ihre Ehe vielleicht doch nicht zerrüttet ist und Aussichten auf eine Fortsetzung bestehen. Leben Sie länger als ein Jahr getrennt, darf das Gericht das Verfahren nicht aussetzen, wenn beide Ehepartner widersprechen. Haben Sie die Aussetzung des Verfahrens beantragt, darf das Gericht die Scheidung nicht aussprechen, bevor das Verfahren ausgesetzt war. Die Aussetzung darf nur einmal wiederholt werden und insgesamt die Dauer von einem Jahr, bei einer mehr als dreijährigen Trennung die Dauer von sechs Monaten, nicht überschreiten (§ 136 FamFG).

Fehlende Beiordnung eines Rechtsanwalts

Ist der Ehepartner nicht anwaltlich vertreten, muss das Gericht für die Scheidungssache und die Verhandlung über eine Kindschaftssache (Sorge- und Umgangsrecht) von Amts wegen zur Wahrnehmung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beiordnen (§ 138 FamFG). Unterbleibt die Beiordnung, ist das weitere Verfahren fehlerhaft.

Missachtung der Nichtöffentlichkeit im Scheidungstermin

Scheidungstermine sind nicht öffentlich. Neue Lebensgefährten oder andere Interessierte müssen vor dem Gerichtssaal warten. Lediglich zur Verkündung der Ehescheidung wird die Öffentlichkeit wiederhergestellt. Befand sich während der mündlichen Verhandlung eine Person (Ausnahme: Praktikant(in), Referendar(in)) im Gerichtssaal, ist das Verfahren fehlerhaft.

Rechtsmittelverzicht ohne Anwalt

Spricht das Familiengericht im mündlichen Scheidungstermin die Scheidung aus, können Sie auf Rechtsmittel verzichten. Der Scheidungsbeschluss wird dann sofort unanfechtbar und rechtskräftig. Möchte der Ehepartner auf Rechtsmittel verzichten, muss er sich ebenfalls anwaltlich vertreten lassen. Fehlt es an einer anwaltlichen Vertretung, ist der Rechtsmittelverzicht nicht wirksam.

Falsches Rechtsmittel

In zivilrechtlichen Verfahren lassen sich Entscheidungen der Gerichte mit Rechtsmitteln angreifen. Rechtsmittel sind

  • Berufung,
  • Revision,
  • Beschwerde
  • und sofortige Beschwerde.

Möchten Sie ein Rechtsmittel einlegen, können Sie den Scheidungsbeschluss im Detail mit der Beschwerde angreifen oder mit der Berufung gegen die Scheidung insgesamt vorgehen.

Beschwerde und Berufung gegen den Scheidungsbeschluss sind nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach der förmlichen Zustellung möglich. Beide können nur mit anwaltlicher Hilfe bei Gericht eingelegt werden. Stimmt das Familiengericht dem Berufungsantrag zu, wird das Urteil durch das Oberlandesgericht geprüft. Ist einer der Beteiligten auch mit dem Berufungsurteil nicht einverstanden, kommt die Revision in Betracht. Wird das falsche Rechtsmittel gewählt, geht das Verfahren ins Leere.

Fazit

Es kommt immer drauf an, wie sich ein Umstand, der gesetzlich geregelt ist, auf das Scheidungsverfahren auswirkt. Oft kann sich daraus ein Verfahrensfehler begründen lassen. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin werden Ihnen erklären, auf was es in Ihrem Scheidungsverfahren genau ankommt und was getan werden kann oder zu unterlassen ist, um potenzielle Verfahrensfehler möglichst zu vermeiden.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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