Versicherer darf Krankentagegeld nicht kürzen

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Nach einer nun veröffentlichen Entscheidung des Bundesgerichthofs vom 06.07.2016 (Az. IV ZR 44/15) ist die Klausel des § 4 Abs. 4 der Musterbedingungen zur Privaten Krankentagegeldversicherung, nach der der Versicherer das Krankentagegeld wegen zwischenzeitlich gesunkenem Einkommen des Versicherungsnehmers auch im Schadenfall noch kürzen kann, wegen Intransparenz unwirksam.

Die Klausel selbst ist regelmäßig Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern. Zielrichtung der Regelung ist, dass der Versicherer verhindern möchte, dass sich der Versicherungsnehmer bei Bezug von Krankentagegeld besserstellt, als wenn er arbeiten würde. Daher soll das durchschnittliche Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers die Grenze für Krankentagegeldleistungen sein.

Erreicht wird dies dadurch, dass der Versicherer bei gesunkenem Nettoeinkommen einseitig berechtigt ist, die Höhe des Krankentagegeldes herabzusetzen.

Zwar ist der Versicherungsnehmer nach dem Vertrag verpflichtet, ein gesunkenes Einkommen dem Versicherer mitzuteilen, jedoch kommt dies in der Praxis nicht vor. Erst bei Eintritt des Versicherungsfalls – also wenn der Versicherungsnehmer die Zahlung von Krankentagegeld begehrt – prüft der Versicherer durch Vorlage der letzten Einkommenssteuerbescheide das durchschnittliche Nettoeinkommen. Ergibt sich dabei, dass das Einkommen gesunken ist oder niemals die Höhe des versicherten Tagegelds erreicht hat, reduzierte der Versicherer die Leistung für die Zukunft. Die höheren Prämien für die Vergangenheit konnte er jedoch behalten.

Das OLG Karlsruhe sah in dieser Regelung in seiner Entscheidung vom 23.12.2014, Az. 9a 15/14 eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers und stufte die Klausel darüber hinaus als intransparent ein, weil auch ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer die Reichweite der Regelung nicht einschätzen könne. Das OLG Karlsruhe ließ jedoch die Revision zu, da es von einer Entscheidung des OLG München vom 27.07.2012 (Az. 25 U 4610/11) abgewichen ist.

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die Klausel in ihrer jetzigen Ausgestaltung intransparent und damit unwirksam ist. Im konkreten Fall war der Versicherer damit nicht berechtigt, das Krankentagegeld zu kürzen.

Der BGH hat sich allerdings nicht der Ansicht des OLG Karlsruhe angeschlossen, dass die Klausel den Versicherungsnehmer auch unangemessen benachteiligt.

Daraus folgt, dass die Versicherungswirtschaft versuchen kann, die Regelung der Klausel neu und damit transparent und verständlich zu formulieren. Dies gilt auf jeden Fall für Neuverträge. Fraglich ist jedoch, ob die Versicherer auch nach § 203 Abs. 4 VVG berechtigt sein können, die Bedingungen nach dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren anzupassen. Die Regelung berechtigt den Versicherer zur Anpassung, wenn eine Bestimmung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen durch höchstrichterliche Entscheidung für unwirksam erklärt wurde. Dies betrifft vorliegend wohl alle Versicherer, die die hier streitgegenständliche Klausel der Musterbedingungen verwandt haben. Am Markt sollen aber auch Versicherungsbedingungen angeboten werden, bei denen der Versicherer die fragliche Klausel eigenständig, aber mit identischem Inhalt formuliert haben.

Diese Klauseln werden im Hinblick auf die Begründung der Entscheidung des BGH jedoch ebenfalls nicht transparent sein, fraglich ist jedoch, ob der Versicherer dann zur Bedingungsanpassung berechtigt ist. Schließlich ist seine konkrete Klausel noch nicht Gegenstand einer Entscheidung geworden.

Hier wird das weitere abzuwarten bleiben.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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