Verstoß gegen vorvertragliche Anzeigepflichten bei Abschluss einer Versicherung

  • 5 Minuten Lesezeit

Was ist eine vorvertragliche Anzeigepflicht?

Um eine spätere Kündigung, einen Rücktritt oder gar eine Anfechtung der privaten Krankenversicherung (PkV), Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Haftpflichtversicherung usw. auszuschließen, muss der Versicherungsnehmer gemäß § 19 Abs. 1 VVG seinen sogenannten vorvertraglichen Anzeigepflichten gerecht werden. Die vorvertragliche Anzeigepflicht besagt, dass der Versicherungsnehmer die ihm bekannten Umstände, die die Risiken des Versicherers erhöhen und nach denen der Versicherer vor Vertragsschluss ausdrücklich gefragt hat, gegenüber dem Versicherer offenbaren muss. Vor Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags (PkV) fragt der Versicherer beispielsweise regelmäßig nach Vorerkrankungen des Versicherten, um abzuschätzen zu können, ob und in welchem Umfang der Versicherte zukünftig medizinische Leistungen in Anspruch nehmen wird.

Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung wird in der Regel nach festgestellten psychischen Erkrankungen gefragt, da diese Erkrankungen zu den häufigsten Ursachen der Berufsunfähigkeit gehören. Vor Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags wird etwa nach der Rauchereigenschaft des Versicherten gefragt, da diese Eigenschaft maßgeblich für die Lebenserwartung eines Menschen und damit für das versicherte Risiko ist.

Was sind die Folgen eines Verstoßes gegen vorvertragliche Anzeigepflichten?

Macht der Versicherte im Rahmen des Vertragsschlusses falsche oder unvollständige Angaben, kann dies schwerwiegende Folgen haben. So steht dem Versicherer je nach Schwere der Anzeigepflichtverletzung das Recht zur Kündigung, zum Rücktritt oder gar zur Anfechtung des Versicherungsvertrags zu. Während die Kündigung nur für die Zukunft wirkt und der Vertrag für die Vergangenheit wirksam bleibt, haben Rücktritt und Anfechtung gleichsam schwerwiegendere Rechtsfolgen für den Versicherten. Rücktritt und Anfechtung führen nämlich regelmäßig dazu, dass der Versicherer nicht nur für die Zukunft seinen Versicherungsschutz verliert, sondern auch die in der Vergangenheit erbrachten Versicherungsleistungen an die Versicherung erstatten muss. Besonders gravierend ist dies beispielsweise bei der privaten Krankenversicherung. Hier verliert der Versicherte seinen Versicherungsschutz für die Zukunft und muss darüber hinaus noch die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen (etwa: medizinische Behandlungskosten) erstatten.

Ausnahmen von der vorvertraglichen Anzeigepflicht

Ein Verstoß gegen eine Anzeigepflicht kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Versicherer vor Vertragsschluss auch nach risikoerhöhenden Umständen ausdrücklich (und zwar in Textform, vgl. § 19 Abs. 1 VVG) gefragt hat. Hat beispielsweise ein Berufsunfähigkeitsversicherer nicht ausdrücklich nach der Rauchereigenschaft des Versicherten gefragt, muss der Versicherte dies auch nicht von sich aus offenbaren.

Im Übrigen kommt ein Rücktritt nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verletzt hat, vgl. § 19 Abs. 2 und 3 VVG. Die Anfechtung kommt sogar nur dann in Betracht, wenn eine arglistige Täuschung und damit Vorsatz des Versicherten in Bezug auf seine vorvertraglichen Anzeigepflichten vorliegt, vgl. § 22 VVG. Liegt hingegen nur eine leicht fahrlässige Aufklärungspflichtverletzung des Versicherten vor, kommt – wenn überhaupt – nur eine für die Zukunft wirkende Kündigung des Vertrags unter Einhaltung der Frist von einem Monat in Betracht, vgl. § 19 Abs. 3 VVG.

Im Einzelfall muss also immer genau geprüft werden, ob dem Versicherten Vorsatz, (grobe oder leichte) Fahrlässigkeit oder vielleicht sogar kein Verschulden zur Last zu legen ist. Der Versicherungsnehmer genügt jedenfalls dann seiner Anzeigepflicht, wenn er die vom Versicherer bei Vertragsschluss gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet hat. Hat der Versicherungsnehmer beispielsweise selbst von einer bestimmten Erkrankung keine Kenntnis gehabt, etwa weil ein behandelnder Arzt eine aktenkundige Diagnose nicht hinreichend mit dem Versicherten kommuniziert hat, konnte der Versicherte naturgemäß auch seine Versicherung bei Vertragsschluss nicht hierüber unterrichten und demgemäß bestand dann auch keine Aufklärungspflicht. Hier darf der Versicherer dann weder Kündigung, Rücktritt noch Anfechtung erklären, obgleich der Versicherer angesichts der Aktenlage unter Umständen von einer arglistigen Täuschung ausgeht und die Anfechtung bzw. den Rücktritt demgemäß erklärt.

In einem daran anschließenden Rechtstreit zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer muss dann der Arzt als Zeuge hinzugezogen werden, der sich dazu erklären muss, ob und in welchem Umfang er seinen Patienten über den Inhalt der Krankenakte aufgeklärt hat und inwieweit der Versicherungsnehmer damit Kenntnis hatte.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch, dass das rückwirkende Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht sowie das für die Zukunft wirkende Kündigungsrecht ausgeschlossen sind, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, ggf. zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, § 19 Abs. 4 VVG. Ein Rücktritt ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen wurde, § 19 Abs. 5 VVG. Diese Privilegien genießt der Versicherte bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung allerdings nicht. Hierin liegt zugleich der wesentliche Unterschied zwischen Rücktritt und Anfechtung.

Der Versicherer bleibt außerdem zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht sich auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war, vgl. § 21 Abs. 2 VVG.

Fristen

Die Erklärung der Kündigung, des Rücktritts und der Anfechtung sind allerdings nicht fristlos möglich. Nach § 21 Abs. 1 VVG muss der Versicherer das Rücktrittsrecht und nach § 19 Abs. 3 VVG das Kündigungsrecht innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der Anzeigepflichtverletzung schriftlich geltend machen. Das Recht zum Rücktritt erlischt außerdem - unabhängig von der Kenntniserlangung – gemäß § 21 Abs. 3 VVG nach dem Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss, sofern der Versicherungsfall nicht vor Ablauf dieser Frist eingetreten ist und Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch arglistig verletzt hat. Im Falle von Vorsatz bzw. Arglist beträgt die Frist für den Rücktritt zehn Jahre und entspricht insoweit der Anfechtungsfrist. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung muss aber binnen eines Jahres nach Kenntniserlangung von den die Anfechtung begründenden Umständen erfolgen.

Fazit

Im Falle einer Anfechtung oder eines Rücktritts oder einer Kündigung wegen der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten sollten Versicherungsnehmer sofort anwaltlichen Rat konsultieren. Der Rechtsanwalt kann einschätzen, inwieweit die Erklärung der Versicherung wirksam ist oder nicht. Gerade im Falle einer Krankenversicherung ist Eile geboten. Der Versicherungsnehmer braucht eine zuverlässige Einschätzung, ob sein Vertrag fortbesteht oder ob er sich einen neuen Versicherer suchen muss.

Die Rechtsanwaltskanzlei PSS Rechtsanwälte vertritt Versicherungsnehmer, die von der Kündigung, der Anfechtung und/oder des Rücktritts ihrer Versicherung betroffen sind.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von PSS Rechtsanwälte- Dr. Perabo-Schmidt & Schem

Beiträge zum Thema