Verweigerung des Betriebszutritts und Nichtzahlung des Lohns bei Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Bundesarbeitsgericht hat Anfang des Monats (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 10.08.2022 - 5 AZR 154/22) einen weiteren Fall entschieden, der sich mit den arbeitsrechtlichen Konsequenzen eines von einem Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie eingeführten Hygienekonzepts beschäftigt.

Wie war der Sachverhalt? 

Der Kläger arbeitet bei einem Unternehmen, das am Standort Berlin im Bereich der Lebensmittelproduktion tätig ist. Aus Infektionsschutzgründen erstellte das Unternehmen ein betriebliches Hygienekonzept. Dieses sah unter anderem vor, dass Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Corona-Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tätige Quarantäne antreten müssen. Mit dieser Regelung ging das Unternehmen über die damals geltende SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin hinaus. Denn die Verordnung des Landes Berlin sah die Möglichkeit vor, eine 14-tätige Quarantäne durch Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Test-Ergebnisses zu vermeiden, wenn zudem ein aktuelles ärztliches Attest die Symptomfreiheit bestätigt. Beim Hygienekonzept des Unternehmens fehlte eine derartige Ausnahmeregelung für negativ Getestete.

Der Kläger reiste vom 11. August 2020 bis zum 14. August 2020 in die Türkei. Zum damaligen Zeitpunkt war die Türkei vom RKI als Corona-Risikogebiet ausgewiesen. Der Kläger machte sowohl vor der Abreise in der Türkei als auch nach Ankunft in Deutschland einen PCR-Test. Beide PCR-Tests fielen negativ aus. Zudem attestierte der Hausarzt des Klägers auch die Symptomfreiheit.

Obwohl der Kläger somit den Regelungen der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin genügte, verweigerte sein Arbeitgeber ihm mit Verweis auf das betriebliche Hygienekonzept für 14 Tage den Betriebszutritt. Außerdem zahlte der Arbeitgeber dem Kläger für diese 14 Tage keinen Lohn. Im betrieblichen Hygienekonzept hatte der Arbeitgeber bereits darauf hingewiesen, dass Beschäftigte während der Zeit einer erforderlichen Quarantäne ihre Lohnfortzahlungsansprüche verlieren.

Was begehrte der Kläger? 

Der Kläger verlangte von seinem Arbeitgeber wegen Annahmeverzugs den ihm für die 14 Tage nicht ausgezahlten Arbeitslohn in Höhe von 1.512,47 € brutto. Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gaben dem Kläger Recht.

Wie entschied das Bundesarbeitsgericht? 

Das Bundesarbeitsgericht entschied ebenfalls zugunsten des Klägers. Denn der Arbeitgeber habe sich mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung im Annahmeverzug befunden. Die Ursache für die Nichterbringung der Arbeitsleistung habe der Arbeitgeber selbst gesetzt, indem er mit dem betrieblichen Hygienekonzept über die gesetzlichen Anforderungen hinausgegangen sei. Zudem habe der Arbeitgeber auch nicht darlegen können, warum ein Betriebszutritt und eine Arbeitsaufnahme des Klägers für das Unternehmen unzumutbar gewesen sein soll. Ergänzend wiesen die Richter auch noch darauf hin, dass die Weisung für 14 Tage dem Betrieb fernzubleiben, nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach
§ 106 Gewerbeordnung (GewO) gedeckt war. Zudem hätte der Arbeitgeber den intendierten Infektionsschutz für die restlichen Beschäftigten auch dadurch erreichen können, dass er den Kläger einen weiteren PCR-Test absolvieren lässt.

Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Praxis? 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt deutlich, dass es riskant ist, wenn man als Arbeitgeber eigenmächtig von den jeweiligen landesrechtlichen Corona-Schutzvorschriften abweicht. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass eine vermeintlich kleine Abweichung von der geltenden SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung bereits dazu führt, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Lohn zahlen muss, obwohl er ihm den Betriebszutritt verweigert. In derartigen Fällen entstehen dem Arbeitgeber somit Lohnkosten, obwohl er keine Arbeitsleistung des betroffenen Arbeitnehmers erhält. In der Praxis ist es daher dringend zu empfehlen, bei der Erstellung von betrieblichen Hygienekonzepten sorgfältig vorzugehen und sich im Zweifelsfall anwaltlich beraten zu lassen.

Zudem zeigt die Entscheidung auch, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht einfach ohne Lohnfortzahlung aus Gesundheitsschutzerwägungen in Quarantäne schicken kann. Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich hervorgehoben, dass eine derartige Weisung nicht mehr vom Weisungsrecht aus § 106 GewO gedeckt ist, da sie unbillig ist.

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen keine Beratung im Einzelfall ersetzen können. Gerne berate ich Sie persönlich oder auch online zu Ihren Rechtsthemen im Arbeitsrecht.

Foto(s): Rechtsanwältin Trixi Hoferichter


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin und Mediatorin Trixi Hoferichter

Beiträge zum Thema