Videoüberwachung am Arbeitsplatz (Teil 1)

  • 4 Minuten Lesezeit

Eine dauerhafte Beobachtung ist unangenehm. Jeder hat schon einmal erlebt, von einer fremden Person in der Öffentlichkeit ein bisschen zu lange angeschaut zu werden. Es ist in solchen Situationen schwer, sich weiterhin natürlich zu verhalten. 

Teil 2 des Rechtstipps können Sie hier abrufen. Dort geht es um die Voraussetzungen für eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Geschieht dies am Arbeitsplatz durch Videokameras, die das Verhalten überdies auch noch aufzeichnen, handelt es sich hierbei nicht mehr um ein paar unangenehme Minuten, sondern unter Umständen an die 40 Stunden in der Woche Dauerbeobachtung. Zurecht wird diese Form der Überwachung und Speicherung im deutschen und europäischen Gesetz als massiver Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das ein Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, gesehen. 

Deshalb ist eine Beobachtung per Videokamera gemäß europäischer Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) nur zulässig, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine Überwachung rechtfertigen. Diese wichtigen Gründe sind mithilfe einer Interessenabwägung zwischen den Rechten des Arbeitgebers aus Art. 14 GG und Art 12 GG und den der beschäftigten Person aus Art. 2 Absatz 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu beurteilen.

Wann dies der Fall sein kann und wann nicht, wird hier in diesem Beitrag geklärt.

Rechtsgrundlage

Die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung besonders relevanten Normen sind die Erlaubnistatbestände des BDSG. In allen Fällen, in denen der nationale Gesetzgeber keine Regelung getroffen hat, muss auf die DSGVO zurückgegriffen werden. Ebenfalls auch dann, wenn der Arbeitgeber die Aufnahmen außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses vornimmt.

Die zweistufige Verhältnismäßigkeitsprüfung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Inwieweit generell eine Überwachung durch den Arbeitgeber im Beschäftigungsverhältnis verhältnismäßig ist, überprüft das BAG in zwei Stufen:

1. In erster Stufe geht es der Frage nach, ob die Überwachung überhaupt erforderlich ist. Das heißt, es müssen alle gleich wirksamen milderen Maßnahmen, die das Persönlichkeitsrecht des Betreffenden weniger stark einschränken, ausgeschöpft worden sein, bis keine mildere Maßnahme mehr denkbar ist („Ultima-Ratio-Prinzip“). Eine mildere Maßnahme können beispielsweise in Diebstahlsfällen stichprobenartige Taschenkontrollen sein.

2. In zweiter Stufe erfolgt die Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme. Selbst wenn es ansonsten kein milderes alternatives Mittel gäbe, muss das Interesse des Überwachenden so stark überwiegen, dass das Interesse des Beschäftigten zurückstehen muss. Erst dann wäre eine Überwachung verhältnismäßig und damit zulässig.

Offene Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen 

Bislang war mit § 4 BDSG die Überwachung durch Privatpersonen an öffentlichen Plätzen wie beispielsweise Tankstellen und Parkplätze aber auch Arztpraxen, geregelt. In einem Urteil des BVerwG vom (27.03.2019 – Az.6 C 2/18) wurde die Norm allerdings als unanwendbar mangels fehlender Öffnungsklausel im DSGVO erklärt. Stattdessen müsse auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zurückgegriffen werden. 

Neu ist dadurch, dass die Regelung wesentlich milder für die Verantwortlichen ausfällt, als es nach deutscher Rechtslage der Fall ist. Nach § 4 BDSG reichen für die Unzulässigkeit der Maßnahme bereits Anhaltspunkte, dass die Rechte der Überwachten überwiegen. Die Regelung des DSGVO verlangt nun, dass diese Interessen tatsächlich überwiegen.

Offene Überwachung der Beschäftigten am Arbeitsplatz

Eine offene Videoüberwachung von einzelnen Beschäftigten am Arbeitsplatz ist auf Grundlage des § 26 BDSG zu ermitteln. Danach ist eine Videoüberwachung zulässig, wenn ein auf Tatsachen gestützter Verdacht zur schweren Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliegt (BAG, ZD 2012, ZD Jahr 2012, Seite 558). 

Eine Überwachung „ins Blaue hinein“, ohne jeglichen Anfangsverdacht ist unzulässig. (BAG, NZA 2017, NZA Jahr 2017 Seite 1327 – „keylogger“).

Heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Meist erfolgen Videoaufnahmen zur Aufklärung von Straftaten im Verborgenen. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass sich der vermeintliche Straftäter unbeobachtet fühlt. Da die heimliche Videoaufnahme natürlicherweise ohne vorherige Einwilligung erfolgt, greift sie massiv in das Persönlichkeitsrecht des Verdächtigten. Deshalb sind an die Zulässigkeit dieser Form der Überwachung strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine verdeckte Überwachung im nicht-öffentlichen Raum, beispielsweise in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Büro, kann zur Aufdeckung von Straftaten gem. § 26 Absatz 1 S. 2 BDSG laut dem Urteil des BAG vom 27. 3. 2003 (Az. 2 AZR 51/02) zulässig sein, wenn:

Ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung der beschäftigten Person besteht. Aber auch hier muss die zweistufige Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen.

Dies gilt jedoch nur, wenn ausschließlich der Verdächtigte gefilmt wird. Werden überdies unbeteiligte Dritte ohne Einwilligung gefilmt, können diese gegen den Verantwortlichen vorgehen.

Wo sind Videoaufnahmen grundsätzlich verboten?

Das Anfertigen von Aufnahmen, die den „höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen“ sind gem. § 201a StGB strafbar. Dazu zählen beispielsweise Umkleide- und Sanitärräume.

Fazit

Die Überwachung durch Videokameras ist in vielen Fällen zulässig, in anderen wiederum absolut verboten.

Leider kommt es dabei sehr stark auf den Einzelfall an – den zu erreichenden Zweck und die Art und Weise der Überwachung. Eine klare Leitlinie kann nicht pauschal gegeben werden. 

Die Grundvoraussetzungen für eine zulässige Videoüberwachung ist Inhalt des zweiten Teils des Rechtstipps, der zeitnah erscheinen wird.

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