Volljährigenunterhalt - Sonderfälle (FSJ)

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Unterhaltsansprüche setzen immer zwei Faktoren voraus: zum einen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und zum anderen die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten.

Ein volljähriges Kind hat also grundsätzlich nur dann einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern (§ 1601 BGB), wenn es bedürftig ist, also nicht in der Lage ist, seinen Lebensbedarf durch eigenes Einkommen oder ggf. durch eigenes Vermögen zu sichern ( § 1602 BGB).

In den Fällen, in denen das volljährige Kind noch zur Schule geht, eine Lehre oder sonstige Ausbildung macht oder auch studiert, ist eine Bedürftigkeit zumeist gegeben, weil das volljährige Kind in dieser Zeit keine eigenen Einkünfte erzielen und sich damit selbst unterhalten kann (auch bei der Betreuung eines eigenen Kindes oder bei Krankheit kann Bedürftigkeit vorliegen).

Volljährige Kinder in der Lehre, Auszubildende oder Studierende sollen sich „mit ganzer Kraft sowie dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit der Ausbildung widmen, um diese innerhalb angemessener und üblicher Dauer zu beenden“.

Ein volljähriges (erwerbsfähiges) Kind hat also grundsätzlich wegen mangelnder Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Unterhalt, wenn es weder eine Schul- oder Berufsausbildung macht noch studiert. In diesem Fall kann erwartet werden, dass das volljährige Kind sich seinen Lebensunterhalt (wie auch immer) selbst verdient und seinen Bedarf damit deckt, weil es die Zeit dazu hat.

Lediglich für kurze Übergangszeiten – z.B. zwischen Schule und Studium oder zwischen Ausbildung und Arbeitsaufnahme – besteht ggf. noch ein Unterhaltsanspruch. Ein Schüler muss zum Beispiel zwischen dem Ende der Schulzeit und dem Beginn der Lehre bzw. dem Beginn des Studiums grundsätzlich nicht erwerbstätig sein. Dem volljährigen Kind wird nach eine gewisse Karenzzeit von bis zu drei Monaten zugebilligt. Längere Karenzzeiten und Wartesemester müssen von dem volljährigen Kind durch einen Job (zwischen)finanzieren werden.

Problematisch sind die Fälle, in denen volljährige Kinder ein freiwilliges soziales Jahr oder Bundesfreiwilligendienst absolvieren oder ein Praktikum machen.

Hier ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung das Kriterium der Berufsvorbereitung zur Abgrenzung der Unterhaltsverpflichtung entwickelt worden.

a) Praktikum

Ein Praktikum ist zwar nicht gleichzusetzen mit einer Ausbildung, einer Lehre oder einem Studium, kann jedoch Teil einer Berufsausbildung sein, wenn es beispielsweise nach der entsprechenden Studienordnung zwingend vorgeschrieben ist oder wenn es wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen, die für die spätere Berufsausübung von Bedeutung sind, vermittelt.

Hat das Praktikum folglich einen direkten Bezug zu dem späteren Beruf, hat es einen berufsvorbereitenden Charakter und ermöglicht einen Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegenüber seinen Eltern.

b) Bundesfreiwilligendienst

Hier wird man vermutlich sagen müssen, dass der Bundesfreiwilligendienst nicht der Berufsausbildung des volljährigen Kindes dient. Freiwillige erhalten oft ein Taschengeld und kostenlose Unterkunft und Verpflegung oder anstelle dieser Sachleistungen entsprechende Geldleistungen, so dass der Bedarf gedeckt sein dürfte.

Einkünfte des volljährigen Kindes werden in vollem Umfang bedarfsmindernd angerechnet. Eine Bedürftigkeit scheidet insoweit aus.

c) Freiwilliges Soziales Jahr

Ob ein volljähriges Kind einen Unterhaltsanspruch während eines FSJ hat, ist in der Rechtsprechung immer noch umstritten.

Man kann argumentieren, dass das FSJ in der Regel nicht der Berufsvorbereitung dient, weshalb in dieser Zeit kein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegenüber seinen Eltern besteht.

Ebenfalls kann man argumentieren, dass ein FSJ dem volljährigen Kind Erfahrungen ermöglicht, die zur späteren Berufsausübung von Nutzen sind und somit einen Unterhaltsanspruch ermöglichen.

Einigkeit besteht darüber, dass auch während eines FSJ ein Unterhaltsanspruch besteht, wenn die soziale Tätigkeit als Voraussetzung für die Ausbildung gefordert wird oder durch das FSJ erforderliche Punkte für einen Studienplatz erworben werden oder beide Eltern mit dem FSJ einverstanden waren.

Das OLG Köln hat in seinem Beschluss vom 01.03.2019 (3 WF 140/18) einen Unterhaltsanspruch bejaht, wenn das Kind während des freiwilligen sozialen Jahres berufliche Erfahrungen sammeln kann, von denen es bei seiner späteren Ausbildung profitieren kann.

Das neu gefasste JFDG orientiert sich mehr an Ausbildungs- und Bildungszwecken, so dass hier viel dafürspricht, für die Zeit eines FSJ grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt anzuerkennen. Das JFDG verfolgt das am Gemeinwohl orientierte Ziel, Jugendlichen "soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln".

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 01.03.2019 (3 WF 140/18) ausgeführt, dass ein Anspruch auf Unterhalt während der Ableistung eines FSJ jedenfalls dann nicht in Betracht, komme, „wenn das freiwillige soziale Jahr auch dazu dient, dem Kind Klarheit zu verschaffen, ob es sich für den in Aussicht genommenen Beruf überhaupt eignet.“.

Der Senat des OLG Frankfurt geht in seinem Beschluss vom 04.04.2018 (2 UF 135/17) davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern während der Ableistung eines FSJ nicht pauschal, sondern immer im Rahmen einer Einzelfallprüfung erfolgen müsse. Im Hinblick auf die bisher immer noch nicht einheitliche Rechtsprechung zu diesem Problemkreis hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum BGH  zugelassen.

Die Höhe des Unterhaltes im FSJ richtet sich bei Bejahung einer grundsätzlichen Unterhaltsverpflichtung der Eltern dann nach den üblichen Berechnungsmethoden. Taschengeld sowie Verpflegung und Unterkunft oder Geldersatzleistungen sind auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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