Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile in der Schweiz

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Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile in der Schweiz

1. Vollstreckbarkeit

Obwohl die Schweiz nicht in der EU ist, können deutsche rechtskräftige Urteile in der Schweiz vollstreckt werden, wenn die Schuldner ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Die Vollstreckung – „Betreibung“ im Schweizer Recht – ist aufgrund des (rev.) Lugano-Abkommens, revLugÜ (mit Wirkung für die Schweiz ab 1. Januar 2011) möglich und richtet sich nach dem Schweizerischen Schuldbeitreibungs- und Konkursgesetz, SchKG.

Für Urteile vor dem Januar 2011 kommt das alte Lugano-Übereinkommen zur Anwendung, das für die Schweiz ab 1. Januar 1992 in Kraft ist.

Die Besonderheit der Betreibung in der Schweiz besteht darin, dass in der Regel in einem gerichtlichen summarischen Verfahren (also verkürzt) von dem zuständigen Schweizer Zivilgericht die Vollstreckbarkeit des Urteils rechtskräftig festgestellt werden muss. Diesem Verfahren geht der Antrag auf einen Zahlungsbefehl (ähnlich wie ein deutscher Mahnbescheid) voraus, gegen den der Schuldner ohne Begründung Rechtsmittel einlegen kann.

2. Voraussetzungen

Für dieses summarische Verfahren auf Rechtsöffnung (Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls) ist es notwendig, dass der ausländische Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz benennen muss, in der Regel einen Rechtsanwalt. Dem Antrag auf Rechtsöffnung muss das deutsche Urteil im Original oder in einer beglaubigten Ausfertigung beigelegt werden, sowie eine Erklärung gemäß Anhang V des Lugano-Abkommens, Artikel 54 rev LugÜ. Diese Erklärung Anhang V muss von der zuständigen Geschäftsstelle der Kammer des Gerichtes ausgefertigt werden, die das Urteil erlassen hat. Häufig ist den Geschäftsstellen diese Bescheinigung unbekannt, sodass der Kontakt zu dem jeweiligen Rechtspfleger des Landgerichtes gesucht werden sollte, der für die Auslandsangelegenheiten zuständig ist.

Da es in der Schweiz kein Rechtsberatungsmonopol für die Anwälte gibt, kann jede natürliche Person oder Organisation Rechtsberatung anbieten, sodass es als Zustellungsbevollmächtigter ausreicht, einen Treuhänder (Jurist) oder andere Organisationen/natürliche Person anzugeben. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem der ländlichen Kantone, ist es auf jeden Fall zu empfehlen, sich einen Anwalt zu nehmen. Vielfach sind diesen Gerichten ausländische Urteile und Urkunden wenig vertraut, sodass eine anwaltliche Betreuung sinnvoll ist.

3. Kosten

Grundsätzlich fallen sowohl die Gerichtsgebühren als auch die Anwaltsgebühren in der Schweiz höher aus als in Deutschland und anderen EU-Staaten, sodass die Betreibung nur Sinn macht, wenn der Schuldner noch zahlungsfähig ist und die Forderung einen erheblichen Umfang hat.

Die Zahlungsfähigkeit des Schuldners kann relativ einfach geprüft werden. Bei dem jeweilig zuständigen kantonalen Betreibungsamt wird ein Betreibungsregister geführt. Darin sind sämtliche Vorgänge der Betreibung, beginnend mit einem Zahlungsbefehl, aufgezeichnet, auch wenn es zu keiner Vollstreckung gekommen ist. Voraussetzung für die Beantragung eines Betreibungsregisterauszugs ist lediglich die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses, zum Beispiel die Vorlage des Urteils in Kopie.

Eine weitere Möglichkeit, die Betreibungskosten niedrig zu halten, ist es, einen Teilbetrag der Gläubigerforderung aus dem Gerichtsurteil als Zahlungsbefehl zu beantragen. Dies ist problemlos möglich und kann auch bei der Leistungsfähigkeit des Schuldners mit weiteren Zahlungsbefehlen auf die Restsummen erweitert werden.

Bei den Schweizer Gerichtskosten ist zu beachten, dass für jegliche gerichtliche Handlung Gebührenrechnungen ausgestellt werden, die mit relativer kurzer Frist an die jeweilige Gerichtskasse zu zahlen sind. Häufig wird auch nur auf Vorkasse die Tätigkeit aufgenommen.

4. Vollstreckung/Betreibung

Liegt das Rechtsöffnungsurteil des Kantonsgerichtes vor, muss mit diesem Urteil beim zuständigen Betreibungsamt das sogenannte „Fortsetzungsbegehren“ beantragt werden, also die Vollstreckung des Zahlungsbefehls über das gerichtlich als vollstreckbar erklärte deutsche Urteil. Die Betreibungshandlungen werden durch Betreibungsamt durchgeführt und entsprechen in den wesentlichen Grundzügen der deutschen Zwangsvollstreckung.

Eine Besonderheit gilt für Schuldner im Wirtschaftsrecht, also juristische Personen, gegen die die Betreibung dadurch eingeleitet wird, dass sie innerhalb einer Frist zur Zahlung der gesamten Forderung nebst Kosten aufgefordert werden. Bei Nichteinhaltung der Frist kann vom Gläubiger Konkurs beantragt werden. Im Gegensatz zur deutschen Konkursordnung hat der Gläubiger aber sämtliche Verfahrenskosten des Konkurses vorzuschießen, bei Unklarheit über die Konkursmasse ein wirtschaftliches Risiko.

5. Besondere Verfahren

Entsprechend der deutschen Zwangsvollstreckung gibt es auch nach dem Schweizerischen SchuKG die Möglichkeit, schon vor dem Zahlungsbefehl einen vorläufigen Arrest der Vermögenswerte zu erreichen, Art 271 ff SchuKG. Dies setzt aber die genauen Kenntnisse der Vermögenswerte voraus.

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Bank oder Finanzintermediäre nach der eidgenössischen Geldwäscheverordnung, kann wegen der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht oder entsprechender Aufsichtsbehörden Zahlungsdruck erzeugt werden.

Äquivalent zur deutschen Zwangsvollstreckung kann der Schuldner Klage vor dem zuständigen Schweizer Zivilgericht gegen die Betreibung erheben, wenn er Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend machen will. Wobei hier grundsätzlich bei den schweizerischen Zivilgerichten gilt, dass dem Schuldner nur Zahlungsaufschub gewährt wird, wenn durch die Zahlung der betriebenen Schuld seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ist.



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