Vorladung der Polizei wegen Missbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 StGB) – Fachanwalt für Strafrecht informiert

  • 6 Minuten Lesezeit

Wen habe ich da eigentlich vor mir? – Die Frage ist oftmals bedeutend: Darf die Person, die vor mir steht, wie gewünscht auf das Bankkonto zugreifen? Ist der Unfallbeteiligte auch wirklich derjenige, der er zu sein vorgibt? Gehört das vorgezeigte Corona-Zertifikat zum Besucher, der im Restaurant bewirtet werden möchte?


Deutlich wird in all diesen Situationen das Bedürfnis, zuverlässig zu bestimmen, welche Identität ein bestimmter Mensch hat. Aus diesem Grund hat fast jeder Erwachsene einen eigenen Ausweis (zB Personalausweis, Reisepass). Es birgt große Risiken, wenn jemand einen Ausweis, der für jemand anderen ausgestellt ist, zur Täuschung im Rechtsverkehr verwendet.


Zwecks Schutzes des Rechtsverkehrs und zwecks Wahrheitsschutzes ist dieses Verhalten deshalb unter Strafe verboten.

Wie hoch ist die Strafe für Missbrauch von Ausweispapieren?

Wer ein für einen anderen ausgestelltes Ausweispapier zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, den trifft eine Strafandrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe; dasselbe gilt für denjenigen, der zur Täuschung im Rechtsverkehr einem anderen ein nicht für diesen ausgestelltes Ausweispapier überlässt (§ 281 Abs. 1 StGB).

Missbrauch von Ausweispapieren - Echter Ausweis, falscher Inhaber

Ausgangspunkt für die Strafbarkeit wegen Missbrauchs von Ausweispapieren ist ein echter Ausweis (oder eine entsprechende ähnliche Urkunde, § 281 Abs. 2 Hs. 2 StGB), der für eine andere Person ausgestellt ist. Ein solcher ist jede Urkunde einer Stelle der öffentlichen Verwaltung, die ausgestellt wurde, um die Identität des Ausweisinhabers nachzuweisen. Dem gleichgestellt sind solche amtlichen Urkunden, die im Verkehr als Ausweise Verwendung finden.


Damit umfasst sind beispielsweise

  • der Personalausweis,
  • der Reisepass,
  • der Führerschein,
  • die Geburtsurkunde,
  • der Studentenausweis,
  • die Zulassungsbescheinigung Teil I und II (früher: Fahrzeugschein und -brief) sowie
  • das Hochschulzeugnis.


Nicht umfasst sind Dokumente privater Stellen wie zB die Mitgliedskarte des Fitnessstudios, der Dienstausweis eines privaten Arbeitgebers, die BahnCard oder die Kreditkarte.

Corona: Strafbarkeit wegen Missbrauchs von Ausweispapieren auch bei Gesundheitszeugnissen

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie wurde die Strafbarkeit des Missbrauchs von Ausweispapieren ausgeweitet. Diese Erweiterung dauert auch immer noch fort. Die beschriebene Strafbarkeit gilt seitdem nicht mehr nur in Bezug auf Ausweispapiere, sondern auch Gesundheitszeugnisse (§ 281 Abs. 2 Hs. 1 StGB). Das wollte vor allem den Missbrauch von Impf- und Testzertifikaten durch Ungeimpfte bzw. Ungetestete verhindern. Wer also das Impfzertifikat eines anderen im Kino als sein eigenes vorzeigt und über seine Identität täuscht, unterliegt nunmehr auch der Strafbarkeit. Das gilt auch, wenn – wie in der Praxis vorgekommen – nur das entsprechende Zertifikat, nicht aber zusätzlich ein Identitätsnachweis wie ein Personalausweis vorgezeigt wurde.

Im Sinne der besseren Lesbarkeit gelten die Ausführungen in diesem Beitrag für Gesundheitszeugnisse gleichermaßen wie für Ausweise und ähnliche Urkunden, ohne dass die Gesundheitszeugnisse immer gesondert benannt werden.


Gebrauchen des Ausweises

Strafbar wegen Missbrauchs von Ausweispapieren wird noch nicht sein, wer den fremden Ausweis nur in seinem Portemonnaie trägt. Es ist erforderlich, dass dieser auch gebraucht wird. Dazu muss der Ausweis dem zu Täuschenden zB vorgelegt oder übergeben werden (der Ausweis muss einer anderen Person derart zugänglich gemacht werden, sodass diese den Ausweis sinnlich wahrnehmen kann). Dass dieser das Ausweispapier tatsächlich wahrnimmt, ist dabei nicht erforderlich.


So wird man die Strafbarkeit zB grundsätzlich dann annehmen können, wenn eine Person ohne Fahrerlaubnis ein Auto anmieten möchte und dazu den (echten) Führerschein ihres ähnlich aussehenden Geschwisterkinds bei der Autovermietung als ihren eigenen vorlegt. Das gilt auch dann, wenn das Personal den Führerschein nur oberflächlich oder gar nicht ansieht.


Das Gebrauchen muss auch zwecks Täuschung geschehen. Das bedeutet, dass der mutmaßliche Täter einen Irrtum hervorrufen und den Getäuschten zu einem rechtserheblichen Handeln veranlassen wollte.

So entschied bspw. das AG Nürnberg, dass das Auslegen eines fremden Behindertenausweises, um auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz unentgeltlich zu parken, strafbar gem. § 281 StGB ist (AG Nürnberg, Urt. v. 21.04.2004, Az: 55 Cs 702 Js 62068/04). Das Auslegen eines nicht auf den Täter ausgestellten Behindertenparkausweises, um einen unentgeltlichen Parkplatz zu beparken, reiche für eine Strafbarkeit nach § 281 StGB indes nicht aus (OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.08.2013, Az: 2 Ss 349/13).

Für einen Dritten: Strafbarkeit des Überlassens des Ausweises

Auch die vorbereitende Mitwirkung an einem Missbrauch von Ausweispapieren ist unter Strafe gestellt. Hier macht sich strafbar, wer ein nicht auf den entsprechenden Täter ausgestelltes Ausweispapier an diesen übergibt und dabei auch die Vorstellung hat, dass dieser es zur Täuschung im Rechtsverkehr verwenden wird. Exemplarisches Beispiel ist das „Verleihen“ des Ausweises eines Volljährigen an sein minderjähriges Geschwisterkind, damit dieses Zutritt zu altersbeschränkten Lokalitäten erhält oder eigenständig „harten Alkohol“ einkaufen kann. Hier droht eine Strafbarkeit auch schon dann, wenn der Ausweis zwar an das Geschwisterkind übergeben wurde, dieses ihn aber letztendlich gar nicht verwendet hat.


Strafbar wird aber grundsätzlich nicht derjenige sein, der von dem Missbrauch gar nichts weiß und seinen Ausweis beispielsweise nur zum kurzweiligen Verwahren („darauf aufpassen“) einem anderen übergibt und überhaupt keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung erkennen kann.

Bereits der versuchte Missbrauch von Ausweispapieren ist strafbar

Eine Strafbarkeit droht das Gesetz auch schon demjenigen an, der den Missbrauch von Ausweispapieren nur versucht (§ 281 Abs. 1 S. 2 StGB).

Dafür reiche es nach der Rechtsprechung bspw. aus, wenn nur eine Fotokopie des fremden Ausweises vorgelegt wird, der Täter aber bereit ist, das Original auf Verlangen vorzuzeigen (BGH, Urt. v. 04.09.1964, Az: 4 StR 324/64). Für den Versuch des Überlassens genüge nach der Rechtsprechung bereits ein „bestimmtes Übergabeangebot“, eine tatsächliche Übergabe sei nicht erforderlich (KG Berlin, Urt. v. 25.03.1953, Az: 1 Ss 383/52).


Gerade dann, wenn subjektive Vorstellungen über das Geschehen entscheidend sind, wird die Lage oft kompliziert. Schließlich kann auch das Gericht nicht in den Kopf des mutmaßlichen Täters blicken. Deshalb ist – nicht nur wegen der komplexen Materie – die Beratung durch einen erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht empfehlenswert, der den Einzelfall in den Blick nimmt und sodann mit dem Mandanten einen optimale Verteidigungsstrategie ausarbeiten und umsetzen kann.

Strafe wegen Missbrauch von Ausweispapieren bei gefälschtem Ausweis?

In diesem Beitrag ist nur vom Missbrauch von Ausweispapieren gem. § 281 StGB die Rede. Dabei gilt: Missbraucht werden kann hier nur ein echter Ausweis.


Zu unterscheiden von dieser Strafbarkeit gilt es deshalb die Fälle, in denen ein unechter Ausweis hergestellt, ein echter Ausweis verfälscht und/oder dieser gebraucht wird (hier kann eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung drohen oder wegen Veränderung von amtlichen Ausweisen o.ä.). Da hier nicht „nur“ ein echter Ausweis missbraucht wird, sondern er unbefugt verändert oder ein gänzlich unechter hergestellt, drohen hier regelmäßig auch höhere Strafen für den Täter.

Was sollte ich bei Erhalt einer Vorladung von der Polizei oder Strafbefehl wegen Missbrauch von Ausweispapieren tun?

Sollten Sie Post von der Polizei oder der Staatsanwalt mit einer Vorladung oder einem Strafbefehl wegen des Vorwurfs des Missbrauchs von Ausweispapieren erhalten haben, sollten Sie vor allem zunächst ruhig bleiben. Es gilt jetzt besonnen und gezielt vorzugehen. Wenden Sie sich am Besten so zeitnah wie möglich an einen spezialisierten Anwalt für Strafrecht. Dieser weiß, wie genau in Ihrem Fall nun am Besten vorzugehen ist. Er wird Akteneinsicht beantragen und nach deren Analyse eine passende Verteidigungsstrategie erarbeiten. Abzuraten ist grundsätzlich davon, unbedacht zur Polizei zu gehen und sich „um Kopf und Kragen zu reden“. Hierdurch wird die Situation erfahrungsgemäß in nur wenigen Fällen besser, sondern oftmals schlimmer gemacht.

Gerade bei Erhalt eines Strafbefehls sollten Sie möglichst rasch vorgehen, da hier recht enge Fristen gelten, die es zu beachten gilt, sollten Sie gegen den Strafbefehl vorgehen wollen. Andernfalls steht ein Strafbefehl grundsätzlich einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs.3 StPO).

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Sören Grigutsch

Beiträge zum Thema