Vorläufige und endgültige Bewilligung von Grundsicherung in Coronazeiten – Selbstständige besonders aufgepasst!

  • 3 Minuten Lesezeit

Viele Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sind es gewohnt, dass Leistungen oft zunächst nur vorläufig für einen bestimmten Zeitraum bewilligt werden. Nach Ablauf dieses Zeitraumes fordert das Jobcenter meist Unterlagen wie Einkommensnachweise, Nebenkostenabrechnungen etc. an und man erhält meist innerhalb von 12 Monaten einen weiteren sogenannten endgültigen/abschließenden Leistungsbescheid für diesen Zeitraum. 

Gab bzw. gibt es innerhalb des 12-Monatszeitraums keinen endgültigen Leistungsbescheid, so gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als endgültig. D. h. zum einen, dass das Jobcenter bei einer Überzahlung keine Erstattungsforderung mehr stellen kann, auf der anderen Seite jedoch auch, dass für den Fall, dass man zu wenig Leistungen erhalten hat, eine Nachzahlung für den Leistungsberechtigten ebenfalls nicht mehr durchgesetzt werden kann.

Dies alles ist in § 41a Abs. 3 SGB II geregelt.

Was muss beachtet werden?

Aus Anlass der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber hier nun eine Änderung vorgenommen.

Für alle Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.3.2021 begonnen haben, gilt, dass eine endgültige Bewilligung des Leistungsanspruches nur auf Antrag des Leistungsberechtigten erfolgt.

Was heißt das jetzt konkret? 

Wurden in Bewilligungszeiträumen, welche in den oben genannten Zeitraum fallen, zu wenig Leistungen gezahlt, sei es, dass die Miete nicht in voller Höhe übernommen wurde, dass Mehrbedarfe nicht gezahlt wurden, dass höheres Einkommen, als letztendlich erzielt wurde, angerechnet wurde oder Unterhaltsleistungen, welche letztendlich nicht gezahlt wurden, bedarfsmindernd berücksichtigt wurden, so darf man nicht darauf vertrauen, dass das Jobcenter eine Richtigstellung der Bescheide im Rahmen der abschließenden Bewilligung vornimmt. Vielmehr muss man in diesen Fällen einen Antrag auf endgültige Bewilligung stellen.

Achtung:  Der Antrag muss bis spätestens 31.03.2022 gestellt werden.

Ein solcher Antrag sollte jedoch nur dann gestellt werden, wenn man sich sicher ist, dass das Jobcenter zu wenig Leistungen gezahlt hat. Besteht die Gefahr, dass zu viel Leistungen gezahlt wurden und das Jobcenter im Rahmen der endgültigen Bewilligung dies feststellt, ist diese Rückforderung – vorbehaltlich der Rechtmäßigkeit selbiger – nicht mehr rückgängig zu machen. Es sollte daher gut überlegt werden, ob ein solcher Antrag auf endgültige Bewilligung gestellt wird. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, eine Berechnung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht vornehmen zu lassen.

Unser Rat für Selbstständige

Insbesondere Selbstständigen, welche aufgrund der Einkommensausfälle durch die Pandemiebeschränkungen Leistungen nach dem SGB II beantragen mussten, daneben aber auch Corona Soforthilfen erhalten haben, ist eine rechtliche Überprüfung einer solchen Antragstellung dringend zu empfehlen. Die gezahlten Corona Soforthilfen dürfen zwar nicht zur Deckung des Lebensunterhaltes eingesetzt und dementsprechend auch nicht als Einkommen bei der Leistungsberechnung angerechnet werden, jedoch werden diese überwiegend zur Deckung der Betriebsausgaben auch im SGB II berücksichtigt.

Dies wurde in Eilverfahren bspw. durch das Sozialgericht Leipzig mit Beschluss vom 27.05.2020, Az.: S 24 AS 817/ 20 ER entschieden. Das Gericht hat entschieden, dass

  1. Corona-Soforthilfe ist weder als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II noch als Betriebseinnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 2 ALG II-VO (juris: AlgIIV 2008) zu berücksichtigen.
  2. Von den Betriebseinnahmen sind die Betriebsausgaben nur insoweit abzusetzen, als diese durch Corona-Soforthilfe nicht bereits gedeckt sind.
  3. Ein die Betriebsausgaben übersteigender Anteil an Corona-Soforthilfe findet bei der Leistungsberechnung keine Berücksichtigung. (amtl. Leitsatz)

Unsere Beratungspraxis hat gezeigt, dass dies dazu führen kann, dass die laufenden Betriebsausgaben tatsächlich gedeckt sind und somit die Betriebseinnahmen in voller Höhe Gewinn im Sinne des SGB II darstellen. Dieser Gewinn ist dann – zwar um die Freibeträge bereinigt – vom Bedarf als Einkommen abzuziehen und kann somit dazu führen, dass die gewährten Leistungen im schlimmsten Fall vollumfänglich zurückzuzahlen sind.

Wird in so einem Fall jedoch kein Antrag gestellt, sind Rückforderungen des Jobcenters aufgrund vorläufiger Leistungsbewilligung für die Zeiträume, welche in der Zeit vom 01.03.2020 bis 31.03.2021 begonnen haben, ausgeschlossen.

Insbesondere selbstständig Tätigen ist daher eine vorherige Beratung einer solchen Antragstellung dringend zu empfehlen.


[Detailinformationen: RAin Dörte Lorenz, Fachanwältin für Sozialrecht, Fachanwältin für Familienrecht, Telefon 0351 80718-56, lorenz@dresdner-fachanwaelte.de] 


KUCKLICK dresdner-fachanwaelte.de

17 Anwälte – 25 Rechtsgebiete

Unsere Anwälte setzen sich mit Leidenschaft für die Wahrung Ihrer rechtlichen Interessen ein.

Seit über 20 Jahren werden Mandantinnen und Mandanten in der Kanzlei KUCKLICK dresdner-fachwaelte.de in allen ihren Rechtsbelangen hochqualifiziert beraten und durchsetzungsstark von spezialisierten Anwältinnen und Anwälten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich vertreten.

Vertrauen Sie den vielzähligen Mandantenbewertungen!

Kontaktieren Sie uns!

Foto(s): andreas160578 auf Pixabay

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dörte Lorenz

Beiträge zum Thema